Ich gestatte mir einen kurzen Zwischenruf, ohne jetzt auf einzelne Gesprächsanteile einzugehen:
Die Untersuchungshaft dient der Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens, insb. auch der Hauptverhandlung. Und tatsächlich gilt in Haft-Sachen der sog. "Beschleunigungsgrundsatz", d.h. die Gerichte haben diese Sachen mit Priorität zu behandeln. Tun sie auch. "Rote" Haftsachen (
nicht nur der Haftbefehl ist auf rotes Papier gedruckt, häufig ist es die ganze Akte, zumindest aber eine gut sichtbare Markierung) werden immer zuerst bearbeitet. Dabei bleibt dann übrigens anders liegen. Eine Facette dieses Beschleunigungsgebotes ist diese "6-Monats-Grenze", nach der der Begründungsaufwand für die Verhängung der U-Haft steigt.
Heißt: Das Gesetz geht davon aus, dass im Normalfall innerhalb von sechs Monaten eine Haftsache gelaufen sein kann. Oder aber, dass die U-Haft-Gründe innerhalb von sechs Monaten wegfallen können. Wenn U-Haft z.B. verhängt wurde, um die Vernichtung von Beweismaterial zu verhindern, dieses Beweismaterial aber zwischenzeitlich gesichert ist, dann kommt der Untersuchungshäftling auch wieder frei. Im Zweifel schon vor den sechs Monaten.
Heißt nicht: Alles über sechs Monaten ist Völkermord.
Punkt.
Und was den vorliegenden Fall angeht: Die U-Haft hat in der Regel der Angeklagte in der Hand. Sein (Vor-) Verhalten ist maßgeblicher Anhaltspunkt für das Gericht, U-Haft anzuordnen. U-Haft ablehnen ist übrigens immer einfacher. Es ist leichter, eine freiheitsentziehende Maßnahme abzulehnen, als sie vornehmen zu lassen. Zumal man sich damit ja eine weitere "rote" Akte ans Bein bindet, inkl. beschleunigter Behandlung etc. Dazu kommt dann, dass nach den sechs Monaten der Begründungsaufwand steigt, weil man darstellen muss, dass hier ein "besonderer" Fall (übrigens "besonders", also "sich von anderen Fällen abhebend", nicht "absolut selten, darf nur einmal im Jahrhundert vorliegen") vorliegt.
Zur Fluchtgefahr wurde hier einiges gesagt, ebenso zur Einschränkung des Kontakts. Wenn der Angeklagte vom Gericht als äußerst manipulativ eingeschätzt wird, dann darf das Gericht den Gefangenen abschirmen, damit er nicht die Zeugen in seinem Sinne manipuliert. Das erscheint (wohl nicht nur) mir sehr, sehr einleuchtend. Auch das dient der Sicherung der ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung.
Eines möchte ich zum Abschluss doch noch zitieren:
Zudem befand er sich einige Zeit in Strafhaft, was er und seine Anhänger gerne unterschlagen. Diese Zeit muss aber von der Untersuchungshaft abgezogen werden.
Nein, das ist Quatsch. Wäre er nicht in Strafhaft gesessen, wäre er in dieser Zeit in U-Haft gesessen.
Er ist aber in Ersatzfreiheitsstrafe gewesen und das durchaus nicht zufällig.
Ja, Stief, er hätte tatsächlich in der U-Haft gesessen, während der Zeit. Anzurechnen ist es insgesamt dennoch nicht, denn: Die Zeit seiner U-Haft wird (natürlich) von der Strafhaft abgezogen. Heißt: Wenn er bei Rechtskraft 2 Jahre in U-Haft gesessen hat und zu vier Jahren Haft verurteilt wird, dann sitzt er nach Rechtskraft noch zwei Jahre (vier Jahre Strafe weniger 2 Jahre U-Haft gleich 2 Jahre verbleibende Strafhaft). Die Zeit der Ersatzhaft, in der er da gesessen hat, wird, da ja letztlich Strafhaft, natürlich nicht angerechnet. Man sitzt immer nur eine Freiheitsstrafe gleichzeitig ab.
Was bleibt, ist die Frage, ob bei zwischenzeitlicher Strafhaft die sechs-Monats-Frist (die mit dem etwas geringeren Begründungsaufwand) wieder neu beginnt. Dazu ist Strafprozessrecht zu lange her. Ich glaube aber: Ja. Was dann Pech ist für erwiesenermaßen vorher schonmal straffällige Angeklagte.
Man kann U-Haft und Anklagen insgesamt hierzulande übrigens recht einfach vermeiden, indem man sich an die Regeln hält…