Die "Samtgemeinde Alte Markt" und ihre Chefin Ellen aus der Familie Marktl haben auf ganzer Linie gesiegt!
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Reichsbürger halten die Bundesrepublik für ein Unternehmen.
Mit ellenlangen Schreiben und Geldforderungen versuchen Reichsideologen, Gerichte lahmzulegen. Richter fühlen sich zunehmend überlastet u...
Von Jörn Wegner ›
Stendal/Halle l Mehrere Justizwachtmeister vor und im Saal, strenge Kontrollen von Kleidung und Taschen – ein solcher Aufwand wird am Landgericht Stendal nur selten gemacht. Anlass ist ein Berufungsprozess eines 20-Jährigen am gestrigen Mittwoch, der zuvor zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden war, wegen Körperverletzung.
Doch der Grund für die hohe Sicherheit ist ein anderer. Leon M., der Angeklagte, stammt aus der Reichsideologen-Szene. Seine Mutter, Ellen M. ist Vorstand der Samtgemeinde „Alte Marck“, ein Fantasiebezirk in der Provinz Sachsen im nicht mehr existierenden Königreich Preußen. Für Familie M. existiert Preußen noch immer, die moderne Bundesrepublik hingegen nicht. Während Sohn Leon im Gericht in Haft geschickt wird, beschimpft Mutter Ellen draußen Journalisten. „Sie haben ein Aktenzeichen beim Reichsgericht“, brüllt sie. Sollte sie noch einmal im „Schmierenblatt“ als „Reichsbürger“ bezeichnet werden, werde dies Folgen haben. Familie M. beruft sich auf die Zugehörigkeit zum früheren Land Preußen, eine der zahlreichen Spielarten der Reichsideologie.
Ultimatum vom „Justiz-Rath“
In den Gerichten Stendals ist Familie M. bekannt. Richter Rainer Mählenhoff hat eine ganze Akte mit Schriftstücken aus deren Umfeld. Frakturschrift und ein gekrönter Adler zieren die Schreiben an Mählenhoff. Ein Jörg Schulz, seines Zeichens „Justiz-Rath“ der „Samtgemeinde Alte Marck“, fordert den Richter auf, weitere „Belästigungen“ gegenüber Leon M. zu unterlassen. Angehängt ist ein zehnseitiges pseudojuristisches Konvolut, denn laut Reichsideologie ist Mählenhoff lediglich Angestellter eines Unternehmens namens „Amtsgericht“ und hat keinerlei hoheitliche Rechte.
Menge und Länge dieser Schriftstücke sind es, die den Richtern Sorgen bereiten, erklärt Markus Niester. Ein Richter müsse sie trotzdem lesen, schließlich könne sich Prozessrelevantes verbergen. Niester ist Landesvorsitzender des Richterbunds und arbeitet als Familienrichter in Halle. Die Sorgen seiner Kollegen mit Reichsbürgern kennt er gut.
Neben den ellenlangen Schriftstücken der Reichsideologen sind Richter und sogar Gerichtsangestellte mit horrenden Schadensersatzforderungen konfrontiert. Der Stendaler Amtsgerichtsdirektor Kay Timm archiviert die Forderungen. Anfangs habe vor allem dem nicht-juristischen Personal die gewaltigen Geldforderungen Sorgen gemacht. Timm zeigt eine solche Rechnung: 34 033 Silberunzen oder 510 495 Euro sollte ein Richter zahlen. „Solche Rechnungen bekommen alle, die ein Schriftstück unterzeichnen“, sagt Timm. Die Reichsideologen wollten einschüchtern und Richter unter Druck setzen. Timm stellt mittlerweile immer Strafanzeige. Es sei wichtig, dass konsequent gegen die „Reichsbürger“ vorgegangen werde. Anfangs hatten die Forderungen im Gericht für „eine gewisse Unruhe“ gesorgt, auch weil vor allem die Angestellten nicht wussten, wie mit den häufig offiziell ausehenden Schreiben umzugehen ist.
Reichsbürger drohen mit Tod und Schulden
„Das nervt einfach nur, das blockiert in der Arbeit“, sagt Rainer Mählenhoff. Reichsideologen hatten gedroht, ihn in ein Schuldenregister in den USA einzutragen. Die Forderungen werden über ein Inkasso-Büro in Malta eingetrieben. Diese „Malta-Masche“ ist vor einigen Wochen bekannt geworden, da auch Angela Merkel und Joachim Gauck betroffen waren. „Wir sind teilweise wie Freiwild. Die werden immer aggressiver“, sagt Mählenhoff. Einige Reichsideologen gehen im Umgang mit Richtern noch weiter: „Es gab an mehrere Kollegen die Aufforderung, etwas zu unterlassen, sonst drohe die Todesstrafe“, so Niester.
Dabei ist die Zahl der Reichsideologen, mit denen es Richter zu tun haben, gering. Timm spricht von fünf bis sechs, Niester nennt ähnliche Zahlen. Die Arbeit, die sie verursachen, stehe aber in keinem Verhältnis zu ihrer Zahl.
„Was ich mir wünsche, ist eine zentrale Anlaufstelle“, sagt Niester. Die Richter bräuchten einen qualifizierten Ansprechpartner, an den sie sich unbürokratisch wenden könnten. Wie hilflos Richter sein können, zeigte ein Vorfall in Schönebeck. Reichsideologen hatten eine Verhandlung gefilmt, die am Ende im Chaos versank. Vergeblich versuchte der Richter, Wachmänner zu rufen. „Es wird einfach mehr Wachpersonal benötigt“, sagt Rainer Mählenhoff, der auch Mitglied im Richterbund-Vorstand ist.
Noch eine persönliche Anmerkung: Bevor man seitens der Behörden so ein Mimimi veranstaltet, sollte man vielleicht bei Gewerbeanmeldungen mal genauer hinsehen. Frau Marktl hat nämlich im Jahr 2015 ein "Security"-Unternehmen angemeldet. Erst beim AG Neuruppin, dann beim AG Stendal (HR 4820). Das Impressum hat man natürlich nicht geändert.