Damals wurden Kinder meist nicht dazu erzogen, sich eine eigene Meinung zu bilden und auf das eigene Gewissen zu hören, sondern zu Gehorsam. Und dies wurde in den meisten Familien mit Prügeln durchgesetzt, bis es verinnerlicht war. (Der Film "das weiße Band" zeigt die akzeptierte Hierarchie von oben und unten dieser Zeit deutlich.)
Ich kenne die individuelle Lebensgeschichte dieses Wachmanns nicht, aber unter den typischen Verhältnissen dieser Zeit hatte er mit 17 kaum Zeit, aus dieser Erziehung heraus zu finden. Gehorsam war normal. Vorbilder dagegen dürfte es in seiner Umgebung kaum welche gegeben haben. Dazu ständige Propaganda, die darauf zielte, den Opfern die Menschlichkeit abzusprechen.
Wieviele 17-jährige sind denn unter diesen Bedingungen, im Krieg, standfest gegen Unrecht, das sich in der gesamten Gesellschaft so breit gemacht hat, dass praktisch alle mitmachen und Normalitätswert hat?
Yad Vashem hat ganze 627 Deutsche gefunden, die sich dem Unrecht tatsächlich ohne Gegenleistung entgegengestellt haben, um Juden das Leben zu retten. 627 von 80 Millionen. Was man eigentlich als Gewissenspflicht jedes einzelnen sehen müsste.
Das steht gegen die Bilder und das Miterleben des gemeinschaftlichen Mordens, die Massen an Menschen, die umgebracht wurden.
Das alles ist von der heutigen Gesellschaft so weit weg, dass es extrem schwer ist, hier aus der heutigen Perspektive das richtige individuelle Strafmaß zu finden.
Ich habe den Prozess nicht eng genug verfolgt, um hier das Strafmaß zu verteidigen oder zu kritisieren, aber ich finde leicht mögliche Gründe für das milde Urteil - bei jugendlichen Tätern.
Denjenigen, die gerade eben ihre Jugendzeit schon unter der faschistischen Massenerziehung verbracht haben, kann man doch wohl noch am wenigsten die Schuld geben, wenn sie entsprechend den vermittelten "Werten" handeln.
Wir die Urteilsbegründung überhaupt öffentlichen zugänglich sein?