Natürlich ist die Welt einfacher zu ertragen, wenn man sie nur schwarz und weiß sieht. Die Frage ist aber ob diese Wahrnehmung richtig ist - oder ob da vielleicht im Osten wie im Norden oder im Süden oder Westen sehr viele Grautöne sind: Mangels eines Herrn Fitzek musste "der Westen" den Beweis Deiner These nicht antreten.
Sicherlich ist die Masche von Fitzek originell. Er ist der einzige libertäre Rechtsextremist, der es fertigbringt, seine antisemitischen Tiraden mit einer Aufforderung zu beschließen, ihm Deine Grundstücke zu übereignen, damit sie vor dem Zugriff des internationalen Finanzkapitals sicher sind. LOL
Aber abgesehen davon agiert er wie im Lehrbuch für Anlagebetrüger mit der gleichen substanzlosen Mischung aus Bauernschläue, Unverschämtheit und betäubender Rhetorik, die
sämtliche dieser Täter auszeichnet. Die Wessis hatten ihre Fitzeks, nur werden die eben gestoppt, wenn die öffentliche Diskussion über sie
beginnt:
Jürgen Harksen http://www.zeit.de/2003/17/Doppelseite_2fHarksen Gert Postel http://www.vice.com/de/read/lugentriade-0000624-v9n12 https://www.youtube.com/watch?v=NlZdvdmntlcManfred Schmider http://de.wikipedia.org/wiki/FlowTexCarsten Rodbertus http://www.welt.de/wirtschaft/article123842450/Der-Mann-hinter-dem-riskanten-Prokon-Versprechen.htmlDie Parallelen in Schema, Auftreten und Argumentation der Täter sind frappierend. Fitzek ist genauso vorhersehbar und mit den gleichen Maßnahmen zu erledigen wie die vielen kleinen Steuern- und Abgabenverweigerer in Bayern, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein, deren Schlagzeilen nie über die Lokalpresse hinauskommen, weil sie sofort weg vom Fenster sind.
Ossis sehen Konsens und Grautöne auch dort, wo Wessis nur klare Kante erkennen. Ist ja auch sympathisch. Immerhin half es dabei, dass der Staat der Ostdeutschen im Herbst '89 einfach verschwand, ohne dass Tote und Blutvergießen zu beklagen waren.
Die Kehrseite ist, dass sich ein Amtsträger im Osten vor jeder Ermessensentscheidung fragt, die er nicht buchstabengetreu ablesen kann: "Kann ich dafür zur Verantwortung gezogen werden und zerstört meine Entscheidung am Ende das ganze System, so dass ich arbeitslos werde?" Und so wird jeder Firlefanz ausgesessen, an den Behördenleiter eskaliert oder nur kleinste Teilentscheidungen getroffen, die niemandem wehtun. Wird sich schon der Bund drum kümmern.
In einer westdeutschen Kleinstadt mit 50.000 Einwohnern hätte der Umstand, dass ein Querulant jahrelang nicht mal Gewerbesteuer für seinen Laden zahlt, während die Unternehmer links und rechts von ihm für die Erneuerung der Kanalisation zur Kasse gebeten werden oder dass eine Behördenmitarbeiterin von ihm tätlich angegriffen wird, während die andere Teilzeit für ihn arbeitet, dazu geführt, dass die Einwohner mit Mistgabeln vors Rathaus gezogen wären. Im Endeffekt hätten solche Vorkommnisse die Stadtverwaltung gesprengt und Neuwahlen der Gemeindevertretung provoziert. Im Osten dagegen? Schläfriger Konsens, während der Junge aus dem Dorf lustig weitermacht.
Ich warte auf den Tag, an dem ein Tanklaster mit russischem Benzin an Fitzeks Zapfstelle explodiert, während Ordnungs- und Umweltamt in Wittenberg sich wegen der verzwickten Rechtslage uneins darüber sind, ob die Anlage genehmigungsfähig wäre.
Im Westen wäre der Spuk schon vor dem ersten Tag der Offenen Tür im Königreich vorbei gewesen. Das Risiko, dass bei den handwerklichen Übungen öffentlichkeitswirksam einer von der Leiter fällt und die Kommune oder das Land in die Haftung für einen Schwerstpflegefall gehen, wäre kein Amtsträger eingegangen. Die begleitende Durchsuchung hätte dann genug Verstöße für eine sofortige Räumung sämtlicher Liegenschaften zu Tage gebracht. Im Osten? Nichts Neues, nur Schulterzucken.
Richter Grünberg und seine Verhandlungsführung nehme ich von dieser Schelte ausdrücklich aus. Er hat rausgeholt, was angesichts der Umstände möglich war. Und mit der Nähe einiger Forenschreiber zum Umfeld des Täters meine ich nicht die paar Unterstützer, die gelegentlich hier aufpoppen, sondern dass die Kritiker Fitzek und seine Mittäter verharmlosen, wenn sie sich nur mit dem lächerlichen Brimborium rund um das Königreich beschäftigen, das Fitzek uns als Brocken hinwirft. Die Musik spielt woanders, aber um die Noten zu lesen müsste mal jemand das Licht über ihm anknipsen.