Ok, nun habe ich also 23 Seiten mit meiner Sauklaue voll geschmiert und weiß nicht mal warum. Zunächst einige Eindrücke von den Rahmenbedingungen:
- Der Zugang zum Gerichtssaal war deutlich einfacher als damals bei den Schaefers. Nur die Kontrolle am Eingang, nix mehr vor dem Gerichtssaal, insbesondere kein Abtasten und auch kein Einsammeln von elektronischem Gerät und potentiellen Wurfgeschossen wie Bücher o.ä.
- Die übliche Ansammlung von Erwachten war auch hier anwesend. Insgesamt etwa 20-25 Zuschauerinnen und Zuschauer.
- Janko kann immerhin mit drei Anwälten, und zwar nach meiner Einschätzung alte Füchse, für den Prozess aufbieten, mit nach eigener Bekenntnis teilweise langen Anfahrtwegen (siehe Anhang)
- Der Staatsanwalt war ein junger Hüpfer und hat gleich zu Prozessbeginn eingestanden dass er nur ein Vertreter ist und insbesondere die in der Akte befindlichen Videos nicht angeschaut hat. Dafür hat er sich meiner Ansicht nach respektabel geschlagen.
- Die ebenfalls junge Richterin hat den Prozess souverän geführt.
- Es gab ausser dem üblichen Gemurmel keinerlei Einwürfe aus dem Publikum, obwohl kein Ordnungspersonal anwesend war (ausser am Anfang, dazu gleich).
Wie gesagt war der Zugang zum Saal problemlos. Neben mir sass eine Juristin, die sich fleißig mit ihrem Nachbarn unterhalten hat. Sie sprach Themen wie unseren Weimarer Richter an ("Da müssten ja viele Richter wegen Rechtsbeugung angeklagt werden, allen voran beim BVerfG") und regte sich auch über das Ordungspersonal auf, das vor Sitzungsbeginn anwesend war (Eine Dame, ein Herr in Schutzweste und mit Bewaffnung). Früher wäre das ja nicht notwendig gewesen. Na ja, früher war auch kein
Mord am Amtsgericht, aber das habe ich mir verkniffen. Nach kurzer Belehrung über das gewünschte Verhalten verschwanden die beiden dann auch.
Dann ging es auch los. Der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift, nach der Janko auf der Demonstration gegen Corona Maßnahmen am 23.10.2020 in München eine Weste mit der Aufschrift "Anwalt" getragen haben soll und die Frage von Vertretern der Polizei, ob er Anwalt sei bejaht habe. Dies wäre ein Verstoß gegen
§132a StGB.
RA2 (Knoche) wies darauf hin, dass das in der Gerichtsakte enthaltene Video kein Originalvideo der Veranstaltung ist, sondern ein Zusammenschnitt, demzufolge möglicherweise auch gefälscht und daher als Beweismittel zweifelhaft. RA1 (Koslowski) und RA3 (Dalla) äußerten, dass in der ihnen zugegangenen Akte (Dalla hatte die Akteneinsicht bei Koslowski) gar kein Video enthalten war und sie daher unvollständige Akten hatten. Der StA erwähnt dass auch er das Video der Akte nicht gesichtet hat.
Janko erklärt dass er sich nicht zur Sache äußern will.
