Samstag, 29.10.2016
Acht Monate Haft für „Reichsbürger“
Der mehrfach vorbestrafte Hoyerswerdaer war vorsätzlich ohne Führerschein gefahren – Bewährung somit ausgereizt.Von Anja Wallner
Mit seinem gemusterten Hemd, Jeans, und dem bezopften Kinnbart zu raspelkurzem Schopf könnte er fast als Hipster durchgehen. Weniger hip hingegen war das Gebaren des Mannes, der da gestern wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Führerschein auf der Anklagebank des Hoyerswerdaer Amtsgerichts saß – beziehungsweise erst von zwei der vier im Saal anwesenden Polizeibeamten auf richterliche Anordnung dorthin gebracht und auf den Sitz gedrückt wurde.
Der Angeklagte Andreas G. hatte sich geweigert, die Zuschauerreihen zu verlassen und neben seinem Pflichtverteidiger Platz zu nehmen. Die juristische Person säße dort bereits, erklärte er Richter Bosco Näther. Er selbst – und das wiederholte er im Lauf der Verhandlung mehrfach – sei nicht als Person hier, sondern als „Mensch Andreas“. Als solcher sei er registriert beim „Amt für Menschen“. Weitere Angaben zu seiner Person machte er an dem Vormittag nicht mehr. Dem Verhalten und seinen Äußerungen nach ist Andreas G. den sogenannten „Reichsbürgern“ zuzuordnen. Dieses Wort fiel gestern allerdings nicht. „Reichsbürger“ leugnen die Existenz der Bundesrepublik und erkennen deren Gesetze nicht an. Der Richter zeigte sich jedenfalls unbeeindruckt: „Für wen Sie sich halten, ist uninteressant“, sagte er kurz. Den Antrag des Verteidigers auf Ausnahmegenehmigung hinsichtlich des Sitzplatzes lehnte die Staatsanwältin ab.
Sie legte dem Angeklagten zur Last, am Vormittag des 11. Februar dieses Jahres wissentlich ohne Führerschein mit dem Auto in Hoyerswerda unterwegs gewesen zu sein. Aufgeflogen war er bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle. Einer der damals kontrollierenden Polizisten sagte gestern als Zeuge aus, dass Andreas G. nach Aufforderung zwar einen Führerschein vorzeigte, jedoch habe sich herausgestellt, dass dieser mit Löschdatum 2011 versehen war. Die Fahrerlaubnis wurde eingezogen und an die zuständige Behörde geschickt – von dort war zu erfahren, dass der Angeklagte an Eides statt versichert hätte, die Fahrerlaubnis verloren zu haben.
Andreas G. hat Gerichtssäle in der Vergangenheit schon mehrfach von innen gesehen. Zehn Einträge sind im Zentralregister vermerkt – mehrfaches Fahren ohne Führerschein sowie Trunkenheit im Verkehr, Diebstahl, Hehlerei, Beleidigung, das Verwenden verfassungswidriger Symbole. Dreimal hatte der 39-jährige Hoyerswerdaer schon Bewährungsstrafen bekommen, und auch die gestern verhandelte Tat ereignete sich in der Bewährungszeit. Für die Staatsanwältin war das Maß damit voll. Sie forderte wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und hinsichtlich der Vorstrafenliste acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung und eine 18-monatige Führerscheinsperre. „Ich sehe keine Anhaltspunkte für ein straffreies Leben“, erklärte sie. Der Verteidiger plädierte für Milde. „Acht Monate – das ist der obere Bereich des Strafrahmens“, sagte er. Der Angeklagte sei für seine Familie da, auch wenn dies nicht thematisiert worden sei. „Es ist unverhältnismäßig zu sagen, dass Bewährung nicht möglich ist.“ Den Angeklagten selbst, nachdem ihm abschließend das Wort erteilt wurde, interessierte, mit welchen Gesetzen der Richter überhaupt agiere? Bosco Näther verzichtete auf eine Erklärung, sondern bat den „Mensch Andreas“, sich zur Urteilsverkündung zu erheben. Das Gericht folgte in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Bosco Näther sah keine strafmildernden Punkte, wie etwa ein Geständnis, verwies auf die früheren Verkehrs- und anderen Delikte und nannte das Verhalten des Angeklagten „dreist und unbelehrbar“. Der Angeklagte, der fast die ganze Zeit an die Wand gestarrt und Blickkontakt vermieden hatte, nahm das Urteil völlig unbewegt zur Kenntnis. Das Urteil eines Richters in einem Staat, den er angeblich nicht anerkennt.
Quelle:
www.sz-online.de/nachrichten/acht-monate-haft-fuer-reichsbuerger-3528247.html29.10.2016