Gibt wieder ein neues Buch.
Aufbau-Verlag. Uiuiuiuiuiiii ...
Spoiler
Von Birgit Sommer
Heidelberg. Natalie Grams (42) verschrieb als Ärztin in Heidelberg homöopathische Behandlungen und hatte damit auch große Erfolge in ihrer Praxis – bis sie sich intensiver mit den Studien dazu befasste und realisierte: Das kann als Medizin gar nicht funktionieren. Mit einem Buch über ihre Erkenntnisse sorgte sie für große Aufregung im Land.
Deutschlands bekannteste Homöopathie-Kritikerin, wie sie heute genannt wird, hat nun ein neues Buch geschrieben über die sanften Alternativen zur Schulmedizin. Sie geht darin zum Schluss auch kurz und knapp auf die einzelnen Verfahren und deren Versprechen ein – ob Homöopathie, Bachblüten, Akupunktur oder pflanzliche Heilmittel, ob Anthroposophie oder Vitamintherapie. Wenn es schädlich wäre, wäre es doch längst verboten, könnte man über die Methoden der sanften Medizin denken. Doch so einfach ist es nicht, wie Natalie Grams im Buch zeigt.
Im RNZ-Interview spricht sie über ihre Erfahrungen mit Homöopathie-Befürwortern, die Grenzen der Schulmedizin und die besseren Argumente.
Frau Dr. Grams, mit Ihrem Buch aus dem Jahr 2015 "Homöopathie neu gedacht" haben Sie sich viele Feinde in der alternativen Medizin gemacht. Wie geht es Ihnen inzwischen?
Das war schon eine wilde Zeit. Jetzt habe ich sechs Jahre Aufklärung in diesem Bereich hinter mir und habe von wildem Hass bis zu großer Dankbarkeit viel erlebt und viel erreicht. Es hat sich gelohnt.
Sie arbeiten aber jetzt wieder als Ärztin?
Es war nicht ganz leicht, eine Stelle zu finden, und ich sage auch nicht, wo, damit nicht plötzlich irgendwelche Impfgegner oder so vor der Türe stehen.
Sie werden doch sicher von manchen Leuten erkannt, so bekannt, wie Sie inzwischen sind?
Ja, ich werde durchaus erkannt.
In einem Wirtschaftsmagazin stand vor einigen Jahren, dass Ihre Familie aus ihrer Wohnung auszog, weil Sie nach der Aufgabe Ihrer Praxis für Homöopathie weniger Geld hatten. Es hat sich also vieles für Sie verändert?
Ja, durchaus, aber eines ist geblieben: Die Schulden, die ich mit der Einrichtung der Praxis aufgenommen hatte, zahle ich bis heute ab.
Sie engagierten sich inzwischen als Leiterin des kritischen Informationsnetzwerks Homöopathie. Man warf Ihnen vonseiten der Homöopathie-Befürworter dann sogar ein Treffen mit dem Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses GBA als "unerlaubt" vor. Der GBA beschließt ja, welche medizinischen Leistungen die rund 73 Millionen gesetzlich Versicherten beanspruchen können.
Ich habe viel mit Politikern und auch den Vertretern des GBA gesprochen – völlig legal. Aber im Unterschied zu Lobbyisten habe ich keine finanziellen Interessen. Und ich bin auch kein Lobbyist der Pharmaindustrie, wie man mir schon vorwarf. Dagegen hat mir der Arzneimittel-Hersteller Hevert 2019 gedroht. Ich sollte eine Unterlassungserklärung unterzeichnen und im Falle der Zuwiderhandlung 5100 Euro Strafe zahlen, wenn ich weiterhin öffentlich sagen würde, dass Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirkt. Die Pharmafirma hat versucht, mich abzumahnen, obwohl ich den Stand der Wissenschaft vertrete. Man wollte mich wohl einschüchtern und mundtot machen. Das ist nicht gelungen.
Jetzt gibt es Ihr neues Buch "Was wirklich wirkt" – ein kritischer Blick auf die gesamte Alternativmedizin. Wie stark war hier der Shitstorm?
Weitaus weniger stark. Man merkt dem Buch wohl auch an, dass es ein Kompass für Menschen sein möchte, die auf der Suche nach Antworten sind. Es ist eher eine freundliche Erklärung als eine Streitschrift.
Worum geht es Ihnen bei diesem Buch?
Ich wollte einen Leitfaden anbieten zu ganz vielen Verfahren, die jeder kennt und nutzt. Ich versuche nicht, sie zu verurteilen. Man muss auch der normalen Medizin nicht alles nur glauben. Ich hoffe, dass das Buch zu kritischem Denken anregt.
Die Schulmedizin kommt tatsächlich auch nicht immer gut weg bei Ihnen: Sie prangern das Erfinden von Krankheiten durch Medizin und Pharmaindustrie an, weil das Kunden zuführt, etwa bei den gesenkten Grenzwerten beim Cholesterinspiegel.
Es ist immer wichtig, zu gucken, was wirklich wirkt – und wo getrickst wird.
Eigentlich empfehlen Sie total rationales Denken und Verhalten: mitdenken, abwarten, Grenzen der Medizin anerkennen, die wissenschaftliche Evidenz betrachten. Vermutlich sind dazu die wenigsten Menschen in der Lage?
Im Normalfall ist es oft okay, nach Bauchgefühl und Gutdünken zu entscheiden. Doch in kritischen Situationen würde ich mich lieber auf die rationale Seite schlagen, bei der Gesundheit auf die Seite der Wissenschaft stellen. Ganz einfach deshalb, weil sich hier die besseren Argumente finden. Wir sehen das ja auch aktuell im Umgang mit der Pandemie und der Bedrohung durch das neue Virus.
Es gilt also nicht: Wer heilt, hat recht?
Wer nachweisen kann, dass er heilt, hat recht. Das gilt auch für Medikamente der normalen Medizin. Wir müssen kritisch überprüfen und uns immer auf die Suche nach den besseren Antworten machen statt nach dem guten Glauben.
Sollen wir jetzt alles wegwerfen, was wir so zu Hause haben: Globuli, Schüßlersalze, Bachblüten?
Aber nein! Aber es ist doch gut, zu wissen, wie sie wirklich wirken, etwa als Placebo, mit dem man sich bei Bagatellerkrankungen besser fühlt – und wo eine Grenze sinnvoll ist.
Es gibt aber auch sanfte Medizin, die Sie empfehlen: Entspannung, Bewegung, Naturheilkunde ...
Ja, und Yoga zum Beispiel. Das hat durchaus seinen Sinn. Es geht nicht um ein pauschales Urteil. Ich habe in meinem Buch versucht, vertretungsweise für diejenigen, die es gut finden und Hoffnung haben, genauer hinzuschauen.
Info: Natalie Grams: "Was wirklich wirkt: Kompass durch die Welt der sanften Medizin", 249 S., Aufbau-Verlag, 18 Euro.