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14.12.2016
Tobias Götz
„Reichsbürger“ schreiben an Verwaltungen
Viele Städte und Gemeinden rund um Ehingen bekommen seltsame Briefe
Ehingen sz Viele Rathäuser rund um Ehingen, darunter auch die Ehinger Stadtverwaltung selbst, haben in den vergangenen Tagen Briefe von den sogenannten Reichsbürgern bekommen. Als Absender der seltsamen Schriftstücke steht der sogenannte Bundesstaat Württemberg – Deutsches Reich auf dem Briefkopf. Inhaltlich wird den Verwaltungen vorgeworfen, ihren Bürgern Nazi-Ausweise auszustellen. Der CDU-Landtagsabgeordnete Manuel Hagel bringt das Thema „wegen seiner Brisanz“ am Mittwoch in den Innenausschuss des Landtags.
Im Kern des fünfseitigen Schriftstücks der „Reichsbürger“ geht es darum, dass der sogenannte Bundesstaat Württemberg die Bundesrepublik Deutschland so sieht: „Die Bundesrepublik Deutschland ist gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Dieser Bundesstaat hat sein Staatshoheitsgebiet außerhalb Europas in der geographischen Antarktis und wurde in den Jahren 1938/39 durch eine von Hitler beauftragte Expedition völkerrechtskonform abgesteckt und heißt Neu-Schwabenland“, steht in dem Schreiben an die Verwaltungen, das der SZ vorliegt.
Einer der Bürgermeister, der das Schreiben erhalten und gehandelt hat, ist Oberstadions Schultes Kevin Wiest. „Als ehemaliger Polizist und Zollbeamter muss ich bei solchen Schreiben reagieren. Ich habe es sofort an die Staatsanwaltschaft Ulm weitergeleitet. Sollte es sich um ein Antragsdelikt handeln, werde ich sofort Strafantrag stellen“, sagt Wiest. Zwar wolle er den sogenannten Reichsbürgern keine unnötige Aufmerksamkeit geben, doch sieht sich der Schultes in der Pflicht, etwas gegen solche Schreiben zu unternehmen. „In erster Linie geht es darum, die Bürger davor zu schützen. Wer weiß, ob diese Schreiben auch an Schulen oder Vereine gehen. Ich möchte die Bürger darüber aufklären, was wir in unseren Gemeindeverwaltungen für Briefe bekommen“, betont Wiest. Noch seien bei der Staatsanwaltschaft Ulm keine Anzeigen erfasst, was aber laut Pressesprecher und Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger nichts heißen muss. „Das kann ein paar Tage dauern. Wenn wir die Anzeigen auf dem Tisch haben, werden in solchen Fällen Beleidigungsdelikte der Maßstab der Prüfung sein“, sagt Bischofberger und fügt hinzu: „Eine Behörde kann aber prinzipiell kein taugliches Objekt einer Beleidigung sein.“
Für Ehingens Stadtsprecherin Bettina Gihr ist es fast an der Tagesordnung, dass die Große Kreisstadt mit E-Mails der sogenannten Reichsbürger laut Gihr „bombardiert wird“. „Wir sind entsetzt. Natürlich prüfen wir im Einzelfall die Schriftstücke und nehmen Kontakt mit der Polizei oder der Staatsanwaltschaft auf“, sagt Gihr.
Auch Uli Oberdorfer, Bürgermeister von Heroldstatt, hat die Briefe bekommen und zeigt sich entsetzt: „So etwas ist unmöglich. Wir leben hier in einer Demokratie. Ich will mit solchen Menschen nichts zu tun haben und will auch nicht von ihnen mit irgendwelchen Briefen belästigt werden.“
Unregelmäßige Mails
Die Stadt Erbach hatte jüngst keine Berührung mit der Bewegung. Eine Sprecherin berichtet aber davon, dass zwei „Reichsbürger“ im Frühjahr dieses Jahres ihren Personalausweis auf dem Rathaus abgeben wollten. „Die Sachbearbeiterin hat die Personen sehr sachlich und ruhig darauf hingewiesen, dass sie ihre Meldepflicht nicht einfach so abgeben können“, erklärt die Sprecherin. Irgendwann sei der Dialog dann einfach eingeschlafen.
Es sei bisher zu keinen weiteren Konfrontationen gekommen. Bürgermeister Achim Gaus bekomme in unregelmäßigen Abständen ebenfalls E-Mails der „Reichsbürger“ auf seine Dienstadresse, heißt es weiter aus dem Rathaus. Diese seien jedoch so harmlos, dass er ihnen wenig Beachtung schenke.
Der CDU-Landtagsabgeordnete Manuel Hagel setzt sich indes seit längerer Zeit mit den sogenannten Reichsbürgern auseinander. „Grundsätzlich müssen wir die Reichsbürger mit großer Sorge beobachten. Sie lehnen unseren Rechtsstaat ab und leben in einer Parallelgesellschaft zur Bundesrepublik Deutschland und verweigern unsere Gesetze“, macht Hagel deutlich. Deshalb wird Hagel das Thema auch am Mittwoch in den Innenausschuss des Landtages bringen und dort als Berichterstatter die Thematik ausbreiten. „Wer die Bundesrepublik nicht anerkennt, darf auch keine Waffen und keinen Führerschein haben. Er darf auch kein Gewerbe anmelden“, fordert Hagel, der bei seinen Gemeindebesuchen immer wieder von den Bürgermeistern auf dieses Thema angesprochen wird.
„Der Rechtsstaat muss hier mit seiner vollen Härte handeln. Und daran werde ich mit Hochdruck arbeiten. Die Reichsbürger sind völlig neben der Spur“, sagt Hagel.
Laut Hagel besitzen rund 60 „Reichsbürger“ im Alb-Donau-Kreis einen Waffenschein. „Jeder einzelne davon ist zu viel“, so der Landtagsabgeordnete weiter.
Manuel Hagel habe auch schon schriftliche Drohungen erhalten. „Das lässt mich unbeeindruckt“, betont Hagel, der davor warnt, dass „sich die Reichsbürger immer stärker radikalisieren“.