Als erster Zeuge wird Marc Andree Schmitz befragt, der früher Videos von Veranstaltungen erstellt hatte und in seinem YouTube Channel verbreitet hat. Er bereichtet, dass sein YouTube Channel inzwischen gesperrt ist und sein Video der Veranstaltung nicht mehr Verfügbar ist, und das auch kein Backup vorhanden ist. Die Anwälte weisen darauf hin dass die StA das/die Videos der Veranstaltung hätte sichern müssen. Die Richterin und der StA schlagen vor, das verfügbare Video zu sichten damit Schmitz seine Einschätzung liefern kann inwieweit es mit seinem Film übereinstimmt. RA2 weißt darauf hin, dass er darin einen möglichen Revisionsgrund sieht (verfälschtes Video). Das Video wird vorgespielt. Leider ist nur der Laptop der Richterin verfügbar, und die prozessbeteiligten Anwälte und Janko stehen davor, so dass man nichts sehen und nur wenig hören kann. Aufgrund der Lautstärke auf der Demo ist es nur schwer zu verstehen. Es wird noch ein weiteres Video vorgespielt, was nicht von Schmitz ist (er ist auf dem Video am Rand zu sehen). RA3 weißt darauf hin, dass es "der Öffentlichkeit" nicht möglich war die Videos zu sehen.
Bei den folgenden Zeuginnen (eine Anwältin, eine Studentin, die Lebensgefährtin von Janko sowie die Veranstalterin) dreht es sich um immer die gleichen Themen:
- Die Stimmung auf der Demonstration wurde von der Polizei unnötig angeheizt.
- Janko hatten sie besonders auf dem Kieker, er wurde mindestens 5 Mal und mehr festgehalten und seine Personalien erhoben, davon einmal in der "Gefangenensammelstelle".
- Auf die Frage "Sind sie Anwalt" habe er geantwortet "Ich bin Wirtschafsjurist, sie <o.a. Anwältin> ist Anwalt
- Ob er eine erste Frage zum Thema mit ja beantwortet hat wissen sie nicht
- Wer die Westen mit der Aufschrift (alternativ) "Anwalt" oder "Anwaltsteam im Einsatz" oder eine andere ähnliche Aufschrift die ich mir nicht aufgeschrieben habe ausgegeben hat weiß keine der vier.
Im Rahmen der Vernehmung der Zeuginnen verweißt RA3 darauf, dass es einen zeugenschafftlichen Bericht eines Kriminalbeamten, der auf der Veranstaltung anwesend war gibt. Dieser berichtet u.a. über das Gespräch zwischen dem verantwortlichen Beamten für die Versammlung, Geissner, und Hilz. In dieses Gespräch hat sich Janko gemäß Bericht eingemischt, woraufhin G. ihn eben gefragt habe "Sind sie Anwalt". Janko habe diese Frage zunächst bejaht und bei zweiter Frage verneint und auf o.a. Anwältin verwiesen. Er weißt darauf hin dass zu diesem Zeitpunkt eine Ermittlung gegen Janko lief und er nicht über seine Rechte belehrt wurde.
Die Veranstaltungsleiterin erwähnte noch, dass sie nach der Veranstaltung polizeilich verhaftet wurde (incl. Handschellen), weil sie auf der Bühne gesagt habe "Masken bringen nichts". Begründung wäre ein Verstoß gegen das Infektionsschutzgesetz gewesen. Ihre damals 5jährige Tochter mußte von einer bekannten abgelenkt werden (übliches "meine Kinder meine Kinder" blabla).
Nun kam der Hauptevent, der polizeiliche Veranstaltungsleiter Geissner wurde befragt. Nachdem er dem Bericht der anderen Zeugen widersprochen hat (40 Jahre Polizeidienst, Profi, keine Aggression, schon gar nicht von ihm angeordnet, er wollte nur die Maskenpflicht, die verhängt wurde durch setzen) kamen vier meiner Ansicht nach wichtige Dinge zur Sprache:
- Janko trat bereits bei der Kooperationsabsprache mit der Anmelderin als ihr Anwalt auf. An die genaue Aufschrift auf der Weste kann er sich nicht mehr erinnern, nur noch an das "Anwalt". Auf die Frage "könne die Anmelderin auch 'Rechtsbeistand' gemeint haben" sagt er das wisse er nicht mehr.
- Im Laufe der Demonstration habe er von der Kripo erfahren dass Janko kein Anwalt ist und dass gegen ihn "ein Verfahren" läuft
- Im Gespräch mit Hilz habe er sich auf diesen konzentriert und die Frage an Janko nur gerichtet um ihn quasi "loszuwerden".
