Versuchte Nötigung
Reichsbürger: Malta-Masche gegen Gefängnisbeamten aus Waldheim
Ein gescheiterter Unternehmer driftet in die Reichsbürgerszene ab und erhebt Millionenforderungen gegen Beamte. Er bedient sich der sogenannten Malta-Masche, die bei Reichsbürgern sehr beliebt ist, um Staatsbedienstete einzuschüchtern. Einem leitenden Mitarbeiter der JVA Waldheim eröffnet der Mann eine Forderung über 99 Millionen US-Dollar.
Das Landgericht Chemnitz beschäftigte in sich in zweiter Instanz mit einem Frankenberger, der einem leitenden Beamten der JVA-Waldheim eine Forderung über 99 Millionen US-Dollar eröffnete.
Quelle: dpa
Waldheim/Chemnitz. Die Malta-Masche ist bei Reichsbürgern sehr beliebt. Sie lassen ihnen unliebsame Personen ins Schuldenregister in den USA eintragen – mit horrenden Summen. Ein Inkassobüro aus Malta versucht dann, diese Forderungen einzutreiben (siehe Kasten). Richter, Staatsanwälte und Polizisten sind davon unter anderem betroffen – Staatsbedienstete also, mit denen die Reichsdeutschen oft Stress haben. Ein Frankenberger hat einem leitenden Beamten der JVA Waldheim schriftlich angedroht, ihn in ein solches Register eintragen zu lassen. Mit einer Forderung über 99 Millionen US-Dollar.
„Ich habe mich bei der BRD abgemeldet und dem Herrn Maier (Name geändert) das gesagt. Er kann doch nicht so mit mir verfahren, wenn ich gar nicht zur BRD gehöre“, sagte der Mann nun in seinem Berufungsverfahren vor der 4. Kleinen Strafkammer des Landgerichtes Chemnitz. Dort kämpfte er um seine Freiheit. Denn das Amtsgericht Chemnitz hatte ihn vor etwa einem halben Jahr unter anderem wegen Insolvenzverschleppung und versuchter Nötigung zu zwei Jahren Haft verurteilt. Denn als Nötigung lässt sich die Malta-Masche strafrechtlich einstufen, wenn sie den Zweck verfolgt, Amtspersonen dazu zu zwingen, einen günstiger zu behandeln. In der JVA Waldheim war 2014 der 46-Jährige kurzzeitig, weil er eine Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung absitzen musste. Auch andere Beamte des Bundes und des Freistaates hat er mit der Malta-Masche und horrenden Millionenforderungen überzogen. In der Berufungsverhandlung ging es nun um die Frage, ob der Mann ins Gefängnis muss oder auf Bewährung draußen bleiben kann. „Ich habe bereits das Gefängnis von innen gesehen. Darauf kann ich verzichten“, sagte der Mann, der bereits wegen des Amtsgerichts-Urteils in Untersuchungshaft saß. „Die Betroffenen haben die Forderungen doch gar nicht ernst genommen. Sie hätten sich mit einfachen Mitteln das Ganze vom Hals schaffen können“, sagte Rechtsanwalt Martin Kohlmann, der den 46-Jährigen verteidigte.
Die Malta-Masche der Reichsbürger
Bei der Malta-Masche geht es zunächst darum, Forderungen ins Register des Uniform Commercial Code (UCC) des US-Bundesstaates Washington eintragen zu lassen. Die US-amerikanischen Behörden prüfen nicht, ob diese berechtigt sind. Maltesische Inkassounternehmen übernehmen diese Forderungen und versuchen, einen Vollstreckungstitel von einem maltesischen Gericht zu bekommen. Passiert das und erscheinen die Betroffenen nicht binnen einer bestimmten Frist auf Malta vor Gericht, können solche Forderungen rechtskräftig werden. Reichsbürger nutzen das, um vor allem Staatsbedienstete einzuschüchtern, mit denen sie in Konflikt geraten sind. Das sächsische Justizministerium hat die Malta-Masche auf dem Schirm. Es bietet Justizmitarbeitern Hilfe an und lässt die UCC-Eintragungen löschen. Das ist bisher 38 Mal geschehen, sagt Jörg Herold, Sprecher des Ministeriums. Betroffen waren unter anderem Richter und JVA-Mitarbeiter. „Wichtig ist, den Kollegen zur Seite zu stehen“, sagt Jörg Herold. diw
„Man kann nicht sagen, dass die Malta- Masche keiner ernst genommen hat. Gerade unter Juristen hat sie für große Verunsicherung gesorgt“, sagte Richter Jürgen Zöllner, der Vorsitzende der 4. Strafkammer, als er deren Urteil begründete: Anderthalb Jahre Haft als Gesamtstrafe, unter anderem für die Insolvenzverschleppung und die Nötigungen. Die Kammer gab Bewährung, ordnete aber eine recht lange Bewährungszeit von vier Jahren an. „Wir haben den Einruck, dass Sie ehrlich sind, ehrlicher als Ihr Verteidiger, als sie sagten, dass Sie den Herrn Maier in ihre Richtung drücken wollten“, sagte der Vorsitzende. Die Kammer wertete ebenfalls positiv, dass sich der Angeklagte darum gekümmert hat, dass die Einträge aus dem Schuldenregister bei den Personen wieder gelöscht wurden.
