Angekündigt war das Duell des Jahrhunderts, gebracht hat es mir aber nur einen traumatischen Flashback an den Musikunterricht in der Grundschule.
@DC71 und ich waren pünktlich um kurz vor halb zwei auf der Wiese. Der Andrang war geringer als erwartet, eigentlich nur die normalen Touristenmengen für einen Sonntag mittag im Sommer. Der Käptn hatte schon aufgebaut, vom Kindergeburtstag war nix zu sehen. Noch war ich guten Mutes und erwartete einen lustigen Nachmittag. Gegenüber sammelten sich nämlich etwa 20 bis 30 Genossen von DER PARTEI, die aber leider im weiteren Verlauf des Tages nicht mehr in Erscheinung treten sollten.
Mitten auf der Wiese stand der schon besagte Polizist mit Warnweste. Dazu muss man wissen, dass die Berliner Polizei bei Versammlungen einen sog. "Verbindungsbeamten" einsetzt, der den Kontakt zum Veranstalter hält und durch diese Weste gekennzeichnet ist. Aha, die Polizei ist also informiert und erwartet den Nervling.
Wir schlendern übre die Wiese in Richtung Kanzleramt, können aber nichts von Interesse feststellen. Am Ende der Wiese stehen mehr Polizisten, auch solche mit reichlich Lametta auf den Schultern. Ok, man ist vorbereitet. Auf dem Rückweg fällt uns dann das an einen Baum gelehnte Geburtstagsschield auf. Davor lümmeln sich nur drei Personen im Gras, die jetzt nicht weiter nach Nazi aussehen. Also zurück zu den Staatendoofen.
Hier entdecke ich etwas abseit Mario im Gespräch mit Touristen, die nicht schnell genug auf dem Baum waren. Lustigerweise hat Mario mehr Zuhörer als der inzwischen ebenfalls eingetroffene Rüdi. Beim Versuch ein Foto zu machen entdeckt mich Mario und muss die Touristen sofort darüber informieren, dass ich ein Nazi sei, der ihn angezeigt habe, obwohl ich doch einen Nazi-Personalausweis hätte. Den ratlosen Gesichtern der Zuhörer entnehme ich, dass nicht nur ich dieser Logik nicht folgen konnte.
Also weiter zu Rüdi, bei dem läuft aber auch nur die übliche Platte. Er erkennt und grüßt mich. Befreundete Journalisten trudeln ein und wir beschließen, noch einmal nach dem Kindergeburtstag zu sehen. Inzwischen sind etwa 10 Menschen, teilweise mit Instrumenten, sowie drei Polizisten unter der Baumgruppe. Journalistische Nachfragen ergeben, dass die Polizei eine private Geburtstagsfeier akzeptieren wird, aber nur, wenn sie nicht zu groß wird. Eine politische Versammlung dagegen würde sofort unterbunden werden.
Eine Frau packt ihre Gitarre aus, wird aber sogleich von einem Polizisten angesprochen und packt darauf die Gitarre wieder weg. Livemusik scheint also nicht als Bestandteil einer "privaten" Geburtstagsfeier angesehen zu werden. Alles wartet aufs Geburtstagskind. Mario hat sich inzwischen von den Staatendoofen hin zu den Volksdoofen abgeseilt.
Wie schon angedeutet waren auch jüngere Paare, teilweise mit Kindern unter den Geburtstagsgäste. Ein "Jogger" in komplett weißen Klamotten und einem vor den Bauch gebundenen Brüllwürfel erregt unsere Aufmerksamkeit. Einer der in Berlin hinreichend vorhandenen Bekloppten. Wir überbrücken die Wartezeit mit Gesprächen über weiter stadtbekannte Bekloppte wie den irren Rabbi, den antisemitischen Schwarzen oder den brüllenden Franzosen. Alles arme Gestalten, die rund ums Brandenburger Tor ihr Dasein fristen. Sie alle eint, dass sie sich auf die eine oder andere Art verfolgt fühlen. Den Jogger muss man sich für den Rest des Berichtes als immer wieder auftauchenden, im wahrsten Sinne des Worte, running gag, dazu denken. Wobei gesagt werden muss, dass er seine Musikauswahl durchaus situativ anpasste. Ein weitere Gesprächsthema war eine Vorfall in Cottbus, bei dem es mal wieder syrisch-deutsche Kommunikation unter Einsatz von Stichwerkzeugen gab. Für den heutigen Tag war eine spontane Demonstration besorgter Patrioten angesetzt worden, Potential für Randale dort war also durchaus gegeben.
