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Zu dem Netzwerk, das sich nach dem Hochwasser im Flutgebiet in Ahrweiler versammelt, zählen ehemals hochrangige Militärs. Einer von ihnen ist Maximilian Eder. Als er 1999 als Kommandeur sein Panzergrenadierbataillon zum ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr seit ihrer Gründung in den Kosovo führte, folgte er damit einer Entscheidung des Deutschen Bundestags. Heute ist er pensioniert, hält einige der Parlamentsentscheidungen zum Infektionsschutz für ein Verbrechen und folgte mit seinem jüngsten Einsatz in Ahrweiler einer Entscheidung der sogenannten "Querdenker".
Denen hat er sich vor einiger Zeit angeschlossen - und mit ihm nach Informationen des ARD-Politikmagazins Kontraste und rbb24 Recherche rund Hundert Veteranen und ehemalige Polizisten, die sich inzwischen im Umfeld der "Querdenker" organisieren. Die meisten haben über Telegram-Gruppen zusammengefunden, auf kleinen privaten Treffen oder bei den vergangenen Corona-Protesten in Berlin wie am vergangenen Sonntag. Damit folgen sie dem Vorbild aus den Niederlanden, wo sich Veteranen bei den zum Teil gewalttätigen Corona-Protesten vor die Demonstranten und gegen die Polizisten im Einsatz gestellt hatten.
Im Auftrag der "Querdenker"
Oberst a.D. Maximilian Eder war es, der in der Aloisiusschule in Ahrweiler zeitweilig einige Dutzende Veteranen in der Fluthilfe kommandiert hatte. In der Uniform eines Bundeswehr-Oberst und im Auftrag von Bodo Schiffmann, einem HNO-Arzt und Idol der "Querdenker"-Szene, hatte Eder einen "Stab" in der Grundschule errichtet, wie er es selbst nennt.
Schiffmann bestätigt das im Kontraste-Interview: "Maximilian Eder hat Freunde um sich, die er noch aus seiner Militärzeit kennt." Denen erteile er Befehle "und wir sind Unterstützer, weil wir jemanden brauchen, der einfach Erfahrungen hat - auch im militärischen Bereich."
In Ahrweiler erteilte er schriftliche "Befehle zur Hochwasserhilfe", die Kontraste und rbb24 Recherche vorliegen - mitunterzeichnet von Schiffmann, Ballweg und zwei von Eders Mitstreitern aus dem Netzwerk ehemaliger Mitarbeiter aus Sicherheitsbehörden: Frank Horn, ein Reservist, der eine Telegram-Gruppe mit 7000 Mitgliedern für ehemalige Soldaten führt, und der ehemalige Polizeihauptkommissar Karl Hilz.
Gründungsmitglied des KSK
Zuvor war Oberst a.D. Eder bereits bei einem Corona-Protest an Pfingsten als Redner aufgetreten: "Man müsste das KSK mal nach Berlin schicken und hier ordentlich aufräumen, dann könnt ihr mal sehen, was die können", sagte er dort auf der Bühne. Seit diese Rede öffentlich wurde, beschäftigen sich auch Sicherheitsbehörden mit ihm, darunter das Bundesverteidigungsministerium. Eder selbst war Gründungsmitglied des "Kommandos Spezialkräfte" (KSK), das später immer wieder durch rechtsextreme Umtriebe einiger Soldaten erschüttert wurde.
Für die Spezialeinheit der Bundeswehr hatte Eder Kriegsverbrecher vom Balkan nach Den Haag gebracht, die sich dort vor dem Internationalen Strafgerichtshof verantworten mussten. Heute sieht der ehemalige Bataillonskommandeur bereits ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Umstand, dass Kinder hierzulande über viele Stunden am Tag Masken tragen müssten. Im Interview mit Kontraste verweist er darauf, dass seine "Freiheitsbewegung" vermeintliche Beweise gegen die Verantwortlichen in der Corona-Krise sammele. "Den Haag hat einen sehr langen Atem."
"Das macht uns Sorgen, das ist erschreckend. Das beschädigt auch das Bild der Bundeswehr und auch der Reserve", erklärt Patrick Sensburg, der Präsident des Reservistenverbandes, gegenüber Kontraste. "Wir machen ganz deutlich, dass wir so ein Verhalten nicht akzeptieren: Es ist undemokratisch. Es ist auch gegen staatliche Institutionen gerichtet, und der Reservistenverband hat gegen diesen Oberst Strafanzeige erstattet."
Fantasien für einen "Tag X"
Frank Horn, mit dem er im regelmäßigen Austausch stehe, will die Militärs aus seiner Gruppe für den "Tag X" vernetzen. An diesem solle die Bundesregierung an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt werden. Horn sagt, er würde Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne festnehmen und persönlich nach Den Haag fahren.
Wie Eder und zahlreiche andere Veteranen reiste auch Ex-Polizist Karl Hilz am Wochenende zu den Anti-Corona-Protesten nach Berlin. Er war offenbar einer der Rädelsführer von rund 5000 Menschen, die am Sonntag trotz Demonstrationsverboten durch die Stadt zogen, und dabei immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei suchten. Etwa 1000 Personen wurden vorübergehend festgenommen, auch Ex-Polizist Hilz, der die Teilnehmer schon bei einer Rede am Vortag aufheizte: "Die Regierungen treten unsere Grundrechte mit Füßen und das hat kein Beamter, keine Polizei zuzulassen, denn das ist Hochverrat!"
Verfassungsschutz sieht Gefährdungspotenzial
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat diese Entwicklungen und auch eine mögliche Radikalisierung genau im Blick, sagt Behördenleiter Thomas Haldenwang auf Anfrage von Kontraste. Seine Behörde beobachte derartige Bestrebungen in dem neuen Phänomenbereich "Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates".
Auch der Thüringische Verfassungsschutzchef Stephan Kramer warnt vor diesem Zusammenschluss: "Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir hier ein Gefährdungspotenzial haben, was man eben nicht verniedlichen und kleinreden soll, indem man diese Leute einfach nur als Spinner abtut. Wir haben erlebt, dass aus solchen Spinnereien ganz schnell Gewalttaten werden können, bei denen Menschen nicht nur zu Schaden kommen, sondern auch ihr Leben verlieren."