„Sie haben in einer schwierigen Situation nach einem Strohhalm gegriffen und dann um sich geschossen wie ein Verrückter“, sagte Richter Zöllner. Der Frankenberger war mit seiner Firma pleite gegangen. Wie er sagt, weil eine Krankenkasse völlig unberechtigt den Insolvenzantrag gestellt hatte und außerdem das Konto pfändete und sperrte. Das führte zu einer Kettenreaktion. „Mein Mandant ist in die Fänge eines Kraken geraten“, sagte Rechtsanwalt Kohlmann dazu. In etlichen anderen Fällen sind die Problemlagen ähnlich, wenn Leute in die Reichsbürgerszene abdriften.
Kommentar: Reichsbürger oft Fälle für Psychiater
Unglaublich, welcher Schikanen sich die Reichsbürger bedienen: Leute mit Millionenforderungen zu überziehen, ist nicht lächerlich. Es dürfte bei den Betroffenen zunächst zu einem gehörigen Schrecken führen, wenn sie Post bekommen, wo drin steht, dass sie angeblich Schulden von achtstelligen Beträgen haben. Und das alles, weil sich mal jemand ungerecht behandelt fühlt, weil seine – und sei sie auch noch so abstrus – Rechtsauffassung kein Gehör fand. Bei all den Schicksalsschlägen, die Reichsbürger mitunter erlitten haben, es ist immer ein ordentliches Maß eigener Schuld dabei, wenn sich jemand mit straf- oder zivirechtlichen Problemen konfrontiert sieht. Die Menschen, die sich von Amts- und Berufswegen damit befassen müssen, können dafür aber nichts. Das Ausmaß der von der Malta-Masche Betroffenen ist ebenfalls erschreckend. Es zeigt, dass der Staat und die Justiz das Reichsbürger-Problem weiterhin ernst nehmen müssen. Auch greift die Ansicht zu kurz, dass alle Reichsbürger Nazis seien. Unter psychologischen Gesichtspunkten lassen sich oft Kränkungen und Narzissmus erkennen. Darum liegt der Schluss nahe, dass etliche Teilnehmer der Reichsbürgerbewegung auch Fälle für die Psychiater sind. Dirk Wurzel
Der Frankenberger beschäftigte bereits vor drei Jahren das Amtsgericht Döbeln. Damals zog er die übliche Reichsbürgershow vor Gericht ab: Nicht hinsetzen, die Legitimation des Gerichtes in Zweifel ziehen. Dokumentiert findet sich das auf einer Reichsbürgerseite im Internet samt unerlaubt angefertigter Fotos. Der Frankenberger hatte den Strafbefehl zu einer Geldstrafe wegen falscher Verdächtigung kassiert, weil er eine Polizistin unter Betreuung stellen lassen wollte – auch eine beliebte Masche der Reichsbürger. Gebracht hat die Show damals nichts. Der Strafbefehl wurde rechtskräftig und steht nun im Vorstrafenregister des Mannes, der schon damals nicht das erste Mal mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten war. Im Landgericht Chemnitz ging der Prozess ohne Reichsbürgershow über die Bühne. Justizbeamte kontrollierten die Zuschauer und zogen Mobiltelefone ein.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft kann es mit der Revision anfechten.
Von Dirk Wurzel