Prozessbericht
Aprilwetter in der Saalestadt Halle. Der Verhandlungsaal 90 des Landgerichts liegt abwechselnd im Sonnenschein oder es nieselt und stürmt vor den Fenstern. Das Königreich hat neben der Staatsflotten und dem atemlosen Marco, der auf der Pressebank Platz nehmen darf, mehr fast fünfzehn Pudel der zweiten Garnitur aufgeboten. Mehrere davon mit Block und Stift "bewaffnet", wohl um die KRD-eigenen "ich hab zwar keine Ahnung, aber"-Prozessberichte verfassen zu können.
Hofberichterstatter Scholtysek nimmt neben der Staatsflotte Platz und etwa zwanzig weitere Besucher verteilen sich in der extrem engen Bestuhlung. Nachdem Fitzek von zwei Justizbeamten hereingeführt wird, versucht er - noch in Handschellen - sich mutig zu geben.
PF (Fitzek): "Wir kommen jetzt langsam zum Ende. Mal sehen, ob es zwei Tage Schlußvortrag werden. Ich bin dem Gericht sehr dankbar, dass das KRD Gegenstand des Verfahrens wird."
Aber seine Artigkeiten wirken aufgesetzt. Fitzek versucht selbstsicher zu wirken aber er sieht grau und müde aus. Die Falten und Furchen sind tief, insbesondere wenn er sein antrainiertes Lächeln aufsetzt, um überzeugend zu wirken.
Nach Eintritt der Richter führt ein Techniker den YouTube-Film von der Krönung vor. In der Fassung von Karma Singh, wobei Karmas denglisches Gesäusel dankenswerterweise übersprungen wird. Nicht übersprungen wird aber die gesamte Zeremonie in ihrer lähmenden Länge und Lächerlichkeit, wobei die pompöse Musik im kargen Verhandlungssaal eher deplatziert wirkt. Beim Einzug der Souveräne quatscht Fitzek mit seinen Anwälten; bei "Also sprach Zarathustra" schneuzt sich die Richterin; die Pudel schweigen ergriffen und der Rest des Publikums grimassiert und versucht das Lachen zu unterdrücken. Bis beim Auszug aller Souveräne noch das jubilierende "Hallelujah" erklingt und dann doch glucksend-unterdrückte Laute aus den Reihen der Zuhörerschaft zu vernehmen sind.
Nach dem Film gewährt RM (vorsitzende Richterin Mertens) fünf Minuten Pause und Fitzek nutzt die Zeit, um sich wieder an die Presse und seine Gemeinde zu wenden. Er scherzt über den gestrigen Termin in Wittenberg, wo er mal etwas anderes gesehen habe. In Richtung Scholtysek meint er, dass Thilo sich auch sehr gefreut habe. Und insgesamt findet er, es sei dort: "Super gelaufen!" Dann wiederholt er seinen Dank an das Gericht, dass es ihm erlaubt habe das KRD in das Verfahren einzuführen. "Damit wird geklärt, ob das KRD ein Staat ist oder nicht."
Nach dem erneuten Eintritt der Richter verliest RM über mehr als eine halbe Stunde einen sehr umfangreichen schriftlichen Vermerk von zwei Zeugen der Bundesbank, bei deren Termin der Gutachter wohl verhindert war.
Es geht um eine Vorermittlung der BaFin, die von der Bundesbank im Sommer 2009 durchgeführt worden ist und mehrere Telefonate sowie einen Ortstermin der Bundesbank-Abgesandten mit Fitzek in Wittenberg umfasst hat. Ursächlich ging es um den Verdacht des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz durch erlaubnispflichtige Anlage- und Kreditgeschäfte durch die Kooperationskasse sowie den Verein Ganzheitliche Wege e.V. und den von Fitzek weiter eingebrachten Verein Bewusstsein, der entgegen seiner Ankündigung nie eingetragen wurde und eher eines seiner vielen Verwirrspiele gewesen zu sein scheint.
Der Vermerk berichtet erschöpfend über die Einrichtung der in Wittenberg besichtigten Räumlichkeiten (das Lichtzentrum aka Akasha aka Engelswelten) sowie der im Schaufenster befindlichen Werbung (später wurde sogar noch Form und Farbe von Fitzek selbstgedruckter Krankenversicherungskarte genau beschrieben). Wie gewohnt hat Fitzek lang und breit über die zig Projekte berichtet, kritische Fragen abgebürstet, den Zugang zu realen Daten vereitelt oder verweigert aber die Abgesandten selbstredend von seinen politischen, moralischen und weltanschaulichen Ansichten überzeugen wollen.
Erstaunlicherweise waren die daran weniger interessierten Abgesandten der Bundesbank aufmerksam genug, um auf den Widerspruch hinzuweisen, dass Fitzek einerseits eine basisdemokratische Struktur anstrebe aber andererseits in allen Vereinen letztlich das alleinige Sagen habe. Fitzek hat eingeräumt, dass er über ein letztes Veto-Recht verfügen würde, weil die Mitglieder manchmal einfach nicht genug verstehen würden, um richtig zu entscheiden.
Ganzheitliche Wege e.V. war damals nach Fitzeks Behauptung gemeinnützig und hatte ungefähr zwanzig Mitglieder, wobei neben Fitzek aber nur wenige genauere Befugnisse oder Kenntnisse hatten. Die Ermittlung hat den Verdacht auf erlaubnispflichtige Anlagegeschäfte erhärtet aber der Verdacht auf unerlaubte Kreditgeschäfte wurde (erstaunlich leichtgläubig) verneint, weil Fitzek angab, dass es solche nicht gegeben hätte. Fitzek habe gesagt, dass eine Kreditvergabe nicht mehr erforderlich sei.
