Nomos-HK/Carsten Momsen zu § 258 StGB, Rn 17
Umstr. ist, ob die Zahlung einer Geldstrafe für einen anderen § 258 erfüllt. Wegen der Möglichkeit, diese Bezahlung durch nahezu unkontrollierbare Formen – zB durch Darlehen und späteren Verzicht auf Rückzahlung – zu umgehen, wird v. der Rspr. keine Strafvereitelung angenommen, wenn ein Dritter die Geldstrafe für den Verurteilten zahlt
Dit versteh ich einfacher Mensch nicht. Weil man etwas umgehen kann, wird es auch dann nicht verfolgt, wenn es klar zutage tritt? Lustig ist, dass es Strafvereitelung ist, wenn ein Dritter unter Vortäuschung der Identität des Verurteilten die Strafe an den Staat leistet (BGHSt. 37, 226). Ist doch auch zu umgehen, indem man eben nicht die Identität vortäuscht. Trotzdem wurde hier bestraft.
MüKo-StGB/Cramer schreibt dazu, Rn 34 f.
Ebenso wie die Strafverfolgungsvereitelung setzt auch die Strafvollstreckungsvereitelung den vollständigen oder teilweisen Eintritt eines Vereitelungserfolgs voraus. Das bedeutet, dass die mit der strafrechtlichen Verurteilung beabsichtigten und nach Maßgabe des anzuwendenden Vollstreckungs- und Vollzugsrechts zu verwirklichenden Strafzwecke im Ergebnis (ganz oder teilweise) vereitelt sein müssen. (... dann zu missbräuchlichen Vollzugslockerungen ...) Auch insoweit ist aber entscheidend, ob die mit der Verurteilung vorausgesetzte Strafzweckerfüllung durch die gewährten Vollzugslockerungen nachhaltig gefährdet oder verletzt wird.
Entsprechend vereitelt die Bezahlung einer Geldstrafe für einen anderen die Vollstreckung nicht, zur Fussnote 182 wohl aber die Verbüßung einer Freiheitsstrafe anstelle des rechtskräftig Verurteilten. zur Fussnote 183 Der tatbestandsrelevante Unterschied zwischen beidem liegt zunächst darin, dass sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe (unabhängig von der Höchstpersönlichkeit des Entstehungsgrunds der zur Verurteilung gelangten Schuld) auf eine vertretbare Sache bezieht, während die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe auf eine Beschränkung des höchstpersönlichen und daher nicht übertragbaren Rechts auf persönliche Freiheit abzielt. Zudem lässt sich die konkret personenbezogene Vollstreckungswirkung der Geldstrafe mit der strafgerichtlichen Verurteilung prinzipiell nicht vorherbestimmen. Das zeigt sich schon daran, dass der Tagessatz (ungeachtet des möglichen höheren Nettoeinkommens) gesetzlich der Höhe nach begrenzt ist (§ 40 Abs. 2) und sich die für die Bestimmung des konkreten Tagessatzes maßgeblichen Umstände, insbesondere das Nettoeinkommen im Zeitraum zwischen dem rechtskräftigen Urteil und dessen Vollstreckung (etwa infolge einer zwischenzeitlich erlangten Gehaltserhöhung oder infolge der Übernahme der Geldstrafe durch den Arbeitgeber) zugunsten des Verurteilten ändern können, ohne dass deshalb die rechtskräftig verhängte Geldstrafe zum Nachteil des Verurteilten nachträglich angehoben werden dürfte (§ 363 Abs. 1 StPO). Auf die personenbezogene Vollstreckungswirkung der Geldstrafe kann sich das vom Tatbestand der Strafvereitelung geschützte Rechtsgut folglich nicht beziehen. Bei der Freiheitsstrafe ist dies hingegen anders. Mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe wird nicht zuletzt dem in der Person des Verurteilten begründeten konkreten Sicherungsbedürfnis Rechnung getragen.
(Hervorhebung von mir)
Ich lese da heraus, dass die persönliche Betroffenheit bei einer Geldstrafe also nicht immer gewährleistet werden kann, und daher die Einwirkung auf die Person bei einer Geldstrafe nicht durch die Strafbarkeit der Strafvereitelung geschützt sei.
Aber in den Querdenkerkreisen (nicht nur, ähnliches gibt's auch bei der Erschleichung von Beförderungsdienstleistungen) sind mittlerweile "Spendenaufrufe" in öffentlichen Netzen an der Tagesordnung. Hier tritt völlig offen zutage, dass die "Spender" die Verhängung der Strafe missbilligen, der Rechtsordnung feindselig gegenüberstehen.
Es geht in diesem Kontext gar nicht mehr darum, ob der in diesem Fall verurteilte Täter durch die Strafwirkung betroffen wird, es geht im Grunde darum, die generalpräventive Funktion der Strafvorschrift auszuhebeln, weil die Rechtsordnung als falsch angesehen wird.MüKo/Cramer sieht das als einen der Zwecke des § 258, Nomos/Momsen äußert sich dazu insofern, als dass er die Strafrechtspflege insgesamt als geschützes Rechtsgut sieht, ebenso BeckOK/Ruhmannseder. Dort wird die Frage, ob die Zahlung einer Geldstrafe durch Dritte den Tatbestand erfüllt, als strittig bezeichnet (Rn. 36), aufgeführt wird insbesondere das BGH-Urteil vom 07.11.1990 - 2 StR 439/90 = BGHSt 37, 226
Dort:
II. Die Bezahlung einer Geldstrafe - unmittelbar oder mittelbar - aus dem Vermögen eines Dritten erfüllt nicht den Tatbestand der Strafvereitelung.
