Aus purer Bequemlichkeit und weil der Kommentar bei der Gwup erst noch freigeschaltet werden muß drück ich hier mal hemmungslos auf die C&P-Pastentube:
Da hat sich das mit dem Kurt und dem ESC also schon wieder erledigt. Das find ich schade. Denn nach der Phase „inhaltlich begründete Kritik“ steckten wir gerade erst in der Phase „Mimimi/kann gar nicht sein/Hexenjagd/wo bleibt die Meinungsfreiheit“. Das Ganze, wie gewohnt, ohne ernsthaft inhaltlich auf die Kritik einzugehen, stattdessen wurde auf die plumpe und leicht zu durchschauende Masche mit den Musikerfreunden gesetzt („alles Hetze und ich muß es wissen, is schließlich mein Kumpel“). Dabei hat Naidoofan Jan Feddersen völlig richtig festgestellt: „Wer die Kontroverse um einen ästhetisch-politischen Entwurf wie den von Naidoo scheut, hat schon verloren.“ (1)
Tja, die Kritiker haben sich nicht gescheut, von den Naidooapologeten dagegen kam bisher noch nichts Handfestes und mit dem lapidaren Rückzieher der ARD (die Diskussionen könnten dem ESC schaden) soll wohl nun die gerade erst wieder in Gang gekommene Debatte beendet werden.
Aber rufen wir uns doch mal einige Fakten in Erinnerung: am 03.10.14 taucht Xavier Naidoo in kurzen Hosen, T-Shirt und hellblauer Jacke am Reichstag auf, um auf der vom Staatendoofen Klasen mitorganisierten Veranstaltung eine Rede zu schwingen. Angeblich hat er sich vorher im Publikum getummelt, sein visueller Eindruck dürfte sich also nicht großartig von dem unterscheiden, den man bei Betrachten dieser (2) Bilder erhält. Neben allerlei wirrem Zeug verkündet er vor dieser Melange aus verstrahlten Reichsdeppen und Neonazis: „Und ich möchte auf jeden Fall, daß wir irgendwie miteinander Ordnung schaffen in diesem Land“ (3). Zwei Minuten später: „Und deswegen ist es für mich ein Traum, hier zu stehn“. Danach Gequassel von „beenden“, „das Ganze zum Sturz zu bringen“, „wenn wir uns vereinen.“ Nur um kurz darauf zu sagen: „Ich hab ich hab keine Ahnung, wer hier steht, ich ich bin nur, ich repräsentier die Liebe.“ Der Grund? Die Jungs von der Wahnmachenveranstaltung am Kanzleramt waren aufgetaucht und sichtlich angesäuert, daß Naidoo zuerst bei der Konkurrenz auf der Bühne herumturnte. Also kurz darauf nichts wie rauf auf die andere Bühne, diesmal mit Freiheit-für-Deutschland – T-Shirt und schwarzem Sakko. Vor Friedenskarnevalisten, auf deren bunten Schildern nicht nur das Peacezeichen, sondern massenhaft Man-Runen zu sehen waren.
Nach der Welle der Kritik in den Medien wegducken und über das Managment verkünden lassen: „Ich war alleine mit meinem Fahrrad und bin im Regierungsdistrikt rumgefahren.“ (4) Zwei Tage später im Interview mit dem Südwestrundfunk (5) sagt Naidoo, daß es sein Geburtstagswunsch gewesen sei, diese Veranstaltungen aufzusuchen. Er gibt auch zu, genau zu wissen, vor wem er da gesprochen hat, denn er sagt explizit „Reichsbürger“. Wieviel sind die Beteuerungen und „Distanzierungen“ eines solchen Schwindlers wert? Zumal ihn diese „Distanzierungen“ von Reichsbürgern, mit denen gemeinsam er in diesem Land „Ordnung schaffen“ will, nicht davon abhalten, den gleichen Unsinn zu quaken wie die Reichsdeppen?
Den absoluten Vogel hat aber Thomas Schreiber abgeschossen: „Diese mißverständliche Äußerung von ihm, Deutschland sei nicht frei, hat er in einem Interview mit uns folgendermaßen erklärt: damit meint er, daß in Zeiten der Globalisierung Entscheidungen nicht mehr alleine in nationalen Parlamenten getroffen werden.“ (6) Aha, deswegen fordert Naidoo „Freiheit für Deutschland“? Nehmen wir diese fadenscheinige Ausrede doch mal für voll. Daß Staaten an bi- und multilaterale Vereinbarungen gebunden sind und dadurch nicht einfach machen können, was sie wollen, ist also eine berechtigte Zielscheibe für „Systemkritik“? Seriously? Da klingeln bei Schreiber keine Alarmglocken? Also nichts wie raus aus dem 2+4 Vertrag, der u.A. die Grenzfragen zu Polen ein für allemal regelt. Ist ja schließlich für den Frieden. Raus aus sämtlichen UNO-Konventionen. Wenn wir erst mal so richtig souverän sind bzw. „echte“ Freiheit haben, dann bestimmen wir, was Menschenrechte sind und für wen sie gelten. Das haben wir super drauf und die Gleise haben schon viel zu lange Rost angesetzt. Bei dem Chefclown der ARD herrscht wohl eine ähnlich gähnende Leere im Küchenschrank wie bei Naidoo.
Übrigens, mit diesem Gequassel entlarvt Naidoo sein Rumgebarme ob des angeblich fehlenden Friedensvertrages höchstselbst als hohle Phrase und Dummenfängerei.
Die Diskussion muß also weitergehen, und die Kritik darf auch vor denen, die in den „alles Hetze“-Chor einstimmen, nicht haltmachen. Zumindest dann nicht, wenn sie ihre Vorwürfe nicht substanziell belegen und sich inhaltlich mit der konkreten Kritik an Naidoo auseinandersetzen.
Abschließend bleibt noch zu klären, wie die ARD auf die irre Idee verfallen konnte, Rundfunkgebühren zu verbraten, indem sie einem Multimillionär eine Werbeshow sponsert, in der er mal eben sechs neue Songs vorstellen darf. (Besonders abstoßendes Detail am Rande: für den Reichsdeppenklamauk sollte der Nachwuchs an den Kunsthochschulen eingespannt werden.(7))
(1)
https://www.taz.de/Pro-und-Contra-ESC-mit-Naidoo/!5249923/ (2)
https://www.flickr.com/photos/soerenkohlhuber/sets/72157647918200280/(3)
https://www.youtube.com/watch?v=LVx4tBdsu08 ab 2:44
(4)
http://www.berliner-zeitung.de/musik/wirbel-um-deutschen-popstar-xavier-naidoo-sucht-den-rechten-weg,10809182,28702522,item,1.html(5)
https://www.youtube.com/watch?v=uH_hXAgJf2U(6)
http://www.deutschlandradiokultur.de/auswahl-von-xavier-naidoo-thomas-schreiber-verteidigt-esc.2156.de.html?dram:article_id=337450(7)
https://www.eurovision.de/feddersens_kommentar/Xavier-Naidoo-tritt-beim-ESC-an,naidoo288.html (etwa in der Mitte des Artikels, unter der Teilüberschrift „Es wird kunstvolle Bühneninszenierungen geben“)