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Der Verkauf zwischen einem Architekten und einem Vermittler des "Königs" Fitzek ist laut Verfassungsschutz besiegelt. Die Gemeinde steuert mit der Stadt Freiberg dagegen - und legt einen Plan vor.
Halsbrücke. Fast zwei Stunden mussten die knapp 30 Zuhörer warten, bis sie es erfuhren: Das Kanzleilehngut Halsbrücke ist verkauft. "Am 31. Mai wurde bei einem Notar in Hannover der Vertrag geschlossen. Käufer ist eine Person, die dem sogenannten Königreich Deutschland nahesteht", erklärte Dr. Dirk Belling, Abteilungsleiter im Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, am Donnerstagabend in der Bürgerfragestunde der Gemeinderatssitzung in Halsbrücke.
Für den demnach mehrere Millionen Euro betragenden Kaufpreis sei Ratenzahlung über zwei Jahre vereinbart worden. Den Kaufpreis zu erwirtschaften, sei "sicher nicht mit Käse möglich", so der Verfassungsschützer. Zum Landwirtschaftsbetrieb Kanzleilehngut gehört auch eine Käserei.
Vor aktueller Entwicklung gewarnt
Damit war ausgesprochen, was den gesamten Abend als Frage im Raum stand - auch wenn Bürgermeister Andreas Beger (CDU) mehrfach erklärte, von einem Verkauf und einem Käufer "bis dato keine verlässliche Kenntnis" zu haben. Beger beantwortete zugleich Fragen, die knapp zehn besorgte Einwohner ihm schriftlich gestellt hatten. So sei keine Gewerbeanmeldung erfolgt, für das Gutsensemble seien Fördermittel über Leader geflossen, ob Steuern gezahlt würden, unterliege dem Steuergeheimnis.
Der Verfassungsschutz habe frühzeitig auf die Entwicklung aufmerksam gemacht und vor Fitzeks Landnahme-Vorhaben in Sachsen gewarnt, so der Behördenvertreter. Sogenannte "Gemeinwohldörfer" wolle er errichten, in denen es Mitgliedern des "Königreichs" künftig möglich sein soll "von der eigenen Scholle zu leben". Abgeschottet von der durch den Verein abgelehnten Bundesrepublik Deutschland sollen sie dort wohnen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Belling sprach von "sektenähnlichen Gemeinschaften und Extremisten". "Fitzek hält sich nicht an Gesetze, das besagen Erfahrungen in Wolfsgrün bei Eibenstock und Bärwalde", erklärte er.
Landwirtschaftsbetrieb abgemeldet
Die von dem gelernten Koch und selbst ernannten "König des Königreichs Deutschland" Peter Fitzek (57) aus Sachsen-Anhalt gegründete Vereinigung hat mit dem Schloss Bärwalde in Ostsachsen und der Fabrikantenvilla Bretschneider im erzgebirgischen Wolfsgrün bereits zwei herrschaftliche Gebäude erworben. Nun wurde der Kauf des Kanzleilehngutes Halsbrücke, einem bisher bio-zertifizierten Landwirtschaftsbetrieb mit Hofladen, besiegelt. Dazu gehören Ländereien von einem Quadratkilometer.
Das teils denkmalgeschützte Ensemble wurde vom Dresdner Architektenbüro Fischer und Werner als Referenzobjekt gepriesen. Deren Chef Torsten Fischer firmierte selbst auch als Chef des Betriebes. Im März dieses Jahres hatte er ihn bei der Gemeinde abgemeldet - aus wirtschaftlichen Gründen, wie Bürgermeister Andreas Beger (CDU) sagt. Eine Neuanmeldung liege nicht vor.
Gemeinde und Stadt Freiberg in einem Boot
Die Gemeinde Halsbrücke versucht nun, zusammen mit der Stadt Freiberg der aktuellen Entwicklung um das Kanzleilehngut gegenzusteuern. Der Gemeinderat beschloss am Donnerstag mehrheitlich, einen Bebauungsplan für ein Interkommunales Schulungszentrum für Natur und Umwelt aufzustellen. Das Plangebiet umfasst auf etwa 23,5 Hektar den baulichen Bestand des Gutes sowie umliegende Kernbereiche. Die landwirtschaftlichen Flächen sind nicht einbezogen. Zudem gibt es, wie Beger erklärte, bereits seit 2020/21 Vorplanungen und ein Konzept für ein Interkommunales Zentrum mit Freiberg als unmittelbarer Gebietsnachbar. Im Bebauungsplan sollen ein Sondergebiet für das Errichten des Schulungszentrums, für ein allgemeines Wohngebiet für ein Mehrgenerationenprojekt, Verkehrs-, Wasser-, Grünflächen, Wald und Landwirtschaft ausgewiesen werden. Für den Eingriff in die Natur werden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geplant. Um die Bebauungsplanung zu sichern, belegt der Gemeinderat das Gebiet mit einer Veränderungssperre. "Damit sind genehmigungspflichtige Änderungen verboten. Der Besitzer kann zum Erhalt und der Bewirtschaftung tätig sein", erklärte der Bürgermeister.
Gemeinde prüft bestimmte Rechte
Die Gemeinde will nun für die Einwohner eine Informationsveranstaltung organisieren, um zum Thema aufzuklären.
