Um einfach satt, warm und medizinisch versorgt leben zu können bedarf es doch heutzutage im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten glücklicherweise nicht mehr viel.
Diese Leute (und ein nicht unwesentlicher weiterer Teil unserer Kundschaft) sollten sich vielleicht einfach mal näher mit dem Alltag ihrer so oft beschworenen "guten alten Zeit" beschäftigen. Leider gibt es praktisch niemanden mehr, der da noch was aus erster Hand berichten kann.
Aber ich erinnere mich deutlich an das fast greifbare Grauen, das meine Großmutter immer erfasst hat, wenn sie vom Steckrübenwinter erzählte. Sie hat in ihrem gesamten Leben dann
nie wieder etwas mit Rüben gekocht oder gegessen. Zu sehr kamen in ihr da die Erinnerungen hoch an die Panik, vielleicht verhungern zu müssen. Gut, das war auch zu Kriegszeiten. Aber auch im Frieden sah es zum Teil nicht viel besser aus. In der Arbeiterschaft, beim Kleinbürgertum und bei Bauern ohne eigenen Besitz war dann einfach auch mal im Krankheitsfall die Entscheidung zu treffen: Arzt rufen und anschließend evtl verhungern, weil kein Geld mehr für Nahrung da - oder an der Krankheit zugrundegehen. Oder Glück haben und die Sache so zu überstehen.
Da brauchen wir wirklich nicht Jahrhunderte zurück zu gehen - 100 Jahre reichen da, um zu sehen, dass wir im Vergleich zur damaligen Zeit fast im Schlaraffenland leben.
Auch, wenn man die politischen Verhältnisse vergleicht (selbst wenn wir die 1000 Jahre von 1933-1945 ausklammern) - bis auf die Leugnung des Holocausts und die wenigen gesetzlichen Ausnahmen der freien Meinungsäußerung darf ich sagen, was ich will. Das war zu Bismarcks Zeiten (und auch nach seiner Zeit) alles andere als selbstverständlich.
Um so mehr Sorge (auch, wenn nicht selbst davon betroffen) macht mir die sich immer schneller öffnende Schere zwischen Arm und Reich. Das ist der Anhaltspunkt, an dem Extremisten hervorragend ansetzen können (eigentlich zu Recht, aber sie verfolgen halt nicht unbedingt das Ziel, die Schere wieder zu schließen).
Wie man an einem Großteil unserer direkten Kundschaft und derjenigen, die diesen nachlaufen, sehen kann, wäre Bildung hier durchaus eine Abhilfe. Da wäre IMHO das Bildungswesen gefordert, die an den Schulen zu vermittelnde Allgemeinbildung alltagstauglicher zu machen. Das betrifft nicht nur die politische Bildung, sondern auch wesentlich die wirtschaftliche. Wenn ich z.B. weiß, wie das Geldwesen (wenigstens in groben Zügen) funktioniert, dann lasse ich mir vielleicht nicht so schnell solchen Unfug einreden, dass ich einen Kredit nicht zurückzahlen muss, weil die Bank das Geld ja eh aus dem Nichts erschaffen hat. Oder dass ich mir einfach bei einem verbleibenden freien Geldbetrag von 100€ pro Monat keinen neuen Porsche Cayenne leisten kann.
Leider ist aber Bildung in Deutschland immer noch etwas, das mit Argwohn betrachtet wird. Es gilt als positiv, wenn jemand stolz verkündet, dass er in Mathe eine absolute Niete war. Das Erzielen guter Noten ist schon fast verwerflich, jeder, der besser ist als 3, gilt als nicht sozialkompatibel.
Ob da in einer sinnvollen Zeit noch was zu ändern ist - ich weiß es nicht. Sehr optimistisch bin ich da nicht.
Just my 5ct...