Von Jürgen Schmieder, Los Angeles
Das Urteil nahm Nicholas Rossi ohne jegliche Regung zur Kenntnis. Die Geschworenen im Gericht von Salt Lake City hatten keinerlei Zweifel daran, dass er im Jahr 2008 eine damals 28 Jahre alte Frau vergewaltigt hat. Er wird nun mindestens fünf Jahre lang ins Gefängnis müssen, das Strafmaß wird, wie in den USA üblich, erst in einigen Wochen verkündet werden. Sehr wahrscheinlich aber wird Nicholas Rossi, 38, den Rest seines Lebens in Haft verbringen: Es gibt noch eine zweite Klage wegen Vergewaltigung.
Was daran so ungewöhnlich ist, dass man sich auch in Europa für den Fall interessiert? Nun, bei dem Verurteilten handelt es sich um einen Mann, der bereits als tot galt.
Doch von vorn: Nicholas Rossi ist den Behörden schon recht lange bekannt. Im Jahr 2008, da war er 21 Jahre alt, wurde er in Ohio wegen sexueller Belästigung und öffentlicher Entblößung verurteilt und ins Sexualstraftäter-Register eingetragen. Er hatte eine Frau gegen ihren Willen geküsst und vor ihr masturbiert. Wie sich später herausstellen sollte, war sie nicht sein einziges Opfer.
Seine Vorgehensweise nach Aussage der Ermittlungsbehörden: Er lernte Frauen online kennen und schlug fürs erste Treffen öffentliche Orte vor, um sie in Sicherheit zu wiegen. Dort aber belästigte er sie. Wenn ein Opfer widersprach oder sich wehrte, drohte er, sich zu töten, und sagte, die Frau wäre dann für seinen Suizid verantwortlich. Auf diese Weise gelang es ihm offenbar, mehrere Frauen an nicht öffentliche Orte wie seine Wohnung zu locken oder gar Beziehungen mit ihnen einzugehen und sich schlimmer an ihnen zu vergehen.
Nach der Verurteilung wegen Belästigung 2008 zog Rossi zurück in den Bundesstaat Rhode Island, wo er 1987 als Nicholas Alahverdian geboren worden war; der Name Rossi ist der Name seines Stiefvaters. Seinen Geburtsnamen verwendete er nun wieder. Als politischer Aktivist (er trat als vehementer Kritiker des Kinderfürsorgesystems auf, nachdem er als Teenager einige Zeit in Pflege gelebt hatte) erlangte er lokale Berühmtheit, es gibt Fotos von ihm mit dem späteren Vize-Präsidenten Mike Pence. Auch in Rhode Island gab es juristische Probleme, wegen häuslicher Gewalt in seinen beiden mittlerweile geschiedenen Ehen sowie wegen Kreditkartenbetrugs. Nicholas Rossi/Alahverdian aber kam immer wieder davon.
Es kondolierten: ein Kongressabgeordneter und der Bürgermeister
Ende 2019 meldete die Polizei in Utah, ungeklärte Vergewaltigungsfälle mit neuer Technik abermals untersuchen zu wollen. Im September 2020 verkündeten die Ermittler einen Treffer: Es gibt einen Zusammenhang bei zwei Fällen aus dem Jahr 2008 mit Rossi. „Wir hatten einen Verdächtigen, aber wir klagen für gewöhnlich keine Toten an“, sagt der damalige Chefermittler David Leavitt. Denn: Offiziell war Rossi zu diesem Zeitpunkt seit sieben Monaten tot.
Im Januar 2020 hatte er örtlichen Medien – er gehörte dort wegen seiner aktivistischen Umtriebe ja zur Lokal-Prominenz – mitgeteilt, er sei an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Ein paar Wochen später erschien ein Nachruf auf Nicholas Alahverdian auf einer Online-Gedenkseite, angeblich verfasst von seiner Familie: Er sei am 29. Februar gestorben, seine Asche im Ozean verstreut worden. Auf einer Facebook-Seite standen Trauer-Botschaften eines Kongressabgeordneten sowie des damaligen Bürgermeisters seiner Heimatstadt Providence.
Nur: Rossi war gar nicht tot. Er hatte sich offenbar bereits einige Zeit zuvor nach Europa abgesetzt und lebte dort unter dem Namen Arthur Knight, zuerst in Irland, später in Schottland. Auch in den USA kamen Zweifel an seinem Tod auf. „Er wusste, dass wir hinter ihm her sind“, sagt Ex-Ermittler Leavitt. Gesucht wurde Rossi mit einem internationalen Haftbefehl.
Dass er letztlich aufflog, lag an der Corona-Pandemie. Rossi musste wegen einer Covid-Infektion in einem Krankenhaus in Glasgow behandelt werden. Klinik-Mitarbeiter hatten seine auffälligen Tattoos auf Interpol-Fahndungsfotos gesehen, sie leiteten seine DNA und Fingerabdrücke an die internationale Ermittlungsbehörde weiter. „Und plötzlich hatten wir die Verbindung“, sagt Leavitt.