Inzwischen war mit zwanzig Minuten Verspätung der Tanzlehrer aufgetaucht. Na das gibt aber einen Eintrag ins Klassenbuch. Die Madeln im Discounter-Dirndl übergaben ihre Geschenke und Nikolai wurde sogleich zum Gespräch mit dem Direktor, also dem Verbindungspolizisten in der Warnweste, gebeten.
Derweil trottete der Diplom-Dennis mit einem in Geschenkpapier eingewickelten Päckchen durchs Bild, gefolgt von einer kleinen Frau in viel zu großem FCK NATO Shirt und einem Rucksack in fast ihrer Größe. Mittels Kamera hielt sie den Auftritt des Reichsdeutschen Nr. 1 für die Nachwelt fest. Aha, das ist also Haru Wunderliich, das neue Kamerakind vom krassen Arier.
Die Fotografen in meiner Gruppe waren dem Freundeskreis für Volkstanz und völkische Gesinnung aus dem Dunstkreis des Geburtstagskindes durchaus bekannt und wir wurden misstrauisch beäugt, teilweise sogar angepöbelt. Ein zu nahes Herangehen an den volksdeutschen Kindergeburtstag war daher nicht möglich. Nikolai hielt eine Rede, bemühte sich aber, die Lautstärke so gering zu halten, dass sein Geschwalle nur für die Traube um ihn verständlich war.
Es ging dann bald mit Singen und Klatschen, zunächst ohne Musik, los. Der ganze Ablauf erinnerte mich fatal an den Musikunterricht in der Grundschule. Ich hatte ja gehofft, mit sowas nie wieder Kontakt zu haben. Ein Trauma bahnte sich seinen Weg und ich habe mich dann lieber erst einmal wieder zu den Enten abgeseilt. Dort lief aber nur die übliche Platte. Kaum einer interessierte sich für das Entengeschnatter und ich machte mir den Spaß, Rüdi das ein oder andere Mal zu widersprechen, was dieser jedoch aggressiv-patzig überging
Wieder zurück bei den Reportern am Kindergeburtstag gab es eine Diskussion mit einem Fanboy von Nikolai, wie sich später zeigen sollte dem Organisator der Party, der uns vorwarf, wir würden die armen Leute stalken und bespannen. Inzwischen zeigten sich auch ein paar Touristen interssiert an dem völkischen Gehopse und Gesinge. Der Teilnehmerkreis wuchs auf zeitweise bis zu 60 Personen. Bei Gesprächen mit den Umstehenden war aber schnell klar, dass die gar nicht wussten, wer da feierte.
Nikolai war schwer bemüht, nicht den Eindruck einer politischen Versammlung zu vermitteln. Ein Teilnehmer mit einer schlampig und falschrum an einer Stange befestigten Deutschland-Flagge wurde gebeten zu gehen und er trollte sich darauf zu den Enten.
Lustig fand ich die ganzen Menschen mit den Stofftaschen vom BND, die um das Schauspiel herum standen. Wenn Rüdi das sehen würde, das gäbe Kernschmelze. Einer der Reporter entdeckte einen Jungen mit "Gegen Nazis" Shirt und drappierte ihn vor die Volkstänzer. Das wiederum rief einen Menschen auf den Plan, der uns seine Islamophobie und seinen Judenhass gleich ungefiltert mitteilen musste. Der bekam aber von dem Vater des Jungen ordentlich Gegenfeuer, obwohl die Famlie aus Sachsen kam.
Derweil wurden etwas abseits der Gruppe Dennis und Mario von einer eher alternativ aussehenden Frau per Videokamera interviewed. Haru saß teilnahmslos auf der Wiese und guckte dem Nordmann-Dennis beim Herumstolzieren zu. Das wäre jetzt mal Marios Gelegnehiet gewesen, een deutschet Weib anzufassen, aber anstatt mitzutanzen verschanzte sich er lieber hinter seinem Kamerastativ.
Als mich das Musikgrundschul-Trauma wieder zu übermannen drohte, habe ich mich erneut zu den Enten abgeseilt. Dort diskutierte Rüdi inzwischen mit zwei Jungen mit Fahrrädern und BND-Taschen sowie einem älteren Mann über das Parteiensystem. Die Jungen wollten ihn überzeugen, doch eiiner Partei beizutreten oder selbst eine zu gründen, dann könnte er auch das System verändern. Rüdi dozierte darüber, dass die Parteien alle Firmen wären und er daher keiner Partei beitreten würde.
