Was manifestiert der Volkslehrer in euren Köpfen eigentlich ?
Anmaron
-Nazi
-Reichsbürger
-Alluhut
-Antisemit
Ich denke: Gescheiterte Vergangenheitsbewältigung.
Begründung:
Als Holländer bin ich ein relativer Außenseiter, aber wenn ich mir die Videos von Nikolai Nerling im Internet (Youtube) anschaue, scheint mir relativ klar was mit dem Mann lost ist: eine gescheiterte Vergangenheitsbewältigung. Für diese Schlussfolgerung basiere ich mich vor allem auf zwei Videos. Das Video: ‘Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust‘, in dem Nerling Passagen aus Eugen Kogons Buch ‘Der SS-Staat‘ vorliest
https://www.youtube.com/watch?v=TQhPBpnEJBA&lc=z23ktvvb1w2pvhglwacdp432fucrzaiw4cn3y31w0w1w03c010c. und das Video über seine Ansprache in Dresden am 17.2.2018, in dem er sich zu seiner Biographie äußert und einige bemerkenswerte Aussagen macht.
https://www.youtube.com/watch?v=lUqM2uPitg0.
Ich zitiere einige Passagen aus dieser Rede: Ich war auch auf Demonstrationen gegen Grenzen ‘no border, no nation, no deportation‘ habe ich auch mal skandiert […] und das war auch die Zeit wo ich viel gesoffen habe, viel geraucht habe und mich viele Pornos angeschaut habe, kurz, eine Zeit in der ich nicht wirklich bei mir war […] und das trennt uns von unserer Vergangenheit, unserer Herkunft […] bei mir liegt es noch nicht so lange zurück, dass ich aufgewacht bin […] bin so dankbar, dass ich das jetzt in meinem Leben jetzt erreichen konnte […] denn es geht mir so gut wie es mir noch nie ging […] seit ich Hetzefrei habe (vom Schuldienst suspendiert; und jetzt fristlos gekündigt - Anmerkung von mir: J.W.) habe ich keinen Rückenschmerzen mehr, ich war tatsächlich geplagt über mehrere Jahren von chronischen Rückenschmerzen […] wenn man so ein bisschen nach vorne gebeugt gehen muss. Und das ist jetzt weg, ich gehe jetzt aufrecht, und dieses Aufrechtgehen, das habe ich auch vor allem dem zu verdanken, dass die Schuld von meinen Schultern gerutscht ist, die Schuld, mit der ich aufgewachsen bin, die mir aus jeder Ecke eigentlich entgegensprang, die mich aufgelauert hat, wo ich war, ob ich Zeitungen gelesen hab, ob ich Fernsehen gesehen hab, ob ich mit meinen Freunden gesprochen hab, mit meiner Familie, alle haben diese Schuld so in sich gehabt, und es war für sie so identitätsstiftend, fast wie eine Monstranz, die sie vor sich her getragen habe, die man ihnen nicht nehmen sollte, und ich war von dieser Schuld auch wirklich niedergedrückt (deshalb auch diese ‘Rückenschmerzen‘, die wohl psychosomatischer Natur waren und derer er sich, nach seiner geistigen ‘Wende‘, entledigt hat - Anmerkung von mir: J.W.). Seitdem ich aber mich gebildet habe und Dinge gelesen habe, die ich nicht lesen durfte […] das ist eine Medizin und mit allen den ich darüber spreche, die Ähnliches getan habe wie ich, die bestätigen mir das. Wie sie auf einmal wieder bei sich sind und dadurch kommen Gemeinschaften zu Stande die geprägt sind von Liebe und gegenseitiger Achtung und wo es nicht darum geht irgendwelchen Schämen zu entsprechen […] und dass wir hier jetzt alle diesem deutschen Geist folgen, diesem aufrechten, klaren […] dadurch verstehen wir einander, sind wir einander nahe […] und diese Verbundenheit wächst […] Das was damals versucht wurde, den deutschen Geist zu vernichten, das hat nicht funktioniert, der Geist ist in uns und er kommt zum Vorschein […] Ich komme aus einem sehr linken Umfeld und es tut mir weh, wie die Menschen mit denen ich früher ganz nahe war, wie sie sich jetzt entfernt haben […] und ich bete für sie, für meine Freunde, für meine Eltern, dass sie eben auch dahin kommen wo ich bin, wo ihr seid […].
