Jetzt explodiert hier einfach so ein Faden in den Untiefen der Foren des geballten Desinteresses und nun muss ich mich mit so einem unerzogenen Jüngling plagen. Was tut man nicht alles für die Demokratie...
Die Abkürzung "q.e.d.", welche hier in den vorangegangenen Beiträgen genannt wird, ist aus dem rechtswissenschaftlichen Kontext entlehnt und angewendet worden.
Und, wie ich belehrt wurde, ist die Juristerei die Kunst eines guten Gedächnisses (wo steht welcher §) und insbesondere die Kenntnisse der Bedeutungen von Wörter. Es ist notwendig, so der Jura-Professor, der mir dies erläuterte, sehr gut die eigene Sprache zu kennen, sozusagen juristischer Germanist zu sein. Unsere hiesigen Rechtsgelehrten mögen mich bitte korregieren, sollte ich es zu sehr vereinfacht und/oder falsch wiedergegeben haben
@Agrippa Nö. Passt. Manchmal, wenn ich keine Lust habe, mich als Rechtsfinder zu outen, sage ich, ich hätte "sowas ähnliches wie Germanistik" studiert. Aber "q.e.d." habe ich tatsächlich in einem juristischen Kontext noch nie gehört.
Was diesen "Niki" angeht: Der recherchiert schlecht. Nicht so gut für jemanden, der Journalist sein will. Beispiel gefällig? Klar!
Weiter oben hat jemand seinen "offenen Brief" an den Bundeshorst verlinkt. Den habe ich mir mal angesehen.
Etwa bei 4:20 sagt er, dass zwischenzeitlich in Rede gestanden habe, dass "sich die CSU von der CDU abspalten" könne. Dem durchschnittlich gebildeten deutschen Schulabgänger stellen sich da Fragen wie:
- Meint er eine Abspaltung der Parteimitglieder der CSU von der gemeinsamen CDU/CSU Fraktion im Bundestag zu einer eigenen CSU-Fraktion?
- Oder meint er ein Ende gar, dass die eigenständige Partei CSU die Kooperationsvereinbarung mit der eigenständigen Partei CDU, die CSU-Gründungen im CDU-Gebiet und CDU-Gründungen im CSU-Gebiet verhindert, aufkündigen könnte?
- Weiß er überhaupt, dass die CSU nicht der 18. Landesverband der CDU ist (und weiß er, dass die CDU 17 Landesverbände hat und dass "Landesverband Mallorca" nicht darunter ist)?
Okay, die letzte Frage ist ein bisschen unfair. Aber die "Berichterstattung" ist da doch schon sehr undifferenziert. Man könnte meinen, dass er von einer Parteien-Abspaltung redet (was nicht möglich ist), tatsächlich wäre es allenfalls auf eine Fraktions-Abspaltung hinausgelaufen.
Etwa bei 9:30 schließlich äußert er sich über Ausländer, die er hier nicht haben will. Wörtlich sagt er: "Und im Endeffekt gibt es kein Recht auf Einreise nach Europa. Es gibt ein Recht, dass die Asylanträge irgendwo geprüft werden und dann die Menschen, wo das eben bestätigt wird, dass die einreisen dürfen. Aber dass eben pauschal jeder nach Europa kommen kann und da dann erstmal Leistungen kassieren kann, das ist kein Recht. So einen Rechtsanspruch gibt es einfach nicht. Das ist nämlich der Rechtsanspruch auf Migration. Und zum Glück haben wir den noch nicht."
Nun, was soll ich sagen? Das ist einfach falsch. Es kann eben doch pauschal jeder nach Europa kommen und dann erstmal Leistungen kassieren. Der entsprechende Rechtsanspruch findet sich in Art. 3 Abs. 1 S. 1 der
Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-Verordnung) in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 S. 1 der
Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Asylverfahrensrichtlinie) bzw., genauer, deren nationaler Umsetzung, in Verbindung mit z.B. Art. 18 Abs. 1 Asylverfahrensrichtlinie (medizinische Untersuchung zur Feststellung von ernsthaften Schäden in Folge von Verfolgung auf Kosten des Staates), Art. 19 Abs. 1, 20 Abs. 1 Asylverfahrensrichtlinie (unentgeltliche Rechtsberatung) und natürlich der
Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Asylaufnahmerichtlinie).
Exkurs: Verordnung & Richtlinie
Streng genommen müsste ein unmittelbarer Bezug auf Art. 9 Abs. 1 S. 1 Asyslverfahrensrichtlinie fehlgehen, da es sich hierbei um eine Richtlinie handelt. Im Gegensatz zu Verordnungen, die unmittelbar anwendbar sind und auf die sich Einzelpersonen unmittelbar berufen können, richten sich Richtlinien an die Mitgliedsstaaten und geben ihnen Anweisungen, wie sie ihr nationales Recht anzupassen haben - Richtlinien eben. In der Regel besteht hier ein gewisser Umsetzungsspielraum. Allerdings können sich Einzelpersonen jedenfalls dann unmittelbar auf Richtlinien berufen, wenn diese inhaltlich hinreichend bestimmt sind, für den Staat kein Umsetzungsspielraum besteht, das Individuum begünstigt wird und die Umsetzungsfrist verstrichen ist. Das ist gegeben; die letzte Umsetzungsfrist lief im Juli 2018 ab, Art. 51 Asylverfahrensrichtlinie.
