Höchstens, weil B. noch nicht, so wie er, "erwacht" ist. Wobei Nerling ohnehin ein Musterbeispiel für einen Konvertiten ist, der die an ihm nagenden Zweifel mit demonstrativem Fanatismus wettzumachen versucht. Da ähnelt er gewaltig den ähnlich schlicht gestrickten turbo-radikalisierten Gotteskriegern, denen er Herrenmensch doch kulturell so weit überlegen sein möchte.
Nerling weiß und verdrängt, dass seine Ex-Freundin und seine Familie nicht von den Rothschilds bezahlt werden. Dass sie nicht kritiklos den Mainstream-Medien folgen, die auch überhaupt nicht so einheitlich berichten, wie deren Kritiker ständig einheitlich behaupten. Nerling weiß und verdrängt, dass außer ihm nur die wenigsten an einer "Schuld der Geschichte" leiden. Er weiß und verdrängt, dass sich wohl niemand, den er kennt, aufgrund dieser "Schuld" zu irgendetwas hat nötigen lassen (so es denn überhaupt je versucht wurde). Er muss sehr viel verdrängen.
Denn Nerling kennt die andere Welt gut und er weiß irgendwo in sich auch, dass man dort - wie die weit überwiegende Mehrheit - ein friedfertiges, sinnvolles und erfülltes gutes Leben führen kann. Er möchte aber noch mehr und er will noch besser sein: Ein Missionar, ein Befreier, ein Propagandist, ein Held, ein "Lehrer für das Volk". Er sieht sich als Idealisten in der schrecklichsten Bedeutung dieses Begriffs.
Und vermutlich ist es nur dem Zufall, dem unerquicklichen Zeitgeist und seinem kurzem Verstand zu verdanken, dass er sich just diese schafsköpfige Ideologie ausgesucht hat. Zu anderen Zeiten hätte er leicht auch über andere Welterklärungen stolpern können und würde dann diese ebenso lauthals predigen. Ein Irrender, der meint einen Glauben gefunden zu haben und nun die ganze Welt damit beglücken muss. Ein Prediger, der durch besonders lauten Gesang alle mahnenden Stimmen in sich zu übertönen versucht.