Prozessbericht - Das Gutachten
Nach seinen persönlichen Angaben beginnt Gutachter Dr. Langer mit der Einschränkung der Qualität eines Gutachtens, dass ohne Beteiligung des Begutachteten an der psychiatrischen Exploration stattfinden muss. Er beschreibt die von ihm genutzten Quellen, die sich auf die Akten stützen und die im Gericht gemachten Beobachtungen sowie (im Auftrag des Gericht) den eigenen Angaben von Peter Fitzek, die im Internet zu finden waren. (Später erwähnt er auch die Lektüre von Fitzeks Werk "Wege zur Entdeckung feinstofflicher Welten") Der Gutachter führt aus, dass er für seine Aufgabe keine Meinungen oder Wertungen Dritter berücksichtigt habe und auch keinen journalistischen Aussagen über Fitzek gefolgt sei. Es sei eine Beurteilung auf Ebene des Einzelfalls und er habe nur sichere Aussagen von Fitzek selbst verwendet.
Von der ihm gestellten Aufgabe sei insbesondere die Bewertung der Persönlichkeit ohne die Mitarbeit der zu begutachtenden Person schwierig. Er würde jedoch zur Einführung seine erste Begegnung mit Herrn Fitzek beschreiben, da sie seiner Meinung nach vielsagend sei:
"Die Begegnungen in der JVA finden in einem besonderen Untersuchungsraum statt." Er sei wie üblich gekommen und habe auf Herrn Fitzek gewartet. Er stand an der Tür. Als Fitzek kam, habe er sich vorgestellt und ihn mit Namen begrüßt. Dann habe er "Bitte nehmen sie Platz," gesagt und auf einen Stuhl gewiesen. Fitzek blieb aber zuerst stehen, sei dann schweigend um ihn herum gegangen und habe dann seinerseits mit "Bitte nehmen sie Platz," ihn aufgefordert sich zu setzen.
Er habe Fitzek umfangreich über seine Rolle, seine Aufgabe und seine Pflichten aufgeklärt (u.a. dass er gegenüber dem Gericht nicht der Schweigepflicht unterläge). Fitzek habe sich das alles angehört und dann freundlich gesagt, dass er daran kein Interesse habe.
Über Fitzeks biographische Entwicklung sei wenig bekannt. Polytechnische Oberschule bis zu zehnten Klasse; 1984 Ausbildung zum Koch; 1988/89 Meisterlehrgang; danach eine Hotel- und Gaststättenausbildung. Zwei erwachsene Kinder und ein minderjähriges Kind, das mit der Mutter im Ausland lebt. Seine strafrechtliche Vorgeschichte sei bekannt: Zwei Gewaltdelikte, Verstoß gegen das Waffenrecht sowie eine Vielzahl von Verkehrsdelikten.
Zuerst widmet sich der Gutachter der Frage, ob bei Fitzek eine ernsthafte psychische Erkranken oder eine wahnhafte Entwicklung vorliegt. Auf den ersten Blick könne man dafür Hinweise finden: So sei Fitzek nach wie vor davon überzeugt, dass das KRD ein Staat sei. Er bezeichne sich als "Menschensohn des Horst und der Erika" oder als "Peter, der Erste". Und insbesondere zu Beginn des Prozesses habe er intensiv religiöse Gedanken geäußert. Er meint den Plan einer höhere Macht zu verfolgen und behauptet im Kontakt mit Wesen anderer Daseinsebenen zu stehen. Kurz gesagt: Handelt es sich um Schizophrenie?
Die klare Antwort ist Nein. Es wären keine charakteristischen Störung des Denkens feststellbar. Hierfür habe der Gutachter lange Schriftsätze analysiert. Er könne keine Zerfahrenheit oder ein Verwaschen des Denkens oder der Sprache feststellen. Fitzek würde zwar weitschweifig, gespreizt und gekünstelt schreiben aber es wäre kein Sprach- oder Denkzerfall zu erkennen. Somit wäre eine schizophrene Psychose auszuschließen.
Es folgt die Frage, ob es sich um einen Wahn handeln kann. Der Gutachter erklärt, dass sogenannt bizarrer Wahn leichter abzugrenzen und damit festzustellen sei als religiöser oder politischer Wahn. Der Gutachter erklärt, dass ungewöhnliche oder sonderliche Ideen nicht als Wahn definiert oder diagnostiziert werden dürfen. Vielmehr macht er diese Frage davon abhängig, ob der Inhalt der Idee unmöglich ist, ob derjenige von der Idee völlig überzeugt sei und ob die Idee unkorrigierbar sei. Das sei bei Fitzek aber nicht festzustellen.
