Nochmal: Individuen sind im modernen Völkerrecht partielle Völkerrechtssubjekte. Darüber brauchen wir auch eigentlich gar nicht zu diskutieren, denke ich, weil ein einfacher Blick in ein völkerrechtliches Lehrbuch genügt um zu bestätigen, was ich hier diesbezüglich schreibe.
Ich geb dir jetzt aber noch mal ein Beispiel: Ein Individuum wird vom Internationalen Strafgerichtshof nach dem anzuwendenden Völkerstrafrecht verurteilt. Hier ist ein Individuum Subjekt der entsprechenden völkerstrafrechtlichen Normen, die direkt auf das Individuum angewendet wurden.
Nochmal: Du redest von der Theorie, ich hab es von der Praxis.
Wovon redest du? Welche Unterschiede zwischen völkerrechtlicher Lehre und "Praxis" meinst du?
Kann es sein, dass du von der völkerrechtlichen Lehre nicht viel Ahnung hast? Deine Aussagen implizieren das zumindest.
Denn die völkerrechtliche Lehre ist sich durchaus bewusst, dass die Durchsetzung des Völkerrechts Schwächen und Lücken hat und dass sie prinzipiell im Gegensatz zu innerstaatlichen Rechtsdurchsetzung auf andere Weise (dezentral, reziprok) erfolgt.
Ganz aktuelles Beispiel: Die ISIS ruft einen eigenen Staat aus und vertreibt den A mit Waffengewalt von seinem Grundstück.
Der A hat gar nicht die Möglichkeit, "sein Völkerrecht" einzuklagen.
Und? Würde ja auch wenig Sinn machen, gegen eine bewaffnete Gruppe die sich sowieso keinem gerichtlichen Urteil beugen würde, zu klagen, oder?
Und selbst wenn er es könnte und beim internationalen Gerichtshof einen Unterlassungsbescheid für die ISIS mitnehmen darf. Glaubst du, das reißt
es raus?
Wie gesagt: Was willst du damit sagen? Die ISIS wird bereits militärisch bekämpft. Was soll da ein "Unterlassungsbescheid" vom IGH bringen?
Dein komplettes Beispiel mit dem Grundstück und ISIS ist total sinnlos. Gegen ISIS werden bereits militärische Mittel und damit die schärfste Form der Rechtsdurchsetzung (übrigens sowohl im Völkerrecht als auch innerstaatlich) eingesetzt.
Mal ganz grundsätzlich: Was in Lehrbüchern steht, interessiert nur bis zu einem gewissen Grad. Am Ende ist die Basis aller Rechtslehren die Waffengewalt, mit der das Recht im Zweifel durchgesetzt wird. Hierzulande ist's die bewaffnete Polizei.
Ja, stimmt. Wenn es morgen einen nationalsozialistischen Putsch in Deutschland gibt und die Macht in Form von Waffengewalt (wieder) bei einem NS-Regime liegt, dann kannst du das Grundgesetz und deine darin verankerten Grundrechte als Serviette benutzen. Und nun?
International hast du sowas aber nicht. Die Blauhelme greifen nur nach Willkür und Gutdünken der jeweiligen Interessenbewahrer ein.
Mag sein, dass die Rechtsdurchsetzung innerstaatlich "gleichmäßiger" erfolgt als im Völkerrecht. Trotzdem gibt es auch im Völkerrecht genügend Rechtsdurchsetzung und genügend Rechtsdurchsetzungsmechanismen um es als eigene Rechtsordnung zu qualifizieren.
Außerdem: Nicht in jedem Staat wird innerstaatlich Recht so gleichmäßig durchgesetzt wie in Deutschland. Wenn du die Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht mit innerstaatlicher Rechtsdurchsetzung vergleichen willst, dann darfst du nicht nur die deutsche innerstaatliche Rechtsdurchsetzung (die im weltweiten Vergleich äußerst gleichmäßig und stark ist) zum Vergleich heranziehen.
Wie gleichmäßig, stark und frei von Willkür ist die innerstaatliche Rechtsdurchsetzung in Burma, in Nordkorea und in vielen afrikanischen Staaten? Wie ist die Lage in China?
Nimm die durschnittliche weltweite innerstaatliche Rechtsdurchsetzung und dann vergleiche diese mit der Rechtsdurchsetzung im Völkerrecht.
Die ISIS verstößt eindeutig gegen das Völkerrecht. Nordkorea auch. Im Kongo sowieso. Und jetzt? Was passiert? Genau!
Ja, genau? Was passiert? Viel, oder? ISIS wird von mehreren Staaten militärisch bekämpft, Nordkorea ist schon lange internationalen Sanktionen ausgesetzt und im Kongo bekämpft die MONUSCO-Blauhelmmission mit Kampfauftrag (!) durch den UN-SR die dortigen Rebellen.