Natürlich, das ist etwas kompliziert und beinhaltet dann auch noch so Sonderfälle wie das Aufhalten an der Grenze (längstens jedoch für vier Wochen, Art. 43 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie).
Aber grundlegend (und ja, etwas vereinfacht) stellt sich das, was sich die EU (und Deutschland, vgl. AsylG) so gedacht haben, in etwa so:
- Jemand kommt an eine EU-Außengrenze.
- Jemand gibt, wie auch immer, zu verstehen, dass er/sie "internationalen Schutz" (d.h. Asyl) sucht.
- Der EU-Mitgliedstaat ist verpflichtet, den Antrag zu prüfen.
- Der EU-Mitgliedstaat ist verpflichtet, den/die Antragsteller/in für die Dauer der Prüfung ins Land zu lassen.
- Der EU-Mitgliedstaat ist verpflichtet, den/die Antragsteller/in für die Dauer des Aufenthaltes im Land nicht verhungern/verdursten/erfrieren/etc. zu lassen.
Mit anderen Worten: Wer an eine EU-Grenze kommt, hat in aller Regel das Recht, erstmal ins Land gelassen zu werden, woraufhin entschieden wird, ob er auch bleiben darf oder wieder gehen muss. Das macht auch – und mindestens das hätte Niki sich denken, zumindest aber recherchieren müssen – extrem viel Sinn, denn:
- Irgendwo muss der Antrag ja gestellt werden. Naturgemäß haben die Staaten keine Lust, dass diese Anträge in Auslandsvertretungen (=Botschaften) gestellt werden. Denn dann gäbe es noch viel mehr Anträge. Deutschland akzeptiert nichtmal auf Kriegsschiffen, die Leute im Mittelmeer aus dem Wasser ziehen, Asylanträge. Alle anderen übrigens auch nicht.
- Für die Dauer des Antrages kann man die Leute ja schlecht da lassen, wo sie sind. Denn bei jedem Antragsteller, jeder Antragstellerin besteht ja die Möglichkeit, dass der Antrag berechtigt ist. Dann wäre es ganz schön doof, wenn der/die Antragsteller/in während der Bearbeitungszeit des Antrags irgendwo in einem Folterkeller verreckt.
- Die Folge aus den beiden vorhergehenden Punkten ist, dass man Asylanträge nur im Land und an der Grenze akzeptiert.
- Dann kann man sie aber auch schlecht einfach an der Grenze stehen lassen, denn dann bestünde ja wieder die Möglichkeit, dass ihnen während der Prüfung etwas zustößt. Das ist übrigens auch durch Menschenrechte verboten (Stichwort: non-refoulement).
- Deshalb lässt man sie ins Land.
- Und wenn sie da sind, kann man sie auch nicht einfach verhungern lassen. Also gibt man ihnen das, was sie zum Überleben brauchen. Das nennt sich "Leistung" und die wird dann eben bezogen.
Im Endeffekt gibt es daher ein Recht auf Einreise nach Europa, sodass die Asylanträge hier geprüft werden und die Menschen, wo das eben bestätigt wird, dass die bleiben dürfen.
Aber das, was Niki da verzapft, ist schlicht falsch.
Und für diejenigen, die jetzt noch immer mitlesen, das ganze nochmal anhand des deutschen Asylrechts zitiert (die ganzen "zurück an den Rand Europas"-Vorschriften mal weggelassen, weil es hier um ein Prinzip geht und nicht um das hochkomplizierte Zuständigkeitsgerangel):
§ 13 Abs. 1
Asylgesetz (AsylG): Ein Asylantrag liegt vor, wenn sich dem [...] Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.
§ 13 Abs. 3 S. 1 AsylG: Ein Ausländer, der nicht im Besitz der erforderlichen Einreisepapiere ist, hat an der Grenze um Asyl nachzusuchen (§ 18).
§ 18 Abs. 1 AsylG: Ein Ausländer, der bei einer mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde (Grenzbehörde) um Asyl nachsucht, ist unverzüglich an die zuständige oder, sofern diese nicht bekannt ist, an die nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung zur Meldung weiterzuleiten.
§ 55 Abs. 1 S. 1 AsylG: Einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, ist zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet ab Ausstellung des Ankunftsnachweises [...] gestattet (Aufenthaltsgestattung).
Den Leistungsbezug regelt dann das
Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Letzte Bemerkung: Warum kommen die Asylbewerber nicht einfach selber für ihren Unterhalt auf? Die Antwort gibt (u.a.) § 61 Abs. 1 AsylG: Für die Dauer der Pflicht, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, darf der Ausländer keine Erwerbstätigkeit ausüben.