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Potsdam. Vom Cottbuser Altmarkt wollen sie am Samstag wieder mit „Faxen dicke!“-Plakaten durch die Innenstadt ziehen und Angela Merkels Rückzug fordern: Anhänger des Vereins „Zukunft Heimat“. Zuletzt waren am 3. Februar schätzungsweise 2500 Menschen auf der Straße – weit mehr als für eine Demonstration für ein tolerantes Miteinander vergangene Woche. Der Protest am kommenden Samstag wird wieder ein Nebeneinander verschiedenster Gruppierungen und Menschen aus der Stadt sein – doch unter einem Dach eines Veranstalters, der als rechtsextrem gilt. Viele wissen das, doch viele wollen das nicht wahrhaben.
Mit Cottbus hatte der Verein „Zukunft Heimat“ bis vor Kurzem gar nichts zu tun. Die Leitungsebene um den promovierten Mediziner Hans-Christoph Berndt und die Friseurin Anne Haberstroh kommen aus Golßen im Amt Unterspreewald, gut 60 Kilometer entfernt von der Lausitz-Hauptstadt. Cottbus war auch nicht erste Wahl, als der Verein, beziehungsweise dessen Vorgänger, 2015 auf der politischen Bühne auftauchte. Sondern Zützen.
In dem Ortsteil von Golßen sollten Hunderte Flüchtlinge untergebracht werden. Seither organisieren ZH-Vertreter an vielen Orten in Südbrandenburg Kundgebungen: In Wünsdorf, Lübben, Lübbenau, Vetschau und Jüterbog – dort zuletzt im September 2017. Das Rednerpult teilte sich Vereins-Chef Berndt mit der AfD-Landtagsabgeordneten Birgit Bessin.
Nun also Cottbus. Die Stadt dient der Gruppe als Exempel, als Projektionsfläche für ihre Botschaften. Das räumt Berndt selbst ein. „Wir sind keine Cottbus-spezifische Aktion, obwohl wir mit vielen Cottbusern Kontakt haben.“ Den Vorwurf, die ZH-Leute seien Konflikttouristen, weist Hans-Christoph Berndt von sich: „Das stimmt nicht“, sagt er. „Wir touren nicht irgendwie rum, sondern sind zielgerichtet in den Brennpunkt gegangen – die Verantwortlichen haben Cottbus ja selbst zum Brennpunkt erklärt.“
Es mag der Reisetätigkeit der Politgruppierung geschuldet sein, dass Berndt bei einer seiner ersten Reden im Juni 2017 – mit einem Mikro auf der Pritsche eines Pick-up-Trucks in der Cottbuser Altstadt stehend – die Orte durcheinander gerieten: Berndt erzählt vom Mord eines Tschetschenen an seiner Ehefrau „hier in Cottbus“ – dann verbessert er sich. Die Tat hatte sich bekanntlich in Senftenberg ereignet.
„Rassische Konflikte“
„Zukunft Heimat und andere Akteure des neurechten Netzwerks benötigen Orte, die als Lautsprecher für die Verbreitung ihrer fremdenfeindlichen Inhalte fungieren“, sagt Markus Klein, Szene-Kenner und Geschäftsführer des Brandenburgischen Instituts für Sozialwesen, das Kommunen im Umgang mit Extremisten berät. „Die vorangegangenen Versuche des Vereins in Golßen, Lübben, Lübbenau und Jüterbog haben nicht gefruchtet. Zu Jahresbeginn konnten sie jedoch die Entwicklungen in Cottbus für ihre Zwecke instrumentalisieren.“
Die Bezeichnung „rechtsradikal“ weist Berndt als „Nazikeule“ zurück. Seine im Internet gut dokumentierten Reden haben es allerdings in sich. Die politische Führung (Merkel) verfolge „ein Programm zur Abschaffung der Nation“, führt Berndt in seiner Ansprache auf der Pick-up-Ladefläche aus. Die Deutschen drohten, im eigenen Land ausgelöscht zu werden. Für Cottbus allerdings, das gibt Berndt im Gespräch mit der MAZ zu, bestehe die Gefahr derzeit nicht. Hier sind rund acht Prozent Ausländer bei 100.000 Einwohnern. Berndt sagt: „Die Tendenz ist entscheidend.“
Eine multiethnische Gesellschaft ist ihm zuwider. „Multikulti heißt nicht, beim Griechen zu essen, sondern Multikulti bedeutet rassische, ethnische Konflikte“, erklärt Redner Berndt auf der Transporter-Pritsche. „Der Prozess, der zum Verlust der Grenzen führt, heißt Verwesung“, führt Labormediziner Berndt aus. Es sei kein Wunder, dass es „Angriffe von angeblichen Syrern auf die einheimische Köterrasse der Deutschen“ gebe, so Berndt voller Sarkasmus.
Der Verfassungsschutz beobachtet die Bewegung offiziell nicht. Doch heißt es aus dem Innenministerium auf MAZ-Anfrage: „Wir nehmen mit Sorge zur Kenntnis, dass unter anderem die in Cottbus innerhalb der letzten Wochen zu verzeichnenden Vorkommnisse für eine ausländerfeindliche Stimmungsmache mit einem – bei einem Teil der Akteure – klar erkennbaren rechtsextremistischen Hintergrund ausgenutzt wurden.“ Die Sicherheitsbehörden würden sich „natürlich mit diesen Aktivitäten befassen und prüfen, ob strafrechtliche Grenzen, etwa Volksverhetzung, Verunglimpfung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten und so weiter, überschritten werden“, so das Ministerium.
Schwert statt Frieden
„Zukunft Heimat“, so urteilt man im Ministerium, orientiert sich „augenscheinlich an dem Vorbild der Pegida-Demonstrationen in Dresden“. Deren Führungsfigur Lutz Bachmann sprach bereits auf einer der Cottbuser Kundgebungen. Aus seiner Nähe zu Pegida und der AfD, die er als „friedfertig und demokratisch“ bezeichnet, macht Berndt keinen Hehl. Auf den Demonstrationen gehören die blauen AfD-Banner praktisch zur Basisausstattung. Gemeinsam mit dem heutigen AfD-Landeschef Andreas Kalbitz trug Berndt auf einer Demonstration in Lübbenau ein Großplakat durch die Straßen: „Wenn eine Regierung ihr Volk austauschen will, muss das Volk seine Regierung austauschen!“ Man sei vernetzt und arbeite zusammen, so der Vereins-Chef.
„Zukunft Heimat ist zu einer Art Dachorganisation geworden“, sagt der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg, Andreas Schuster, der seit den 70er-Jahren in Cottbus wohnt. Er hat sich die Demonstrationen angesehen. „Von Reichsbürgern über Fußball-Hooligans über Kickboxer, Ex-DVU- und NPD-Angehörige – es waren alle da“, so seine Beobachtung. Schuster sagt aber auch: „Nicht jeder, der mitläuft, ist rechts.“ Manche seien „einfach mit der Politik unzufrieden.“ Schuster schätzt den Verein „Zukunft Heimat“ selbst als „stramm rechts, aber mit leichtem intellektuellen Anstrich“ ein.