Prinzipiell muß man jedem Verurteilten zugestehen, den Rechtsweg bis zum Ende auszuschöpfen. Wenn jemand ihm davon abrät, dann kann das bestenfalls der Verteidiger sein, der nach pflichtgemäßer Einschätzung Kosten und Nutzen für den Mandanten abzuwägen hätte, aber nicht die Allgemeinheit mit Blick auf die Betriebskosten der Justizverwaltung. Der Staat besteht auf seinem Gewaltmonopol, also muß er es auch finanzieren.
Gerade die Anwälte argumentieren ja damit, dass es ein Beratungsfehler wäre, den Mandanten von der Ausschöpfung des Rechtswegs abzuraten. Aus Sicht der Anwälte verständig und vielleicht ist es auch nicht die Zuständigkeit eines Anwalts, unsinnige Rechtsmittel zu verhindern.
Im Strafrecht sind jedoch, im Gegensatz zu den anderen Verfahrenswegen, nur ganz geringe Zulässigkeitsschranken gegeben. Seit die Angeklagten ihre Revisionen den armen Urkundenbeamten selbst diktieren dürfen eigentlich gar keine mehr.
Die Revision ist aber nicht als Mittel für "Ich bin mit demn Ergebnis nicht einverstanden" sondern als Notanker für den Fall von Fehlern gedacht. Wenn also in der 1. Instanz was schiefgelaufen ist, dann soll die Revision das reparieren. Genauso ist übrigens auch der Widerspruch im Bußgeldverfahren gedacht. Auch da ist es heute üblich, dass der erst einmal eingelegt wird, egal wie gering die Erfolgsaussichten sind.
Leidtrangender ganz am Ende ist das BVerfG, das schon gar nicht mehr anders kann als alle Verfassungsbeschwerden ohne Begründung abzulehnen, die nicht offensichtlich begründet sind. Ursprünglich war das mal anders gedacht. Bei den obersten Gerichten läßt sich sowas nur bedingt mit mehr Personal auffangen. Die obersten Gerichte sollen in erster Linie für eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung sorgen. Diese Aufgabe können sie jedoch nicht erfüllen, wenn es zu viele Kammern oder Senate gibt. Weil dann nämlich die Zahl der Entscheidungen durch die Großen Senate zunimmt. Wenn ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senates abweichen will, dann geht die Sache zum Großen Senat. Der besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der anderen Senate. Also würde sich der Flaschenhals nur verlagern oder man müsse damit leben, dass der 4. Senat eine Sache anders sieht als der 7. Senat und dementsprechen der Ausgang eines Verfahrens davon abhängt in welchem Bundesland man mal angeklagt wurde.
Lösung durch mehr Personal sehe ich nicht sondern nur durch die restriktivere Handhabung. Dies führt dann aber wieder zu anderen Ungerechtigkeiten. Die immer wieder auftauchenden Fehlurteile zeigen leider, dass solche Kontrollinstanzen wichtig sind. Eine Beschränkung des Zugangs erscheint mir daher nicht das Heilmittel schlechthin.
Auf die Vernunft der Menschen, ihre begangenen Fehler einzusehen und zu den Folgen zu stehen, mag ich auch nicht glauben. Höchstgerichtliche Verfahren sind schon teuer genug, sie noch teurer zu machen führt doch nur dazu, dass reiche Angeklagte dann einen längeren Rechtsweg haben als weniger vermögende. Im Fall des Strafrechts kommt aber hinzu, dass bei einer Revison vor dem BGH wohl immer ein Fall der notwendigen Verteidigung besteht und der Staat in Vorkasse gehen muss. Anders als bei der Prozesskostenhilfe kommt es nämlich nicht darauf an, ob der Angeklagte sich selbst einen Anwalt leisten kann sondern nur drauaf, ob er einen Anwalt hat oder nicht.
Ich sehe nur einen sinnvollen Ansatzpunkt bei der Anzahl der Verteidiger. Diese ist jetzt auf 3 beschränkt, könnte aber weiter reduziert werden. Allerdings führt dann der Ausfall eines Anwaltes unweigerlich zu einem Scheitern des Verfahrens.
In Zivilsachen ist es so, dass nur beim BGH zugelassene Anwälte dort Revisionen einlegen können, in Strafsachen darf das jeder Anwalt, auch wenn dies mitunter keinen Sinn macht. Hier könnte es helfen, wenn nicht der Anwalt, der bereits in 1. Instanz tätig war, die Revision einlegen würde. Andererseits kann ein bisher unbeteiiligter Anwalt natürlich keine Verfahrensmängel aus der 1. Instanz kennen. Auch führt es zu noch mehr Verzögerungen, wenn sich ein neuer Anwalt erst in die Materie einarbeiten muss.
Fazit: Mehr Personal ist geeignet, die Verfahren in den Tatsacheninstanzen zu beschleunigen. Mehr Polizei und Staatsanwälte führe dazu, dass Ermittlungen schneller laufen und mehr Richter führen dazu, dass mehr Verfahren gleichzeitig bearbeitet werden können. Dazu müssen jedoch noch die notwendigen Gebäude kommen.
Aber auch hier sind oft die Angeklagten der Grund für Verzögerungen. Bei gefühlt der Hälfte der Verhandlungen die ich so besucht habe, waren Richter und Staatsanwälte mit Warten auf doch nicht auftauchende Verfahrensbeteiligte beschäftigt. Diese Zeit geht einfach verloren, weil die nächste Verhandlung ja nicht einfach vorgezogen werden kann. Dieses Verhalten sollte nach meiner Ansicht deutlich strenger gehandhabt werden. Das sind nicht nur Reichsbürger. Ich kenne auch Fälle, wo Leute in Urlaub fahren wollten und sich gesagt haben "Ach, dann geh ich halt in Berufung". Das kostet die hinterher zwar eine Menge Geld, aber da wird nicht drüber nachdeacht oder es ist egal, weil das Geld eh nicht eingetrieben werden kann.
Oft müssen sie nicht mal in Berufung gehen, es wird einfach ein neuer Termin angesetzt.