Und auch Cameron wollte Rosinen picken und setzte das Brexit-Votum als Druckmittel ein, was dann ja gründlich daneben ging.
Nun ja, Cameron sah sich innenpolitisch durch UKIP unter Druck. Er wollte, so nahm ich es damals wahr, unbedingt die nächsten Wahlen gewinnen, was ihm auch gelang. Der Preis dafür war allerdings, dass er ein Austritts-Referendum versprach, das er nach der Wahl nicht mehr absagen konnte. Er ging wohl davon aus, dass er das Referendum gewinnen würde. Dummerweise fiel es aber zu Gunsten des Austritts aus, was Cameron den erst kurz zuvor "gesicherten" Posten kostete. Cameron hat, meine ich, innen- und außenpolitisch sehr hoch gepokert und eben verloren.
Kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, daß man an den Briten ein Exempel statuieren will, um weitere Austrittskandidaten abzuschrecken.
Vielleicht. Dass die EU einen Austritt nicht gerne sieht, dürfte nicht überraschen. Allerdings gibt es Klagen aus aller Welt, dass die EU eine "harte Verhandlerin" sei. Genau dasselbe sagen EU-Unterhändler aber z. B. auch über die Schweiz.
Sachlich betrachtet, stellt allerdings der Brexit eine Art Quadratur des Kreises dar. Auf der einen Seite soll eine "vollständige" Lösung von der EU erfolgen, auf der anderen Seite sollen EU-Bürger in GB und britische Bürger in der EU ihre wohlerworbenen Rechte behalten und zwischen der Republik Irland und Nordirland keine "harte" Grenze entstehen. Im Falle Norwegens hat sich eine "harte Grenze" zu den anderen skandinavischen Staaten nur vermeiden lassen, indem Norwegen kurzerhand dem Schengen-Raum beitrat. GB ist nicht Mitglied des Schengen-Raums. Das Grenzregime ist zudem vom Zollgebiet und einer ganzen Reihe weiterer Regelungen abhängig. Somit müsste also, damit eine "harte Grenze" vermieden werden kann, ein erheblicher Teil des EU-Rechts in GB weitergelten. Auch die Sicherung der bereits erworbenen Rechte der Bürger der jeweils anderen Seite im eigenen Land erfolgt herkömmlich über entsprechende Abkommen, die der Natur nach einen wesentlichen Teil der Unionsbürgerrichtlinie festschreiben müsste. Damit wäre aber eine "vollständige Lösung" von der EU nicht möglich. Kurz: Ein Abkommen, das den wesentlichen Anliegen beider Seiten genügt, ist gar nicht so einfach zu erreichen, vielleicht sogar unmöglich. Das liegt in der Natur der Sache.
Im Grunde sollte also das Haar gewaschen werden, ohne dass es nass wird.