"Wahn ist nicht Irrtum. Irrtum ist korrigierbar. Über Glauben kann man reflektieren, über Wahn nicht. Fitzek ist zur Reflektion fähig und daher glaubt er an seine Ideen. Es handelt sich nicht um ein für ihn unabänderliches Wahnsystem."
Der Gutachter kommt dann darauf zu sprechen wie Fitzek in einfachen Worten und Bildern Gemeinsamkeiten mit anderen schafft. Viele würde Fitzeks Bedenken über die Welt teilen. Fitzek würde aus seiner eigenen Sicht versuchen, etwas zu verändern und zu verbessern und dieses Bestreben würden viele mit ihm teilen. Elemente kommunistischer Ideen, Askese und weitere utopische Vorstellungen würde Fitzek als friedliche Gesellschaftsveränderung anstreben und auch dafür würden sich andere Menschen interessieren.
Seine Persönlichkeit würde Fitzek zu einer Führungsrolle prädestinieren und man kann darauf vertrauen, dass Fitzek auch weiterhin die Führung seiner Gruppe übernehmen wird. Die Inszenierung seiner Krönungs-Zeremonie entspräche seiner Persönlichkeit mit ihm als Mittelpunkt des Geschehens. Wobei die Einstufung als Inszenierung auch daher stamme, dass er seine eigene Redeweise nach Belieben ändern und anpassen könne. Schon in seinen Schriften würde er oft seinen Plural Majestates unter den Tisch fallen lassen und in diesem Prozess habe er an ersten Tag noch gesagt, "Peter Fitzek? Das bin nicht ich." aber dies danach schnell wieder bleiben lassen. Dies zeige, dass er anders kann. Hier lasse sich keine Wahngewissheit oder Unkorrigierbarkeit feststellen. Statt einer krankhafter Fixierung wäre eher angepasst manipulatives und manchmal aggressives Verhalten zu beobachten: "Er verhält sich durchaus irdisch."
Eine manische Störung sei auch unwahrscheinlich, weil keine phasenhaften Veränderungen dokumentiert oder beobachtet wurden. Es gäbe auch keinerlei Hinweise auf körperliche Beschwerden oder Krankheiten, die zu einer psychiatrischen Störung führen könnten.
Zu Fitzeks Persönlichkeit betonte der Gutachter noch einmal wie schwierig und unsicher Angaben hierzu ohne eine Exploration wären. Aber die Bewertung von Fitzeks Eigenaussagen ergab, dass er über ein erhebliches Charisma verfügt, viel Kraft in von ihm verfolgte Ideen einbringen kann, ein oft fanatisches Auftreten hat und dass er weitschweifenden Omnipotenzgedanken anhängt.
Dies würde er z.B. durch Rollentausch (wie bei der Begrüßung), oft überraschende Regelverletzungen und generell seine Extrovertierung zum Ausdruck bringen. Fitzek vollführe oft emotionale Wechsel von charmanten Verhalten zur Ausnutzung. Er sei von seinen eigenen Fähigkeiten eingenommen. Er glaube, dass man alles steuern könne. So wie er z.B. als Tatsache behaupten würde, dass er nicht mehr krank werden könne.
Er halte sich für überlegen und weit über den Menschen stehend. Er schreibe sich weit überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten zu. In seinen Schriften und Reden seien klar Omnipotenzfantasien erkennbar. Er sei von Träumen seiner Macht, seines Erfolgs und seines Glanzes eingenommen.
Das faktische Scheitern hingegen würde er schlicht leugnen oder externalisieren. Die BaFin oder andere Behörden würden ihn behindern oder gar gegen ihn kämpfen.
Die Konstruktion aller Vereine sei darauf ausgelegt Fitzek Macht zu geben. Er würde ein autokratisches Herrschaftssystem durchsetzen und würde z.B. auch von allen Mitgliedern eine unterschriebene Loyalitätserklärung einfordern (dies hat den Gutachter wieder an Elemente der DDR erinnert).
Zu Fitzeks wesentlichen Persönlichkeitsmerkmalen zählten: Macht und Dominanz, aufgesetzte Freundlichkeit, physische Gewalt und Manipulation.
An dieser Stelle schüttelt Fitzek, der sonst nur eifrig in sein Notebook tippt, ärgerlich mit dem Kopf.
Der Gutachter erwähnt die NeuDeutsche Garde, die Fitzek selbst ausbilden wollte, sowie eine Mail an Richard Gantz in der er ihm mit der Enteignung bedroht hat. Als weiteres Beispiel nennt er die Tatsache, dass Teilnehmer der "Macht der Gedanken"-Seminare nicht auf die Toilette gehen dürfen. Damit bestimme allein Fitzek wer wann etwas tut.