Ich konnte meine Klappe nicht halten und meinte zu dem älteren Mann, dass Rüdi sehr wohl schon in einer Partei gewesen sei. Der Mann fragte nach in welcher, und als sagte NPD, da glit ein verstehendes Lächeln über die Gesichter der drei unschuldigen Passanten. Rüdi schimpfte gleich gegen mich und das Sonnenstaatland, sowei auf die Zuhöhrer, die ja jetzt von mir getriggert worden wären. Der ältere Mann blieb aber ganz cool und meinte, dass Rüdi nicht ablenken solle. Warum er denn nicht mehr in der NPD wäre, wollte der Mann wissen. Rüdi fabulierte was von einer V-Mann-Aktion und ich ergänzte, dass diese V-Mann-Aktion ein dreijähriger Knastaufenthalt wegen eines Brandanschlags auf ein Ausländerwohnheim gewesen sei.
Jetzt rückte Detlev mit der Kamera näher, um die Diskussion zu filmen und die dunkelhäutige Ente kam mit einem weiteren Mikrophon dazu. Eine Berliner Ente, groß und breit, so Typ NPD-Schläger, begann den älteren Mann zuzuquastchen von Schäf und EsEmAhDe Jesetzen, die noch über den Grundgesetz stehen würden. Der Mann frage mehrmals nach, wass denn Schäf und EsEmAhDe wären, aber die Ente drückte ihm als Antwort nur ein Flugblatt in die Hand. Als der Mann nicht aufhörte nachzufragen, bat ihn Detelv in seiner bekannt körperbetont-direkten Art doch zu gehen, weil er die Aufnahme der Diskussion mit den beiden Radfahrern stören würde. Der Schläger-Typ rief ihm noch ein "Verpiss Dich" nach und damit war das Thema Schäf und EsEmAhDe durch. Auch die beiden Radfahrer nutzten die Gelegenheit zur Flucht, als Rüdi sich umdrehte, um ein Grundgesetz zu holen.
Nun stand ich wieder alleine da und verabschiedete mich mit dem Hinweis, mal wieder nach dem Volkslehrer gucken zu wollen. Dort war man inzwischen beim Square-Dance angekommen und der Verbindungs-Polizist bat Nikolai, seine Geburtstagsparty doch mal langsam zu beenden. Zunächst wurden aber 7 Pärchen für den Square-Dance, der in Wirklichkeit aber ein Contra-Dance war, gesucht. Allerdings gehört es nicht zu den völkischen Tugenden, mit arabischen Zahlen unfallfrei umzugehen. So musste Nikolai dann zwei Paare wieder wegschicken. Die Choreographie war recht anspruchsvoll und so dauerte es eine geraume Zeit, bis der Tanz erklärt war und beginnen konnte,.
Zurück bei den Enten schwafelte Rüdi in die von der Dummina bedienten Kamera, die restlichen Enten hatten sich hinter das Zelt verzogen. Rüdi war beim Thema Sklaverei angekommen. Als er dann auf Prostitution überschwenkte und fragte, was denn mit Prostituierten gemacht werden würde, konnte ich es mir nicht verkneifen ihn darauf hinzuweisen, dass seine Kamerafrau doch Expertin auf dem Gebiet sei. Wenn Blicke töten könnten.
Jedenfalls jammerte die Fachfrau über schmerzende Füße und wollte ihre High-Heel-Stiefeletten wechslen. Rüdi war angepisst, dass sie ihn deswegen in seinem Redeschwall unterbrach. In Ermangelung eines anderen Kamerakindes sollte ich übernehmen, habe aber dankend abgelehnt. Also wurde GoGorilla kurzerhand hinter die Kamera beordert und Anja ging den Hufbeschlag wechseln. Sie kam bald zuirück, mit dem Hinweis, dass das Auto umgeparkt werden müsse sowie mit Sandalen an den Füssen, aber wieder mit hohen Absätzen
Detelv wurde zum Umparken geschickt, verbunden mit dem Auftrag, Rüdi einen blauen Ballon zu bringen. Ein Tourist meinte zu Rüdi, er solle doch mal endlich auf den Punkt kommen. Er würde seit zwei Stunden schwallen ohne zu sagen, was er eigentlich wolle. Ich meinte darauf, dass Rüdi schon seit 2014 vor dem Reichstag schwallen würde, ohne auf den Punkt zu kommen.