Aber das wusstest du alles bestimmt, nicht wahr? Aber jetzt mal ehrlich, wenn du das alles wusstest, warum führst du genau diese drei Beispiele an, in denen völkerrechtliche Rechtsdurchsetzungsmechanismen bereits angewendet werden?
Dir ist klar, dass das deine Behauptungen ad absurdum führt?
Der Iran wurde übrigens durch völkerrechtliche Sanktionen (mit UN-SR Resolutionen) dazu gebracht, eine Vereinbarung über sein Atomprogramm zu unterzeichnen. Personen die gegen Völkerstrafrecht verstoßen haben, werden vor internationale Strafgerichte wie den IStGH gestellt. Der Irak wurde durch eine vom UN-SR genehmigte Militäraktion aus dem von ihm überfallenen Kuwait vertrieben. Truppen der Vereinten Nationen haben im Koreakrieg Südkorea vor einer Übernahme durch Nordkorea geschützt. Russland wurde nach seiner Besetzung der Krim von anderen Staaten mit Wirtschaftssanktionen belegt. Ich kann dir noch dutzende andere Beispiele für völkerrechtliche Rechtsdurchsetzung liefern.
Und nochmal: Selbst wenn das KRD nach Völkerrechtslehre ein souveräner Staat geworden wäre und selbst wenn meinetwegen Irland es anerkennt. Was juckt's die BRD? Kommt die Polizei und stürmt wieder, erscheinen keine Blauhelme am Himmel, um die Rettungstruppe für den Bezopften zu spielen.
Wenn das KRD nach Völkerrechtslehre ein souveräner Staat geworden
wäre, dann
würde Deutschland das wohl aller Wahrscheinlichkeit nach erkennen. Und wenn Deutschland dies erkennen
würde dann
würde sich Deutschland auch aller Wahrscheinlichkeit nach an das Völkerrecht halten und die Souveräniät und territoriale Integrität des KRD achten.
Oder meinst du, dass Deutschland einen souveränen Staat überfallen würde? Deutschland ist einer der Staaten, denen es besonders wichtig ist, sich an das Völkerrecht zu halten.
Und jetzt noch ein bisschen Offtopic: Ein Recht taugt nur so viel, wie es in der Lage ist, jemanden, der nicht mitspielen will, zu zwingen. Das Strafgesetzbuch taugt, weil jemand, der Eigentum einfach nicht achten will und sich immer im Supermarkt kostenlos bedient, über kurz oder lang im Bau landet. Das Völkerrecht taugt genau deswegen nicht für zwei Pfennig.
Ach, jetzt lach ich mich aber wirklich kaputt.
Dann leg doch für die innerstaatliche Rechtsdurchsetzung die selben Maßstäbe an: Wie viele Straftaten werden jedes Jahr in Deutschland begangen? Wieviele davon aufgeklärt? Wenn das Recht in Deutschland innerstaatlich so großartig durchgesetzt wird, wie kann es dann sein dass jedes Jahr weiterhin viele Straftaten geschehen, auch schwere Straftaten, wie Mord? Jedes Jahr werden Menschen in Deutschland ermordet. Und was geschieht? Ja, Leute werden (in manchen Fällen) dafür verurteilt und eingesperrt, dennoch geschehen dann im nächsten Jahr wieder Morde. Da könnte ich jetzt behaupten, das deutsche innerstaatliche Recht "taugt nicht für zwei Pfennig".
Aber das wäre natürlich Quatsch. Denn so wie das deutsche innerstaatliche Recht eben
zum großen Teil befolgt wird, unter anderem weil es auch durchgesetzt wird, so wird auch das Völkerrecht
zum großen Teil befolgt, unter anderem weil es auch durchgesetzt wird.
Angriffskriege sind beispielsweise illegal. Ja und jetzt? Ist die Welt deswegen kriegsfrei?
Siehe oben: Mord ist in Deutschland beispielsweise illegal. Ja und jetzt? Ist Deutschland deswegen frei von Morden?
Einen Angreifer muss es ja immer geben.
Einen Mörder muss es ja immer geben.
Die zivilisierte Wert, in welcher das VR am ehesten noch in Landesgesetze überführt wird, ist sich doch über die darin beschlossenen Grundsätze eh einig. Klar soweit?
Nein, was soll daran klar sein? Das Völkerrecht sollte so weit wie es möglich ist durchgesetzt werden und nicht nur gegen Staaten die in deine Kategorie der "zivilisierten Welt" fallen (was immer du darunter verstehst).
Deutschland und andere westliche Staaten halten z.B. einige der "gezielten Tötungen" durch die USA für klar völkerrechtswidrig, während die USA die Auffassung vertritt, die Tötungen wären völkerrechtskonform. Sind nun die USA oder Deutschland und die europäischen Staaten die in dieser Sache die selbe Auffassung wie Deutschland vertreten, deiner Ansicht nach nicht Teil der "zivilisierten Welt"?