- Die Reaktion auf seine erste Frage an Janko "Sind sie ein Anwalt" war ein Kopfnicken, an andere Antworten kann er sich nicht mehr erinnern.
Die Anwälte (insbesondere RA3) schossen sich sofort auf den zweiten Punkt ein und versuchten das Bild zu konstruieren dass Geissner von dem Kripobeamten die (möglicherweise auch verdeckte) Anweisung erhalten hätte, gegen Janko zu ermitteln und dass er dies gegenüber Janko verschwiegen hat (
§136 StPO). Alle drei fragten mehrfach, warum Geissner die Frage gegenüber Janko mehrfach wiederholt hat. Die Antwort war stereotyp "Weil ich das gemacht habe". Auf die Frage wann genau er von der Ermittlung gehört hat und was genau er gehört hat antwortete er immer "Ich weiß es nicht mehr".
Nach mehreren Gesprächen im Kreis stellten die Anwälte in Reihenfolge mehrere Anträge:
- RA3 und RA1 beantragen Vereidigung von Geissner, um "die Wahrheit" bezüglich der Aussagen zum mehrfachen Fragen "Sind Sie Rechtsanwalt" und die Antwort auf die Frage "warum steht die Anzeige gegen Hilz im zeugenschaftlichen Bericht" heraus zu bekommen.
- RA1 beantragt Beweisverwertungsverbot zur Aussage von Geissner und den Videos wg. §136 StPO
- Vorladung weiterer Zeugen
- Aufbereitung der vorliegenden Videos, um tatsächliches Geschehen zu ermitteln
- Vorladung des Kripobeamten, der während der Demo mit Geissner kommuniziert hat
Alle Anträge werden von der Richterin abgelehnt. RA2 gibt eine Rüge wegen der Verweigerung rechtlichen Gehörs zu Protokoll. RA1 kündigt einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin an. Aufgrund der Uhrzeit (ca. 17:30h) wird über eine Vertagung (klappt nicht, da die RA im Juni keine Zeit haben) oder eine Aussetzung diskutiert. Endergebnis: Das Verfahren wird ausgesetzt, der Antrag schriftlich formuliert und innerhalb einer woche eingereicht.
Persönlich möchte ich sagen, dass es mir während der Verhandlung nicht möglich war, ein Bild des tatsächlichen Geschehens zu bekommen. Dazu stand zu sehr Aussage gegen Aussage und handfeste Belege standen nicht zur Verfügung. Aus der Geschichte der letzten paar Jahre ist aber bekannt dass unsere Kundschaft mit rechtlichen "Formalien" nicht gerade zimperlich ist. Das mit dem Vertreter der StA, der nicht mal wichtiges Material gesichtet hatte ist ein peinlicher Lapsus. Trotzdem hat der StA sich gut geschlagen. Die Anwälte wußten ziemlich genau was sie tun, worauf sie sich einlassen und worauf nicht und was die Zielrichtung ist. Und dem Herrn Geissner möchte ich nicht auf der falschen Seite begegnen. Der weiß ganz genau was er tut, was er wann sagen muß und wann er auf einmal nichts mehr weiß. 40 Jahre Polizeidienst sind sicher nicht spurlos an ihm vorbei gegangen.
Rein rechtlich ist mir nicht klar, warum man Janko nicht bereits aus dem Umstand, dass er gemeinsam mit der Veranstaltungsleitung gegenüber der Polizei als "Anwalt" aufgetreten ist einen Strick drehen kann und sich statt dessen auf die explizite Aussage berufen muß. Dazu können mir die Rechtsgelehrten des Forums sicher mehr sagen.
Jetzt muß wohl erst mal über die Befangenheit entschieden werden, und dann sehen wir wie es weiter geht.