SG Karlsruhe Entscheidung vom 27.7.2016, S 17 AS 1318/16
Krankenversicherung - Krankenkassenwahlrecht - kein Wechsel in die Krankenkasse Deutsche Gesundheit
Leitsätze
Die Deutsche Gesundheit unterfällt keiner der Fallgruppen des § 173 Abs. 2 Satz 1 SGB V.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zum 01.03.2016 Mitglied der Krankenkasse Deutsche Gesundheit geworden ist.
2
Der Kläger erhält von dem Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er war zuletzt bei der Techniker Krankenkasse versichert. Die Krankenkasse Deutsche Gesundheit bestätigte mit Schreiben vom 13.01.2016, es bestehe 01.01.2016 ein vertraglicher Absicherungsschutz im Sinne des § 5 Abs. 13 SGB V. Darüber hinaus bestehe eine Pflegeversicherung, die mindestens mit der Art und dem Umfang den Leistungen der sozialen Pflegepflichtversicherung nach IV. Kapitel des SGB XI vergleichbar seien.
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Mit zwei Änderungsbescheiden vom 23.02.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.09.2015 bis 31.08.2016. In den Bescheiden teilte der Beklagte mit, die Kranken- und Pflegeversicherung während des Bezugs von Leistungen werde bei der Techniker Krankenkasse als Pflichtversicherung durchgeführt.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Sinngemäß begehrte er die Übernahme der Beiträge im Krankheits- und Pflegefall bei der Deutschen Gesundheit ab dem 01.01.2016. Dem Widerspruch fügte er eine Kündigungsbestätigung zum 31.03.2016 der Techniker Krankenkasse bei (Schreiben der TK vom 18.03.2016).
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Der Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 04.04.2016). Die Zurückweisung begründete er im Wesentlichen damit, der gewählte Krankenversicherungsträger, die Deutsche Gesundheit, falle nicht unter die Regelung des § 173 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Insofern sei ein Wechsel in die Deutsche Gesundheit als Pflichtversicherung nicht möglich. Der Krankenkassenwechsel sei unwirksam. Es verbleibe bei der Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Techniker Krankenkasse. Zuständig für die Pflegeversicherung sei die Pflegekasse, die bei der Krankenkasse errichtet sei, bei der eine Pflichtmitgliedschaft bestehe (§ 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI).
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Mit der am 21.04.2016 zum Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Ablehnung des Wechsels von der Deutschen Gesundheit zur Techniker Krankenkasse durch den Beklagten sei unbegründet und entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Dem Beklagten obliege es nicht, die gesetzliche Wahlfreiheit der Krankenversicherung einzuschränken oder zu verbieten.
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Der Kläger beantragt,
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die Übernahme der Absicherungskosten bei der Deutschen Gesundheit und gleichzeitig die Einstellung der Zahlung an die Techniker Krankenkasse durch den Beklagen, rückwirkend zum 01.03.2016.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
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Mit Schreiben vom 28.06.2016 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es habe die Absicht, ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid zu entscheiden und hat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
1.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide des Beklagten vom 23.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2016 sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme von Beiträgen bei der Deutschen Gesundheit.
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Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden hierzu gehört.
2.
16
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme von Beiträgen in der Krankenkasse der Deutschen Gesundheit.
a.
17
Der Kläger ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V für den Zeitraum des Bezugs von Arbeitslosengeld II versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung.
18
Ein Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V liegt entgegen der Bestätigung der Deutschen Gesundheit vom 13.01.2016 hingegen nicht vor. Die Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 ist gegenüber allen anderen Versicherungstatbeständen nachrangig. Sie tritt nur ein, sofern kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht (Orlowski/Rau/Wasem u.a., in: Orlowski/Rau/Wasem u.a., SGB V-Kommentar - Gesetzliche Krankenversicherung - GKV, 41. AL, § 5 Versicherungspflicht, Rn. 203).
b.
19
Der Kläger war unstreitig bis zum 29.02.2016 bei der Techniker Krankenkasse kranken- (und pflege-) versichert.
