Ein ziemlich ausführlicher Bericht über die "Corona-Aluhutwichtel" in und um Regensburg und ihren "Reichsbürger-NeoNazi-"-Anführer Roland Gerstl de Santos, der natürlich nur Satire praktiziert. Dazu gehören natürlich auch Hitlerbildchen und Holocaustleugnung.
Warum nur wundert es mich nicht, dass Roland irgendwann mal "Berufssoldat" war?
Spoiler
Corona-Demos an neuem Ort
Die Rückkehr des Königs: Performance-Kundgebung auf dem Dultplatz
Ursprünglich hatten die Organisatoren der Regensburger Corona-Demonstrationen auch für diesen Samstag um 15 Uhr die mittlerweile obligatorische Kundgebung am Domplatz angemeldet. Unter dem Motto „Für die Freiheit und das Recht auf eine selbstbestimmte Existenz“ wollte man erneut gegen die Politik und Medien im Allgemeinen und deren Umgang und Berichterstattung im Zuge der Corona-Pandemie im Speziellen protestieren. Allerdings wurde die Kundgebung, zu der zuletzt regelmäßig einige Hundert Teilnehmerinnen gekommen waren, kurzfristig abgesagt. Stattdessen gab es wieder eine Froschkönig-Show.
Da für diesen Samstag auch Holger Gerstl dos Santos auf den Dultplatz zu einer eigenen Kundgebung geladen hatte, finden sich dort aber um 18 Uhr immerhin 35 Personen vor dem Toilettengebäude ein. Gerstl dos Santos, der selbsternannte Froschkönig, hatte sich bereits bei den ersten „Spaziergängen“ und den darauf folgenden Kundgebungen als extrovertierter Redner und Mitorganisator hervorgetan.
Bei Facebook teilt der, laut eigener Aussage eigentlich unpolitisch denkende Frührentner seit Wochen den Holocaust relativierende Aussagen mit Bezug zur Corona-Pandemie, Inhalte von Reichsbürgern und diverse rechte Medien. Nach Unstimmigkeiten mit anderen Mitorganisatorinnen über das weitere Vorgehen gab er dann Mitte Mai gegenüber Regensburg-Digital seine Abdankung als Froschkönig bekannt und zog sich zunächst aus dem Geschehen zurück.
Des Königs neue Kleider
Am Samstag auf dem Dultplatz ist Holger Gerstl dos Santos nun auf einer eigenen Kundgebung wieder in Aktion. Vor dem Toilettengebäude steht er diesmal als „Olga die Putzfrau“ mit Perücke, leicht lädierter Feinstrumpfhose und überschminkten Lippen.
Inhaltlich bewegt sich der ehemalige Berufssoldat in seinem einstündigen Monolog zwischen fragwürdigen Wortspielen wie „Frau Analis“ (gemeint ist die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Nahles) oder „die Muschi von der Leine lassen“ (ein Bezug auf die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen) und den bereits von früheren Reden bekannten Ausführungen über Politik und Medien.
„Wir sind alle Coronarzissten“
Er klagt die seiner Meinung nach fehlende Meinungsfreiheit auf Online-Plattformen wie Youtube und Facebook an: „Da sagt man immer das seien private Unternehmen und die dürften das. Nein dürfen sie nicht.“ Und bezeichnet sich und alle Anwesenden als „Coronarzissten“.
Er rasiere sich zwar hin und wieder. „Aber ein Rassist kann ich gar nicht sein. Denn ich gehe gelegentlich beim Chinesen essen und bestelle dann am liebsten Nazi-Goreng.“ Immer wieder gibt es zustimmendes Gelächter, schmunzelnde, nickende Gesichter und Beifallsbekundungen über derlei Äußerungen.
Kurzzeitig ergreift eine Teilnehmerin das Wort. „Ich gehe gerne Einkaufen. Aber mit der Maske mach’ ich es nicht gern.“ Zum Glück habe sie einen Bäcker gefunden, zu dem sie auch maskenlos kommen dürfe. Etwas abseits erklärt ein Mann gegenüber einer anderen Teilnehmerin: „Ich trage keine Maske. So lange ich nicht ohne dem Ding rein darf, gehe ich auch nirgends mehr hin.“ Die demnächst wieder geöffneten Bäder und andere Einrichtungen boykottiere er daher.
Einfach mal auskotzen
Bildung, Merkel, „falsche Gesetze“ und vieles mehr. Es sind die unterschiedlichsten Schlagworte, die bei Gerstl-Dos Santos „Brechdurchfall“ verursachen würden. „Das Auskotzen, das miteinander kommunizieren gehört einfach dazu. Wir Menschen sind halt soziale Wesen.“
Auskotzen wollen sich die Anwesenden auch über die „denunzierende und falsche Berichterstattung der Medien“. In der Zeitung – welche genau, ist unbekannt – habe er gelesen, „hier sollen lauter Nazis, Linke und Rechte sein“, so ein Mann im Anschluss an die Kundgebung. „Deshalb bin ich heute hierher gekommen und wollte mir selbst ein Bild machen.“ Denn die Zeitung würde nur eine Wahrheit von vielen schreiben.
