Eine Anzeige ist nicht notwendig, wenn ein "Offizialdelikt" vorliegt, d. h. eine Straftat, die von Amtes wegen verfolgt werden muss. Selbst wenn ein Staatsanwalt nur in der Zeitung davon liest, ist er grundsätzlich verpflichtet, der Sache nachzugehen.
(Das gab's übrigens tatsächlich bei einem ausländischen Fußballverein: Dort scheint es jahrelange Praxis gewesen zu sein, dass "Groupies" teilweise bis zu 13 Jahren jung in den Spielerkabinen ein- und ausgingen und auch sexuelle Beziehungen zu den Spielern unterhielten. Als ein unvorsichtiger Lokalreporter das in einem Zeitungsbeitrag erwähnte, las tatsächlich der Staatsanwalt davon und leitete Ermittlungen ein, die zu einer ganzen Reihe Verurteilungen führten. Sexuelle Kontakte zu Minderjährigen sind eben auch dann strafbar, wenn die Minderjährigen selbst einverstanden waren, sogar die Initiative ergriffen hatten und auch deren gesetzliche Vertreter damit einverstanden waren.)
Nach den mir verfügbaren Informationen sind tatsächlich Strafanzeigen eingegangen, wobei ich aber nicht weiß, auf welchen Tatvorwurf diese lauteten. Im Gegensatz zu einer landläufigen Meinung sind die Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden aber nicht an die Bezeichnung des Delikts in einer Anzeige gebunden, was auch wenig sinnvoll wäre, da ja die Fakten erst zu ermitteln sind und erst danach beurteilt werden kann, welchen Tatbestand sie erfüllen.
Weiter kommt im vorliegenden Fall eine sog. Konkurrenz in Betracht: Manche Sachverhalte können mehrere Straftatbestände erfüllen. Dies stellt kein Problem dar, denn nirgendwo steht, dass jemand nur nach einer Strafbestimmung verurteilt werden dürfe. So ist es durchaus denkbar, dass eine Anzeige wegen Betruges vorliegt, aber die Staatsanwaltschaft "nur" Untreue (der Vorwurf ist happig genug) anklagt. Das Gericht muss dann übrigens durchaus auch nochmals selbst feststellen, welcher Tatbestand erfüllt ist, dazu ist es nämlich da.
Grundsätzlich denkbar ist dabei, dass die vorliegend angeklagten Taten sowohl Betrug als auch Untreue als auch z. B. den Betrieb illegaler Bankgeschäfte darstellen.
Nun kommt aber die "Konkurrenz" der Tatbestände zum Tragen: Die Staatsanwaltschaft muss nicht jeden Schnurz anklagen, sondern wird sich auf die schwerste beweisbare Straftat konzentrieren. Das dürfte hier die Untreue sein, im Vergleich zu der unerlaubte Bankgeschäfte oder Buchführungsdelikte kaum ins Gewicht fallen. Diese können ggf. hilfsweise mit angeklagt werden (dass keine Buchhaltung geführt wurde, ist ja offensichtlich und eine Verurteilung deswegen nur Formsache). Für die Strafzumessung wird aber weitestgehend nur die Untreue zu Buche schlagen.
Betrug setzt neben der Schädigung des Vermögens des Opfers auch voraus, dass diesem aktiv etwas vorgetäuscht wurde, was immer schwer beweisbar ist. Ob Fatzkes krudes Gewäsch die Höhe eines Betruges erreicht, ob von einem "Lügengebäude" die Rede sein kann, weiß ich nicht. Vermutlich dürfte dies schwer zu beweisen sein. Ein halbwegs kritischer Zeitgenosse dürfte immer in der Lage gewesen sein, zumindest das hohe Risiko dieser "Anlagen" zu erkennen. Die Untreue samt der Tatsache, dass die Gelder für die Anleger weg sind, ist hingegen weitgehend offenkundig und dürfte leicht beweisbar sein.
Daher halte ich es für nachvollziehbar, dass die Staatsanwaltschaft sich auf den Vorwurf der Untreue konzentriert hat. Aus meiner Fernsicht ist das eine richtige und einleuchtende Entscheidung. Wenn das, was Fatzke und seine KRDler mit der "Kooperationskasse", dem Verein "NeuDeutschland", später auch mit "Reichsbank" und "Deutscher Gesundheit" gemacht haben, keine Untreue darstellt, was dann?