Allerdings hatten Fitzeks muntere Erzählungen über seine Gesundheitskasse zur Folge, dass die Bundesbank den Verdacht auf erlaubnispflichtige Versicherungsgeschäfte (sogenanntes Garantiegeschäft) schöpfte und dies dann auch der BaFin mitteilten. Die Abgesandten der Bundesbank notierten, dass seine Krankenversicherung 20% günstiger sei als herkömmliche; dass 90% der Beiträge für Ausgaben und Erstattungen nicht benötigt würden; dass es an ihm und seinen Seminaren läge, dass die Versicherten so gesund seien. Ironischerweise hat Fitzek den Abgesandten seine Krankenversicherungskarte vorgelegt und ihnen parallel dazu erzählt, dass er grundsätzlich nicht mehr krank werden könne.
Großes Durchatmen. Die RM leitet nun zum Vortrag des Gutachters ein. Aber zuerst grätscht Fitzek mit einem Geplänkel dazwischen:
PF: "Ich muss hier viele Fehler des Gerichts berichtigen. In der Anlage..."
RM: "Moment!"
Fitzek redet weiter.
RM: "Herr Fitzek! Moment bitte. Worum geht es."
PF: "Anlage 9, äh, 11. Nein. In Absatz 9."
RM: "Moment bitte! Ich muss das erst suchen."
Fitzek redet weiter.
RM: "Moment."
PF: "Punkt 8, Anlage 11, neunter Absatz. Da fehlt ein Datum im Beweisantrag."
AF (Anwalt Fehse): "Es ist nur das falsche Datum. Keine Aufregung."
PF: "Zwei Antworten von der BaFin mit völlig blödsinnigen Auskünften fehlen angeblich."
STA (Staatsanwältin) erklärt, dass sie woanders im Protokoll stehen.
RM: "Gut. Dann machen wir das zum Gegenstand der Hauptverhandlung."
PF: "Auf Anlage 9 ist kein Datum. Und da fehlt noch ein Schreiben."
STA: "Das ist beides in Anlage 7."
RM: "Ja. Das ist in Anlage 7."
PF: "Dann bin ich zufrieden."
RM: "Ich wusste noch nicht, dass wir schon zwei Aktenordner an Protokoll haben."
Fitzeks Rechtanwälte stellen den Antrag, dass Fitzek von einem Fernseh-Team von SternTV interviewt werden darf. Fitzek sei damit einverstanden. Das könne wahlweise in der JVA oder im Landgericht bei einem Termin erfolgen.
RM wendet ein, dass so etwas für einen Angeklagten auch negative Folgen haben könne und sie sich in einer Fürsorgepflicht sehe, insbesondere bei einem noch laufenden Verfahren. Die Anwälte sagen, dass dies mit Fitzek besprochen worden sei, er aber dem Interview zugestimmt habe.
PF ruft dazwischen: "Diskriminierung bin ich gewöhnt!"
RM fügt an, dass Herrn Scholtysek ähnliche Wünsche abgeschlagen worden wären und er es daher sicher nicht goutieren würde, wenn Stern-TV jetzt ihm vorgezogen würde, was Scholtysek mit Gelächter unterstreicht. Die RM entscheidet, dass diese Dinge nach Abschluß der Hauptverhandlung besprochen werden.
Fitzek ergreift noch einmal das Wort und dankt der Richterin äußerst ironisch für ihre Fürsorge sowie ihre Entscheidungsfähigkeit, die ihm jetzt zum ersten Mal richtig bewusst geworden sei. Fitzek will der RM etwas am Zeug flicken aber verheddert sich in seinen Formulierungen. Die RM lächelt ihn gänzlich unbeeindruckt an und wartet geruhsam bis das Wortgebäude in sich zusammen bricht.
Dann stellt AF, wie wohl zuvor abgesprochen, den Antrag gehen zu können und die RM entspricht dem Antrag. In dem Zusammenhang wird festgelegt, dass das Urteil am 15.03 um 13:00 (oder ggf. eine Stunde später) fallen soll. Am Termin 08.03 sollen die Schlußplädoyers gehalten werden.
Fitzek wendet ein, dass er ein längeres Schlußplädoyer zu halten gedenken. U.a. weil die Staatsgründung jetzt in das Verfahren eingeführt worden sei und er daher auch dazu reden müsse. Gegenüber RM fügt er noch höhnisch hinzu: "Das wird der erste Tag sein, wo sie mich nicht unterbrechen."
RM: "Och. Ich kann sie unterbrechen. Aber ich kann meinen Rat nur wiederholen..."
PF: "Jaja. Fassen sie sich kurz."
RM: "Es ist doch so, dass ein Anliegen nicht durch die Menge der Worte gewinnt. Es kann sogar sein, dass viele Worte weniger überzeugen."
PF: "Deswegen schlage ich zwei Termine für den Schlußvortrag vor."
Die RM weist Fitzek auf die Zeitverzögerung durch weitere Termin hin und sagt zu, dass das Gericht etwaigen Vorträgen nötigenfalls auch bis 20 Uhr lauschen würde. Nach kurzer Überlegung erklärt Fitzek sich damit einverstanden.
Die RM belehrt den Gutachter über seine Pflichten und bittet ihn im Namen des Gericht um die Erstattung seines Gutachtens.
- - - wird fortgesetzt - - -