Von den „wirklichen Faschisten“ und „gefühlten Wahrheiten“
Als Faschist bezeichnet kurz zuvor ein junger Mann unseren Pressevertreter. Grund: Er hatte nicht mitgeteilt, in wessen Auftrag er vor Ort ist. Später wird der Mann mit Bezug auf den Nationalsozialismus zudem artikulieren: „Die Politik ist heute noch viel perfider und unterschwelliger geworden.“ Die Medien dienten dabei schon immer der Propaganda und seien hierzu instruiert. „Ihr denunziert und diffamiert die Proteste“, lautet daher das Urteil. „Der Herr Bothner wird sowieso bald vor dem Volksgerichtshof landen“, heißt es bei einer kleinen Personengruppe, die etwas abseits steht.
Doch allmählich kommt man ins Gespräch. Es werden „gefühlte Wahrheiten“ (einer der Anwesenden) und persönliche Sichtweisen ausgetauscht. „Ich habe einfach das Gefühl, dass das alles nicht mehr so richtig zusammenpasst. Das ist doch alles gesteuert“, heißt es, ohne konkret zu werden.
Faule Äpfel bitte nicht beachten
„Wenn in einem Korb voller Äpfel nur ein fauler dabei ist, ist es dann angebracht nur auf diesen heranzuzoomen?,“ fragt der Mann der zuvor nach Nazis Ausschau gehalten hatte. Er vermisse eine objektive Berichterstattung. „Ist es denn für die Berichterstattung sinnvoll, wenn unter 300 Teilnehmern eine Person mit einer Hakenkreuzbinde dabei ist, das dann groß zu thematisieren?“
Auf Nachfrage sagt der Mann: „Den faulen Apfel würde ich natürlich aus dem Korb entfernen.“ Ob er denn auch Nazis von einer Kundgebung entfernen würde, könne er so direkt jedoch nicht sagen. Ein Student ist sich da schon sicherer: „Das ist natürlich nicht ok.“ Nicht ok sei aber auch die „derzeit wahrzunehmende Doppelmoral der Gesellschaft“.
Auf dem Dultplatz nichts Neues
Und überhaupt hätten die Situationen in Schweden und Belgien gezeigt, dass „das mit dem Lockdown einfach falsch war“. Mittlerweile hat der schwedische Epidemiologe Anders Tegnell, der die dortige Regierung berät aber selbst Zweifel am sogenannten „schwedischen Weg“ geäußert. Vor wenigen Tagen räumte er Fehler ein und sprach davon:
„Würden wir auf die gleiche Krankheit treffen, mit dem, was wir heute über sie wissen, denke ich, wir würden irgendwo in der Mitte landen zwischen dem, was Schweden getan hat und was der Rest der Welt gemacht hat.“
Auf dem Dultplatz hält man hier entgegen: „Da gibt es natürlich unterschiedliche Ansichten je nach dem welche Statistiken man hernimmt.“ Und schließlich hätten „ausgewiesene Experten wie Dr. Bhakdi schon seit Ende März doch klar gestellt: Das Virus ist nicht schlimmer als eine Grippe.“ Zudem wisse man ja auch noch immer viel zu wenig über das Ganze.
„Die Politik wollte die Zahlen absichtlich nach oben treiben“, lautet schließlich eine Erklärung am Dultplatz. Das sei alles Propaganda gewesen. Und die Medien? Mittendrin. Es sind diese Botschaften von “Panikjournalismus” und “perfider Politik”, die schon die Wochen zuvor auf dem Haidplatz und dem Domplatz zu hören waren.
Alle Wochen wieder: Gegenprotest
In etwas Entfernung, westlich der Oberpfalzbrücke, steht an diesem Abend auch wieder die Initiative gegen Rechts. Seit Wochen schon begleiten die Aktivistinnen und Aktivisten den Froschkönig und die anderen Corona-Rebellen. Sie wollen insbesondere die „Verschwörungsmythen“ dieser Kundgebungen nicht unwidersprochen lassen. Im Aufruf für die Gegenkundgebung heißt es, man könne „kritisch mit den aktuellen Maßnahmen sein, ohne aber Verschwörungsmythen anzuhängen und Nationalismus zu beschwören.“ Am Gegenprotest nehmen zeitweise etwa 40 Personen teil.
Die feministische Gruppe „EbenWiderspruch“ kritisiert in einem Redebeitrag bezugnehmend auf die letztwöchige Rednerin am Domplatz, Patricia De Pineda, die Vereinnahmung des Begriffs „Selbstbestimmung“ seitens der „Corona-Verharmloser*innen“. Die Bayernpartei-Politikerin hatte unter anderem gefordert, die „noch amtierende Bundesregierung“ solle Menschen „frei und selbstbestimmend entscheiden“ lassen „was mit meinem Körper, mit eurem Körper“ passiere.
„Dieses wirkmächtige Schlagwort [Selbstbestimmung] aus dem feministischen Kampf um legalen und sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen“ werde auf diese Weise vereinnahmt, so die feministiscge Gruppe, um den Protest „gegen die aktuellen Verordnungen des Infektionsschutzes als Recht auf die Selbstbestimmung über ihren eigenen Körper zu inszenieren“. Bei der Eindämmung einer Pandemie könne jedoch nicht von „My body, my choice“ die Rede sein, zumal die Weigerung sich an Infektionsschutzmaßnahmen zu beteiligen, – anders als der Schwangerschaftsabbruch – andere Menschen, besonders Risikogruppen, schädigen könne.
Olga, die Putzfrau sieht das vermutlich anders.