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Ein Wechsel hat daher nur im Rahmen der Ausübung des Krankenkassenwahlwechsels erfolgen können.
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Gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Die gewählte (neue) Krankenkasse hat nach Ausübung des Wahlrechts unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Die gekündigte Krankenkasse - hier die Techniker Krankenkasse - hat dem Mitglied nach § 175 Abs. 4 SGB V unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist eine Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist.
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Der Kläger begehrt die Übernahme der Beiträge zur Deutschen Gesundheit ab 01.03.2016. Ein Wechsel der Krankenkasse zum 01.03.2016 scheidet bereits daran, dass der Kläger noch bis 31.03.2016 bei der Techniker Krankenkasse versichert gewesen ist (vgl. Kündigungsbestätigung nach § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V vom 18.03.2016). Daher war hier frühestens ein Wechsel der Krankenkasse zum 01.04.2016 möglich.
c.
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Aber auch ab 01.04.2016 war ein Krankenkassenwechsel zur Deutschen Gesundheit nicht möglich.
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Da der Kläger als SGB-II-Empfänger nach § 5 SGB II versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung ist (s.o.), ist er bei der Ausübung seines Wahlrechts eingeschränkt. Versicherungspflichtige können gem. § 173 Abs. 2 Satz 1 SGB V zwischen folgenden Trägern der Krankenkasse wählen: (1.) die Ortskrankenkasse des Beschäftigungs- oder Wohnorts, (2.) jede Ersatzkasse, deren Zuständigkeit sich nach der Satzung auf den Beschäftigungs- oder Wohnort erstreckt, (3.) die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn sie in dem Betrieb beschäftigt sind, für den die Betriebs- oder Innungskrankenkasse besteht, (4.) die Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn die Satzung der Betriebs- oder Innungskrankenkasse dies vorsieht, (4a.) die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft Bahn-See, (5.) die Krankenkasse, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung zuletzt eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 bestanden hat, (6.) die Krankenkasse, bei der der Ehegatte oder der Lebenspartner versichert ist.
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Die Deutsche Gesundheit unterfällt keiner der Fallgruppen des § 173 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Bei der Deutschen Gesundheit handelt es sich um eine „Sozialabsicherung“ des sogenannten „Königreich Deutschland“, einer Reichsbürger-Organisation (
https://de.wikipedia.org/wiki/Reichsb%C3%BCrgerbewegung; https://de.wikipedia.org/wiki/Peter_Fitzek sowie
http://koenigreichdeutschland.org/de/). Die wählbaren Pflichtversicherungen sind etwa auf der Homepage des GKV-Spitzenverbands unter
https://gkv-spitzenverband.de/krankenkassenliste.pdf zu finden. Insofern ist ein Wechsel in die Deutsche Gesundheit als Pflichtversicherung nicht möglich. Ein wirksamer Krankenkassenwechsel hat folglich nicht stattgefunden. Der Kläger ist daher weiterhin Mitglied in der letzten gesetzlichen Krankenversicherung, mithin der Techniker Krankenkasse.
3.
26
Daneben hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur Pflegeversicherung bei der Deutschen Gesundheit. Ein wirksamer Versicherungswechsel hat auch insoweit nicht stattgefunden.
27
Bei dem Kläger besteht als Bezieher von Arbeitslosengeld II nach § 20 Abs. 1 Nr. 2a SGB XI Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Für die Durchführung der Pflegeversicherung ist jeweils die Pflegekasse zuständig, die bei der Krankenkasse errichtet ist, bei der eine Pflichtmitgliedschaft oder freiwillige Mitgliedschaft besteht (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
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Eine Mitgliedschaft besteht bei dem Kläger nach wie vor bei der Techniker Krankenkasse (s.o.). Insofern verbleibt es auch hinsichtlich der Pflegeversicherung bei der Mitgliedschaft bei der Techniker Krankenkasse.
29
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
4.
30
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.