Ich bin kein Psychologe, aber einiges liegt hier doch auf der Hand. Was mir (zumindest als Holländer) auffällt, ist die Schuldbessenheit des Nikolai Nerling; die Art und Weise, in der er Satz nach Satz über die ‘Schuld‘ (der Vergangenheit) spricht, eine Schuld, die ihn buchstäblich ‘niedergedrückt‘ hat und dauernd heimgesucht (‘die mir aus jeder Ecke eigentlich entgegensprang‘). Aufschlussreich ist auch seine Bemerkung, dass diese Schuld fast ‘identitätsstiftend‘ war; eine Art Ersatzidentität. Um dieser ‘Schuld‘ zu entgehen, hat er offensichtlich die Flucht nach vorne antreten: die Flucht in einen revisionistischen Rechtsradikalismus, damit er endlich seelische ‘Ruhe‘ (und Geborgenheit) findet und ‘aufrecht‘ durchs Leben gehen kann - denn: Identität geprägt durch ‘Schuld‘ hält keiner aus. Es ist die Sehnsucht nach einer von der Geschichte unbelasteten, ‘heilen‘ und ganzheitlichen Gemeinschaft, in der sich alle achten und lieben und nicht ‘irgendwelchen Schämen entsprechen‘ müssen; wohl idealtypisch verkörpert durch den Bund für Deutsche Gotterkenntnis, den er mal besucht hat.
https://www.youtube.com/watch?v=RlMlB6qVXlU. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch das Video, das er vor einigen Wochen (19.6.2018) gepostet hat, in dem er einige Passagen aus ‘Gellerts Leben‘ vorliest; eine Verklärung des einfachen bauerlichen Lebens und der kleinen vorindustriellen Gemeinschaft, einer Gemeinschaft, in der alle ‘bei sich selber sind‘ und nicht im Schatten einer unheilvollen Vergangenheit leben müssen.
https://www.youtube.com/watch?v=ZQ_q-8VqaR0. Bedeutungsvoll ist auch, dass er auch die linken Demonstranten in Dresden, die im Hintergrund johlen, ‘als ein Teil unseres Volkes‘ bezeichnet, die der inklusiven Volksgemeinschaft beitreten sollen. Dieser Wunsch verbindet er mit abstrusen Verschwörungstheorien, wobei er u.a. behauptet, dass ‘damals versucht wurde den deutschen Geist zu vernichten‘ (Vernichtung durch wen wohl, durch die Juden?); oder auf einem Plakat: ‘Zionisten stecken hinter den Geheimdiensten‘. Die Sehnsucht nach einer unbelasteten Vergangenheit bringt ihn sogar dazu sich in die Nähe von Holocaustleugern zu begeben um die Vergangenheit reinzuwaschen (nicht nur Ursula Haverbeck). Am Ende seiner Dresdner Rede zitiert er aus einem Brief des berüchtigten australischen Holocaustleugners Gerald Fredrick Töben (der ihn geschrieben hat), wobei Nerling bemerkt, dass er ‘sein Schüler sein könnte‘. Zu Töben,
https://en.wikipedia.org/wiki/Gerald_Fredrick_T%C3%B6ben. Peinlich und traurig ist, dass er in seiner Rede den Wunsch ausspricht, seine linken Eltern und (ehemaligen) Freunden mögen doch ‘eben auch dahin kommen wo ich bin‘. Dafür ‘betet er‘. (Seine Eltern und Freunden sollen also auch den Thesen von einem Holocaustleugner wie Fredrick Töben oder den antisemitischen Hetzreden von Alfred Schaefer, den Nerling offensichtlich auch bewundert, zustimmen. In einem seiner Videos ruft Schaefer sogar dazu auf Juden zu töten.
https://www.youtube.com/watch?v=NdQku4KQ-lI&t=100s). Auf diese Weise wird Nerling der Dämonien der Vergangenheit nie Herr werden. Im Gegenteil. Und das Video, in dem er Passagen aus Kogons Buch vorliest, ist davon ein beredtes Zeugnis. Dass er überhaupt diese Passagen vorliest, spricht Bände. Deutlich ist wie er noch immer mit der Vergangenheit hadert und mit den damaligen Geschehnissen nicht ins Reine kommt. Die Passagen, die er aus Kogons Buch vorliest, versucht er abzublocken, sozusagen therapeutisch ins Gegenteil zu verkehren. Ein exorzistischer Akt, mit dem er die böse Vergangenheit auszutreiben versucht (was ihm nicht gelingt). Fazit: eine gescheiterte Vergangenheitsbewältigung.
Nikolai Nerling ist ein verspätetes Opfer des Nationalsozialismus und (damit) eine tragische Figur. Ich empfinde ihn persönlich übrigens durchaus als sympathisch. Ich hoffe, dass er sich aus der braunen Schlammmasse erheben kann und wirklich zu sich finden wird.