Nur unter Vorbehalt im Gerichtssaal
Ein Fall vor dem Schopfheimer Amtsgericht zeigte, wie eine einfache Ordnungswidrigkeit zu einer Körperverletzung werden konnte.
SCHOPFHEIM. Einer, der den Staat nicht als Staat, das Gericht nicht als Gericht und Beamte nicht als Beamte anerkennt, stand am Dienstag vor dem Amtsgericht Schopfheim. Ihm wurde Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zur Last gelegt – der Ursprung des Ganzen war eine einfache Ordnungswidrigkeit.
Bereits zu Beginn machte der Angeklagte seine Skepsis dem Gericht gegenüber deutlich – er wollte nicht auf der Anklagebank Platz nehmen. "Gehe ich eine verdeckte Kompetenz ein, wenn ich mich setze?", fragte er den Vorsitzenden Richter Stefan Götz. Nachdem der Angeklagte, der sich übrigens selbst verteidigte, dann doch "unter Vorbehalt" Platz nahm, machte er nur widerwillig Angaben zu seiner Person. Seine beiden Anträge auf Befangenheit der Staatsanwältin und des Vorsitzenden Richters wurden vom Gericht als unzulässig verworfen.
"Menschen wie ich
werden immer mehr"
Angeklagter vor dem Amtsgericht
Wie aus der Anklageschrift hervorging, wurde der Angeklagte am 1. Januar diesen Jahres in der Schopfheimer Innenstadt von einer Polizeistreife angehalten, da er ohne Sicherheitsgurt am Steuer saß. Auch nach mehrfacher Aufforderung durch einen der beiden Polizeibeamten, weigerte sich der Angeklagte, Führerschein und Fahrzeugpapiere vorzuzeigen. Vielmehr forderte er "Ausweis gegen Ausweis", doch beide Polizeibeamte hatten ihren Dienstausweis auf der Dienststelle liegen. "Wir haben mehrfach unsere Namen und unsere Dienststelle genannt, trugen die komplette Uniform und waren mit dem Streifenwagen unterwegs – wir waren also eindeutig als Polizeibeamte erkennbar", sagte die Polizeibeamtin im Zeugenstand. Dem Angeklagten genügte dies jedoch nicht. Vor Gericht erklärte er, dass er Polizeibeamte nicht als Beamte des Staates sehe, sondern lediglich als "Angestellte eines Unternehmens". Sie seien "Dienstleister, die Angebote machen", die jedoch abgelehnt werden könnten.
"Er hätte später mit auf die Dienststelle kommen können, um die Ausweise zu sehen, das wäre doch kein Problem gewesen", sagte der Polizeibeamte vor Gericht. "Es ging doch lediglich um eine Ordnungswidrigkeit – ich verstand die hartnäckige Verweigerung nicht". Um die ganze Diskussion abzukürzen, habe er dann den Angeklagten aufgeklärt: Nach einer Ordnungswidrigkeit müssten die Personalien aufgenommen werden. Wenn die Aushändigung der Papiere nicht erfolge, könne der Beamte sogar eine Durchsuchung erwirken. Als auch nach dieser Belehrung keine Einsicht kam, griff der Polizeibeamte mit dem rechten Arm in das Auto zwischen die Beine des Angeklagten, wo sich auf dem Sitz dessen Geldbörse befand, in der er die Papiere vermutete. In diesem Moment soll der Angeklagte laut Zeugenaussage plötzlich die Schenkel zusammengepresst und den Arm des Polizeibeamten festgehalten haben, so dass dieser sich nur mit viel Kraft befreien konnte und Quetschungen an der Hand erlitt. "Wenn der Angeklagte seine Beine auseinander gelassen hätte, wäre überhaupt kein körperlicher Kontakt entstanden", sagte der Polizist. "Ich empfand den Griff nach der Geldbörse als das mildeste Mittel, an die Papiere zu kommen".
Zum Tathergang machte der 56-jährige Angeklagte keine Aussagen. "Das kommt später in meinem Plädoyer", sagte er. In diesem 50-minütigen Plädoyer zählte er dann zusammenhanglos Gerichtsurteile und Zeitungsberichte auf, warf mit Gesetzestexten um sich und nutzte die Gelegenheit, um seine Weltanschauung darzulegen. "Ich bin nicht bereit, mich Gesetzen zu unterwerfen, nur weil es das Gesetz ist", sagte er. Auch kenne er keinen Widerstand gegen die Staatsgewalt, da er nicht an den Staat und auch nicht an das Beamtentum glaube. Als "Reichsbürger" wollte der Angeklagte aber nicht bezeichnet werden, vielmehr empfand er diesen Begriff als eine "Beleidigung". "Ich bin kein Reichsbürger, ich bin nicht links, nicht rechts, ich bin Mensch. Und Menschen wie ich werden immer mehr".
Der Angeklagte behauptete, er sei von dem Polizeibeamten "unberechtigt angegriffen" worden. Er selbst habe lediglich sein Eigentum verteidigt. Zudem sei er vor dem "Angriff" nicht, wie es die Zeugen ausgesagt hatten, belehrt worden.
Der Polizeibeamte trage für die Verletzung an der Hand – für die der Angeklagte im Übrigen ein Attest forderte – die alleinige Schuld, da er sich selbst in diese Situation gebracht habe. Absichtlich habe er ihn nicht verletzen wollen. "Das war eindeutig Notwehr, hier wird das Opfer zum Täter gemacht". Noch vor der Urteilsverkündung machte er deutlich, dass er das Urteil in Frage stellen werde. Schon allein die Verkündung "Im Namen des Volkes" empfinde er als "dreiste Bevormundung".
Richter Stefan Götz kam dem Antrag der Staatsanwaltschaft nach und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 20 Euro. Ihm wurde zugute gehalten, dass er keine Vorstrafen hatte und die Körperverletzung als leicht einzustufen war. Aufgrund seiner Einkommensangaben wurde die Strafe auf monatliche Raten á 50 Euro ausgelegt. "Wir leben nun mal in einem Gemeinschaftsgebilde, in dem es Regeln gibt, damit ein reibungsloses Zusammenleben funktioniert – ob Sie das nun anzweifeln oder nicht", sagte Götz. Der Richter stellte die Frage in den Raum, was der Angeklagte tun würde, wenn bei ihm zu Hause eingebrochen würde. Würde er die Polizei rufen? Und wie würde er reagieren, wenn die Beamten ihm zuerst einen Vertrag vorlegen würden, bevor sie den Täter festnehmen?