Bislang ist im Rathaus Halsbrücke kein Kaufvertrag zum Kanzleilehngut eingegangen, auch ein Kaufpreis ist nicht bekannt, hieß es am Freitag auf "Freie Presse"-Nachfrage. Dennoch: Die Gemeinde prüft die Bedingungen für ein Vorkaufsrecht, das in diesem besonderen Fall besteht, wie der Bürgermeister sagt. Liegt ein Vertrag vor, muss innerhalb von zwei Monaten entschieden werden. (ar/eu)
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Von der Bundesrepublik unabhängiges Wirtschaften verspricht sich der Kopf des Fantasiestaats "Königreich Deutschland" von seiner Übernahme des Kanzleilehnguts.
Halsbrücke. In einem Werbevideo für seinen Fantasiestaat "Königreich Deutschland" (KRD) präsentiert der gelernte Koch und selbst ernannte "König" Peter Fitzek (57) im Internet "das erste professionelle Autarkie-Projekt" seines Königreichvereins. 121 Hektar, also mehr als einen Quadratkilometer, umfasst der Agrarbetrieb samt Ländereien, den Fitzek mit dem Kanzleilehngut Halsbrücke von dessen bisherigem Eigner, dem Dresdner Architekten Torsten Fischer, übernehmen will.
Nachdem Fitzeks Verein erst im Vorjahr mit dem Schloss Bärwalde in Ostsachsen und der Fabrikantenvilla Bretschneider im erzgebirgischen Wolfsgrün zwei herrschaftliche Immobilien in Sachsen erwarb, ist das Kanzleilehngut Halsbrücke nun sein drittes Objekt. Zugleich ist es das Erste, das einen bis zuletzt produzierenden Betrieb bietet.
Eigener Steinbruch soll unabhängiges Bauen möglich machen
Das rund 20-minütige Video zeigt den aus Sachsen-Anhalt stammenden "König" und eine Delegation seines "Reichs" bei einer Art Antritts- und Inspektionsbesuch auf dem bei Freiberg gelegenen Ökohof. Mit elf Mitarbeitern stellte der bisher biozertifiziert landwirtschaftliche Produkte her. Eine Schweinezucht gibt es. Milchkühe werden gehalten. Dazu gehört eine Schaukäserei. Und ein eigener Steinbruch liefert Baumaterial. Laut Fitzek passt alles genau zum Gedanken für ein autarkes, also unabhängig von anderen sich selbst versorgendes Wirtschaften jener "Gemeinwohldörfer", die er in Sachsen errichten will.
Sachsens Verfassungsschutzpräsident Dirk-Martin Christian hatte vor einem Jahr vor Fitzeks Landnahme-Vorhaben in Sachsen gewarnt. Die "Gemeinwohldörfer" beschreibt Christian als "sektenähnliche Siedlungsgemeinschaften", in denen Mitgliedern des "Königreichs" perspektivisch "weitgehende Selbstversorgung" möglich sein soll und in denen sie abgeschottet von der durch den Verein abgelehnten Bundesrepublik Deutschland leben und arbeiten sollen.
Mit Charisma zu einer "sektiererischen Gemeinschaft"
Fitzek verfüge über "eine charismatische Ausstrahlung, dank derer es ihm gelungen ist, eine sektiererische Gemeinschaft aufzubauen und immer wieder Menschen mit seinen Heilsversprechungen so einzunehmen, dass sie unentgeltlich etwa an den Renovierungen von KRD-Objekten mitarbeiten oder für die angebotenen Seminare teils mehrere Hundert Euro aufwenden". So hält es das Bundesamt für Verfassungsschutz in einem Dossier zu der mit nach eigenen Angaben 5000 Anhängern stärksten Reichsbürgergruppierung fest. Zum "Staatsvolk", in das man sich in der Regel einkaufen muss, zählen indes nur etwas über 700 Menschen.
Bundesverfassungsschutz warnt Anhänger vor finanziellen Schäden
Fitzek gelinge es, "Anhänger seines Fantasiestaats dazu zu bringen, erhebliche Geldbeträge zu spenden". Er suggeriere Anhängern "fälschlicherweise", sie könnten sich durch einen "Übertritt" zum "Königreich" der Geltung deutscher Gesetze entziehen, sich unter anderem von der Steuerpflicht befreien, beschreibt der Bundesverfassungsschutz und warnt: "Anhänger des KRD riskieren große finanzielle Schäden, da das KRD nach eigenen Angaben keinen Rückzahlungsanspruch und keine Möglichkeit zum Rücktausch" eingezahlter Beträge einräumt. Trotzdem erhalte das KRD von Anhängern immer wieder Großspenden in bis zu fünfstelliger Höhe wie auch Vermögenswerte.
"König" will Lehngut-Mitarbeiter übernehmen
Auf Anfrage über die telefonische Kontaktzentrale des KRD sagt KRD-Mitwirkende Louisa, Mitarbeiter des Halsbrücker Oköhofs hätten die Möglichkeit einer Übernahme und Weiterbeschäftigung. Dass sie "Staatsangehörige" würden, sei keine Voraussetzung dafür. "Das bleibt Ihnen überlassen. Allerdings müssen sie sich schon mit dem Königreich auseinandersetzen und wissen, bei wem sie arbeiten", sagt die KRD-Frau. Laut Bundesverfassungsschutz unterscheidet das KRD zwischen "Staatszu-" und "Staatsangehörigkeit". Während das erste einer kostenlosen Mitgliedschaft in einem Verein ähnelt, gehe letzteres "mit erheblichen Kosten" sowie einer Prüfung einher.
Thema im nächsten Gemeinderat
Vom Besiegeln des Verkaufs von Architekt Torsten Fischer an Fitzeks Verein habe er noch keine Kenntnis, sagt der Halsbrücker Bürgermeister Andreas Beger (CDU) auf Anfrage. Am Donnerstag werde das Lehngut Thema im Gemeinderat sein.