Und als Beleg für Fitzeks Glauben an seine Einzigartigkeit weist der Gutachter auf die "Verzichtserklärung der Immunität", die Fitzek zu Beginn dem Gericht übergeben habe, um sich damit selbstwerterhöhend über das Gericht zu stellen. Nur er bestimme, ob über ihn gerichtet werden darf. Dieses Anspruchsdenken fände sich auch in seinen Auseinandersetzungen mit der BaFin und anderen Behörden. Fitzek erwarte, dass diese ihm seine Wünsche erfüllen würden.
Die Frage an ihn als Gutachter dabei sei, ob Fitzek nicht einsichtig sein wolle oder ob er es nicht einsehen könne. Es sei aber festzuhalten, dass Fitzek hochgradig manipulativ sei und Personen ausnutzen wolle. Sein häufig sehr langes Reden solle oft mehr verbergen als zeigen.
Auch im Umgang mit seinen Anhängern und den Kapitalanlegern sei ein hohes sozialpsychologisches Geschick von Fitzek festzustellen. So hätte er z.B. seine Seminare so gestaltet, dass sie in der Aufforderung mündeten endlich selbst aktiv zu werden. Und direkt danach hätte er seine Anlagen als eine solche Möglichkeit angeboten. Auch die Methoden "Fuß in der Tür" und "kleineres Zugeständnis, größere Zugeständnisse" wären erkennbar. Das sei Gruppenpsychologie.
Des weiteren bescheinigt der Gutachter Fitzek einen Mangel an Empathie und nennt als Beispiel den rüden Umgang mit Michaela K. (den sie wohl selbst vor Gericht geschildert hat). Fitzek sei arrogant und überheblich, wozu auch sein gefährendes Fahrverhalten zählen würde. Fitzek stelle sich außerhalb und oberhalb geltender Regeln und Normen. Wohlgemerkt schon weit vor der Gründung des KRD weswegen das Argument, dass er mit den Fahrverstößen die Anerkennung begründen wolle, unglaubwürdig sei. Und neben seinem Fahrverhalten fände der Gutachter z.B. auch den Betrieb einer ungeprüften Pyrolyse-Anlage fahrlässig und verantwortungslos. Fitzek habe sich insoweit bisher als unbelehrbar erwiesen und sei auch durch Strafe nicht zu beeindrucken.
All die genannten Persönlichkeitsmerkmale würden auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hindeuten deren Hauptinteresse die Selbsterhaltung ist. Der Gutachter hat hierzu bei Sigmund Freud nachgeschlagen und festgestellt, dass Fitzek von den neun Kriterien einer narzisstischen Persönlichkeit acht erfüllen würde.
Für eine Störung wäre abzugrenzen, ob Fitzek leide oder eine gestörte soziale Funktionsfähigkeit habe. Fitzek würde nicht leiden. Und könne man davon sprechen, dass jemand der so ist und lebt wie Fitzek tatsächlich eine gestörte soziale Funktionsfähigkeit hat? Doch! Fitzek sei früher wenig erfolgreich gewesen. Er habe sich jetzt eine Welt nach seinen Vorstellungen geschaffen. Diese Welt sei wirtschaftlich erfolglos aber das Scheitern würde externalisiert oder geleugnet.
Eine Einschätzung müsse Fitzeks Impulsivität und Emotionalität berücksichtigen. Und auch den Eindruck einer Nähe zum Rechtsextremismus müsse beachtet werden. Denn: "Man kann nicht glauben, dass Fitzek das unbedacht tut." Der Gutachter benennt und zitiert ein paar Stellen, u.a. die Mail an Richard Gantz (bezüglich dessen Nasenform) sowie den Verfassungsartikel, der festlegt, dass Deutsche nicht gegenüber Ausländern benachteiligt werden dürfen. Er verweist auf elitäre Ideen und Elemente von Fitzek. Und er erwähnt auch, dass die "Würde des Menschen" auf der unser Grundgesetz gründet bei Fitzek erst als Artikel 46 seiner Verfassung auftaucht.
Ein verächtliches Schnauben von der Anklagebank.
Fitzek kenne und verstehe den Tatvorwurf. Er verfüge über eine Intelligenz im Durchschnittsbereich. Er habe eine egozentrische Weltsicht und spräche oft von Wahrhaftigkeit wenn er dabei eigentlich nur seine Sicht meinen würde. Schwachsinn (im medizinischen Sinn) kann der Gutachter nicht erkennen. So wenig wie seelische Abartigkeit oder andere Einschränkungen. Fitzek habe vielmehr besonders viele Ausdrucksformen. Es gäbe auch keine Hinweise auf Traumata. Damit wäre keines der Merkmale gegeben. Eine Anwendung von §20 oder §21 kann ausgeschlossen werden.
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