Er behauptete weiterhin steif und fest, er sei Arthur Knight
Im Dezember 2021 wurde Rossi verhaftet, im Januar 2024 an die USA ausgeliefert. Der zuständige Richter in Schottland sagte, Rossi sei „ebenso unehrlich und betrügerisch wie ausweichend und manipulativ“.
Obwohl er eindeutig identifiziert war, auch anhand von Narben, Tätowierungen und Aussagen langjähriger Wegbegleiter, behauptete Rossi weiterhin, dass ihm übel mitgespielt werde. Er sei Arthur Knight, ein Waisenjunge aus Irland. Die Tattoos seien ihm gestochen worden, als er während seiner Covid-Infektion bewusstlos gewesen sei. Erst im vergangenen November gab er seinen Identitätsschwindel auf und behauptete, dass er sich mit seinen Namensänderungen vor „Morddrohungen“ geschützt habe.
Im angeklagten Fall hatte er eine 28 Jahre alte Frau online kennengelernt und ihr nach einem Monat Beziehung einen Heiratsantrag gemacht. Während eines Streits vergewaltigte er sie in seiner Wohnung. „Wir sind dem Opfer dankbar für die Geduld und die Bereitschaft, Jahre nach der Tat in den Zeugenstand zu treten und dem Angeklagten zu begegnen. Das erfordert eine Menge Mut“, sagte Bezirksstaatsanwalt Sim Gill. Das Strafmaß soll im Oktober verkündet werden. Der zweite Prozess gegen Rossi soll bereits einen Monat davor beginnen.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/verbrechen-nicholas-rossi-eigenen-tod-vorgetaeuscht-verurteilt-li.3299452Covid-Infektion könnte Blutgefäße schneller altern lassen
18. August 2025, 15:18 Uhr
Mit dem Alter werden Blutgefäße steifer und erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Was Forschende in einer neuen Studie herausgefunden haben.
Eine Covid-Infektion könnte die Blutgefäße einer Studie zufolge schneller altern lassen. Frauen seien davon stärker betroffen als Männer, ebenso wie Menschen, die unter Long Covid leiden, schreiben die Autoren einer in der Fachzeitschrift European Heart Journal erschienenen Studie. Wenn Blutgefäße altern, werden sie steifer und erhöhen Fachleuten zufolge das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfälle oder Herzinfarkte.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betrachteten in ihrer Studie 2390 Menschen aus 16 Ländern. Die Teilnehmenden seien zwischen September 2020 und Februar 2022 ausgewählt worden, als die Corona-Pandemie noch im Gange war. Unterschieden wurde zwischen Menschen, die nicht an Covid erkrankt waren, sowie Menschen mit mildem Verlauf, Menschen, die mit Covid auf der Normalstation im Krankenhaus behandelt wurden und Menschen, die wegen Covid auf die Intensivstation kamen.
Die Forscher untersuchten das Alter der Blutgefäße aller Personen. Dafür nutzten sie ein Gerät, das misst, wie schnell sich eine Blutdruckwelle von der Halsschlagader zu den Oberschenkelarterien bewegt. Je höher dieser Wert, desto steifer sind die Blutgefäße und als desto höher wird deren Alter eingestuft. Die Messungen erfolgten sechs und zwölf Monate nach einer Covid-Infektion. Bei der Beurteilung wurden auch andere Faktoren einbezogen, die das Alter der Blutgefäße beeinflussen können.
Alterungseffekt vor allem bei Frauen gefunden
Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Blutgefäße bei denjenigen Gruppen, die mit Covid infiziert waren, im Schnitt steifer waren als bei denen, die sich nie infiziert hatten. Dies traf auch auf die Gruppe Studienteilnehmer zu, die nur einen milden Krankheitsverlauf hatten. Wer gegen Corona geimpft war, hatte nach der Infektion im Schnitt weniger steife Gefäße als Ungeimpfte.
Stark sichtbar war der Unterschied bei Frauen. Bei Männern gab es hingegen keinen signifikanten Unterschied. Den Autoren zufolge könnte das daran liegen, dass wohl mehr Männer mit Covid starben. Unter den männlichen Studienteilnehmern mit Corona-Infektion könne es somit einen „Überlebens-Bias“ gegeben haben. Damit meinen die Autoren offenbar, dass Überlebende eine höhere Chance haben, von der Studie berücksichtigt zu werden, als verstorbene Studienteilnehmer vor ihrem Tod. Insgesamt habe sich der Alterungseffekt bei Infizierten nach einiger Zeit mitunter stabilisiert oder nachgelassen.
Für Heribert Schunkert, den stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Herzstiftung und Direktor der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum der TU München, gilt es nun zu klären, was der Grund für die gefundenen Ergebnisse ist. „Da muss man ganz genau hinschauen, ob diese Gruppen wirklich gleich waren, um zu sagen, ob die Ursache dieser Alterungsbeschleunigung in Covid lag.“ Klar sei auch nicht, ob in den Gruppen wenige Menschen einen starken Effekt oder viele einen kleinen Effekt bei der Alterung hatten. Weitere Studien seien notwendig.