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Ihnen und dem gesamten Landesvorstand droht die Abwahl, nachdem stundenlang darüber diskutiert und abgestimmt wird – oft mehrfach – ob man zwei oder drei Tagungsleiter benötigt, wer alles in die Zählkommission darf, wie viel Minuten Redezeit jeder beanspruchen kann und dass jeder Redner erklären muss, ob und wenn ja bei wem er innerhalb der AfD angestellt ist. Spannend wird es, als der Antrag gestellt wird, die Abwahl aller Vorstandsmitglieder auf die Tagesordnung zu setzen. Das sieht der Plan eigentlich nicht vor. Nachdem eine zweimalige offene Abstimmung keine Mehrheit ergibt, wird geheim abgestimmt. 258 Mitglieder lehnen das ab, 253 sind dafür, neun enthalten sich. Auch der Antrag, nur die beiden Rebellen, den Mit-Vorsitzenden Dirk Spaniel und Landesschatzmeister Frank Kral, abzuwählen, scheitert mit 278 zu 253 Stimmen bei neun ungültigen Stimmzetteln und zwei Enthaltungen.
Dafür findet ein anderer Antrag eine Mehrheit, der den Parteitag vor eine Zerreißprobe stellt. Es wird über drei Stunden über den „Zustand des Landesverbands“ gestritten, dass die Fetzen fliegen. Datenschutz-Verstöße, eine 5000-Euro-Telefon-Rechnung eines Landesvorstands-Mitglieds in Moskau, eine ungeklärte Dienstreise, Zugriffe auf ein Postfach und vieles mehr lassen die Adern schwellen und die Phonstärke in die Höhe schnellen. Sitzungspräsident Braga, Chef der Deutschen Burschenschaft, schilt: „Eine so unordentliche Versammlung wie heute habe ich selten erlebt.“
Schon in seiner Eröffnungsrede warnt Gögel: „Wir brauchen keinen Führer und keinen Personenkult.“ Und: „Wer nicht Teamplayer ist, sollte zurücktreten.“ Ein älteres Parteimitglied ist verzweifelt: „Ich weiß heute noch nicht, was die AfD in Baden-Württemberg denkt. Politisch ist das null. Wir unterhalten uns stundenlang über die Tagesordnung. Der Landesvorstand muss sich erst selber in Ordnung bringen, bevor wir neue Vorstandsmitglieder wählen.“ Ein anderer empört sich: „Wenn wir auf jedem Parteitag den Vorstand in Frage stellen, sind wir nichts anderes als die Piratenpartei.“
Der vielfach angegriffene, aber genauso keilende Co-Vorsitzende Spaniel beklagt „eine katastrophale Woche mit einer Schlammschlacht.“ Deutlich wird auch Bundestagsabgeordneter Jürgen Braun aus dem Rems-Murr-Kreis: „Ich fühle mich beschissen. Ich bin es leid, einen Landesvorstand zu haben, der nur rumjammert. Reißt Euch zusammen.“ Und der Sprecher der AfD im Kreisverband Calw/Freudenstadt, Günther Schöttle, wettert: „Ihr solltet Euch schämen.“ Die angemahnte Einigung oder gar Versöhnung in der Führungsriege der Landes-AfD scheint nicht einfach zu werden. Auf die Frage des Landtagsabgeordneten Udo Stein aus Schwäbisch Hall „Könnt und wollt ihr noch im Vorstand zusammenarbeiten?“ kommt kein klares Ja. Gögel fast resignierend: „Wenn wir kein Vertrauen aufbauen können, würde ich für mich sagen: Das war’s“. Spaniel hört sich nicht viel optimistischer an: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, ist sehr gering.“ Möglicherweise, so Gögel, ist ein Sonderparteitag erforderlich.
Bundestagsmitglied Martin Hess aus dem Wahlkreis Ludwigsburg fasst alles so zusammen: „Ich muss heute das Zerlegen eines Landesverbands erleben.“