Ich habe das selber aus dem Telegram-Kanal eines Anwalts ge
fischt, trotzdem bleiben mir Zweifel. Die erste und letzte Seite sind anders als der Rest, Scanauflösung und Schriftbild unterscheiden sich stark, es sind sogar die Seitengrößen anders.
Zudem wirkt der ganze Stil nicht so, als ob er von einem Juristen verfasst ist. Es fehlen die maßgeblichen Normen (eben der § 326 BGB, wie unser
@Judge Roy Bean schrieb). Stattdessen führt das Gericht laut diesem Dokument das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB ein, was Quatsch ist, weil die Beschulung nicht nachgeholt werden kann. Auffallend ist dann noch eine falsche Normbezeichnung: Es heißt "Gefahrstoffverordnung" und nicht "Gefahrenstoffverordnung".
Ich gehe im folgenden davon aus, dass der Text authentisch ist.
Der Schwerpunkt der Begründung müsste sein, ob die Eltern dafür verantwortlich sind, dass das Kind nicht in die Schule ging. Wenn dies der Fall ist, können die Eltern nicht unter Berufung auf § 326 die Zahlung verweigern, weil die Schule ihren Teil des Vertrags nicht geleistet hat.
Nun durfte das Kind auf Veranlassung der Schule anscheinend nicht ohne Maske und Tests in die Schule, deswegen sehen die Eltern das ganze in der Verwantwortung der Schule. Die Schule wiederum wird Gründe für diese Einschränkung angeben, die uns das Gericht leider nicht mitteilt.
Das Gericht schreibt dazu, die Schule dürfe nicht über die Corona-Verordnung hinaus gehen, da nur die Eltern die Sorge um die Gesundheit des Kindes hätten. Hier kratzt man sich zum ersten Mal den Kopf: Warum sollte die Schule das nicht dürfen, und was hat das mit der elterlichen Sorge zu tun?
Der Schulträger hat ja nicht nur Pflichten gegenüber dem Kind der klagenden Eltern, sondern auch den anderen Kindern gegenüber. Im Kern des Rechtsstreits steht der Interessenkonflikt zwischen dem Kind (oder seinen Eltern), welches ohne Maske und Testung (irgendwie scheint das eine Rolle zu spielen) und dem Rest der Schule, welche ein Interesse an einer Minimierung der Krankheitsrisiken durch Covid-19 hat (die Schule hat eine arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht für die Angestellten, dazu ein Interesse an einem geordneten Schulbetrieb der durch einen Covid-19-Ausbruch gestört sein könnte, und sie hat eine Fürsorgepflicht für die Kinder). Daher genügt die Feststellung, dass die Sorge für die Gesundheit des Kindes den Eltern obliegt, eben nicht, um zu folgern, dass die Schule nicht über die Corona-Verordnung hinausgehen dürfe.
Aufgrund der anderen Rechtsverhältnisse eines privaten Schulträgers kann man dies auch nicht pauschal mit Verweis auf die Verwaltungsgerichte auch noch anderer Bundesländer mit anderen Corona-Verordnungen und anderem Schulrecht schließen. Ich habe mir die Entscheidung des Hamburgischen OVG angesehen, danach hat das OVG keinen Zweifel daran, dass eine Maskenpflicht rechtswirksam besteht, ihm fehlt es allerdings an einer Norm, welche die Schulleitung bei Nichtbeachtung zu einem Unterrichtsausschluss ermächtigt. Da mag ein privater Träger durchaus andere Möglichkeiten haben, eine bestehende Pflicht durchzusetzen.
Im übrigen fehlt jede Auseinandersetzung damit, auf welche Interessen der Schule nach § 241 Abs. 2 das Kind und die Eltern Rücksicht nehmen müssen. Wenn man die Interessen der einen Seite völlig unter den Tisch fallen lässt, ist das Ergebnis freilich vorgezeichnet! Da verweist dann das Gericht noch auf Art 3 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention, und übersieht völlig, dass die Maßnahmen auf das Wohl der anderen Kinder ziehen, und es daher die Interessen abwägen muss.
Ein zweiter Kardinalfehler ist, dass das Gericht aus der Symptomfreiheit und Aussagen der Eltern des Kindes darauf schließen möchte, dass das Kind gesund sei. Da eine Corona-Infektion symptomlos verlaufen kann und dennoch ansteckend ist, kann das Gericht einen solchen Schluss nicht ziehen. Es glaubt hier blind einer Partei, obwohl auch diese ohne einen Test nicht wissen konnte, ob das Kind gesund ist oder nicht.
Und drittens schließlich nimmt das Gericht eine ganze Menge an Dingen aufgrund behaupteter eigener Sachkenntnis oder aufgrund frei ausgewählter einseitiger Beweise an, die eine sehr viel umfangreichere Beschäftigung mit den Themen erfordern. Das Gericht will z.B. aus eigener Kenntnis wissen, dass Masken schädlich sind, während die Schule, Verwaltung und Gesetzgeber anderer Meinung sind. Wenn das Gericht von der Einschätzung weiter Kreise abweichen will, darf man erwarten, dass es schon etwas mehr auf den Tisch legt und sich auch mit den Meinungen beschäftigt, von denen es abweichen möchte.
Mir erscheint, dass das Gericht alle Unsicherheiten und möglichen Gefahren einseitig zugunsten der einen Partei berücksichtigt, während zuungunsten der anderen die Gefahren für die anderen Schüler und die Schule ignoriert werden.