Die Sache entwickelte sich immer mehr zu einem Duell der Willenskräfte. Wer würde zuerst aufgeben, Rüdi oder der Tanzlehrer? Die Bully-Ente wollte noch zu den Volkstänzern rüber und Flyer verteilen, hat sich aber dann doch nicht getraut. Rüdi malte mir inzwischen in allen Farbe aus, was mit uns passieren würde, wenn das System zusammen bricht.
Sabine hatte keine Lust mehr und begann einzupacken, die Dummina quengelte auch schon, dass Rüdi zum Ende kommen sollte. Aber der schwallte jetzt darüber, dass das Grundgesetz für ganz Europa gelten würde, das sei ausgedehnt worden, das las er irgendwie aus der Präambel. Ich erklärte Detelv inzwischen, dass der Artikel 27 des Übereinkommens über Staatenlose für die Bundesrepublik gar nicht gelten würde wegen eines Vorbehaltes und dass die Bundesrepunblik und die DDR sehr wohl der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beigetreten wären. Detlev begann zu zweifeln und rief Rüdi zu Hilfe.
Der schickte Detlev zum Auto und begann mit mir über die fehlende Strafbarkeit von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland zu diskutieren. Ich erklärte ihm, dass Menschenrechtsverletzung zu abstrakt sei, um daran eine Strafe zu binden. Einzelne Menschenrechtsverletzungen seien doch unter Strafe gestellt. Wenn ich ihm jetzt auf die Fresse hauen würde, dann würde ich doch dafür bestraft werden. Der inzwischen zurückgekehrte Detlev meinte dazu nur: "Oder auch nicht"
Andreas vom sauberen Himmel mischte sich ein und meinte, dass nur Deutsche bestraft werden würden. Er kenne einen Fall mit einem Ausländer der einen Deutschen abgestochen hätte. Der Fall sei eingestellt worden, weil der Ausländer ja eine Staatsangehörigkeit hätte.
Anderas lief jetzt zur Hochform auf. Ich machte mir den Spaß und konterte jede aus der Luft gegriffene Behauptung seinerseits mit einer anderen aus der Luft geriffenen Behauptung. Irgendwann meinte er, dass er so nicht mit mir diskutieren könne. Ich sagte, dass ich doch nur das gleiche machen würde wie er und einfach irgendwelchen Quatsch behaupten würde. Andreas ging ab und murmelte, dass er die ganze Gesetzesbücher nicht dabei hätte, ich müsse halt selber nachlesen.
Rüde schwafelkte derweil seine Liste mit den Anzeigen runter. Ich meinte zu ihm, dass er das bitte sein lassen solle, weil die Russen würden uns schon Rechnungen für die Altpapierbeseitigung schicken, außerdem solle er mal an die Bäume denken. Auch sei unser Reihenhaus in Washington DC nicht mehr benutzbar, weil die Amsi da die ganzen Strafanzeigen von ihm und seinen Enten einwerfen würden. Rüdi konterte damit, dass für die Altpapierentsorgung der russischen Botschaft die Firma Reißwolf zuständig sei. Immerhin war Rüdi wohl klar, dass er unter Putin keine Hilfe von den Russen zu erwarten habe. Er meinte aber, dass die Militärstaatsanwaltschaft ja nicht von Putin abhängig sei. Außerdem würde dann Putins Nachfolger, zum Beispiel einer wie Shirinowski, die Anzeigen bearbeiten.
Rüdi ging nun auch zum Auto, bat mich aber auf ihn zu warten. Derweil kam Detelv zurück und meinte, dass er mir das mit der Erklärung der Menschenrechte erst glauben würde, wenn ich ihm die unterzeichnte Urkunde zeigen würde. Immerhhin, ganz überzeugt ist er nicht mehr von dem, was die Oberente so abläßt. Dann wieder Auftritt Andreas, der mir anhand deutscher Polizeiuniformen den Beleg liefern wollte, dass wir ein besetztes Land sind. Weil das wären nämlich amerikanische Polizeiuniformen, weil der Hut sechsekig ist, oder so
Rüdi kam zurück und wollte mit mir und der Dummina noch den Reichstag besichtigen. Ich lehnte dankend ab und habe den Einsatz beendet.