1. Nach Rechtskraft des Urteils haben die staatlichen Vollstreckungsorgane dafür Sorge zu tragen, daß der richterliche Urteilsspruch durchgesetzt wird, daß der Verurteilte die ihm auferlegte Verpflichtung erfüllt. Bei einer Verurteilung zu Freiheitsstrafe ist der Verurteilte verpflichtet, die (zeitweise) Entziehung eines höchstpersönlichen, unübertragbaren Rechts, des Rechts auf persönliche Freiheit, hinzunehmen.
Wurde der Angekl. zu einer Geldstrafe verurteilt, so hat er einen bestimmten Geldbetrag - eine vertretbare Sache - an die Gerichtskasse zu zahlen.
Die Vollstreckungsbehörden haben die Freiheitsentziehung oder die Zahlung der Geldstrafe durchzusetzen. Nicht mit Vollstreckungsmaßnahmen durchsetzbar ist hingegen die weitgehend vom Willen des Verurteilten abhängige “persönliche Betroffenheit". Sie ist nicht vollstreckbar und deshalb nicht Angriffsobjekt der Strafvereitelung.
Aus diesem Grunde begeht Vollstreckungsvereitelung nur, wer durch Störung der äußeren Abläufe (Übernahme oder Überstellung des Verurteilten in den Vollzug, Beitreibung von Geldstrafen) bewirkt, daß eine gegen einen anderen verhängte Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil mindestens für geraume Zeit nicht verwirklicht werden kann.
Ein Dritter, der - ohne in den äußeren Ablauf der Vollstreckung einzugreifen - nur dazu beiträgt, daß der Verurteilte von der Strafe nicht oder weniger “persönlich betroffen" ist, vereitelt den staatlichen Strafanspruch nicht.
2. Diejenigen, die einen Eingriff annehmen und ihre Annahme auf Strafzweckerwägungen stützen, müssen sich zwei durchgreifende Einwände entgegenhalten lassen:
a) Die Auslegung einer strafrechtlichen Norm findet ihre Grenze im möglichen Wortsinn. Jenseits dieser Grenze beginnt die Analogie, die nur zugunsten eines Beschuldigten zulässig ist. Das folgt aus dem Gesetzlichkeitsprinzip (Art. GG Artikel 103 GG Artikel 103 Absatz II GG; § STGB § 1 StGB). Es verlangt Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit der Strafdrohung durch den sich am Wortlaut und seinem möglichen Sinn orientierenden Normadressaten (vgl. BVerfGE 25, BVERFGE Jahr 25 Seite 269, BVERFGE Jahr 25 Seite 285; 47, BVERFGE Jahr 47 Seite 109, BVERFGE Jahr 47 Seite 120 ff.; 64, 389, 393; 71, 109, 115). Nichts im Wortlaut des § STGB § 258 STGB § 258 Absatz II StGB deutet an, daß derjenige die Vollstreckung einer Geldstrafe vereitelt, der, ohne in den äußeren Vollstreckungsvorgang einzugreifen, dafür sorgt, daß die Strafe bezahlt wird, auch wenn es dabei nicht zu einer Beeinträchtigung (Vermögensminderung) des Verurteilten kommt.
Eine Einschränkung des Gesetzlichkeitsprinzips auf Grund der Rechtsprechung kommt nicht in Frage. Eine eindeutige, in vielen Entscheidungen gefestigte Judikatur, die dahin ginge, daß § STGB § 258 STGB § 258 Absatz II StGB die Bezahlung von Geldstrafen durch Dritte mit Strafe bedrohe, besteht nicht.
b) Das Argument, die Bezahlung einer Geldstrafe durch einen Dritten laufe den Strafzwecken zuwider, wird von denen, die es gebrauchen, unterschiedlich angewandt. Die vorgenommenen Differenzierungen (vgl. B I. 1. und 2.) sind aber nicht billigenswert. Gemessen an den mit der Bestrafung verfolgten Zwecken macht es keinen Unterschied, ob ein Dritter eine Geldstrafe sogleich bezahlt, sie dem Verurteilten später erstattet oder ob er ein Darlehen gewährt, dessen Rückzahlung er erläßt. Eine Interpretation, die das eine erlauben und das andere verbieten will, läuft auf eine “Privilegierung von Komödien” (Engels aaO) hinaus. Sie trifft nur den ungeschickten Täter, der es unterläßt oder nicht versteht, seine Zuwendung an den Verurteilten so zu etikettieren, daß sie nicht als tatbestandsmäßige Handlung erscheint, obwohl sie der Sache nach Abwendung der unmittelbar fühlbaren Auswirkungen des Strafübels vom Verurteilten ist.
Das - von einer Mindermeinung vertretene - Verbot jedweder Zuwendung an den zu einer Geldstrafe Verurteilten, die den Strafzweck verteiteln könnte, also auch das Verbot von Schenkungen nach der Bezahlung einer Geldstrafe, würde in einer nicht mehr tragbaren Weise in private Beziehungen eingreifen und die Gefahr begründen, daß sozial adäquates Verhalten unter Strafe gestellt wird.
Auch diese Entscheidung betrifft die spezielle Fallgruppe bei den Querdenkern nicht, weil hier die Wirkung aufgrund der weiten öffentlichen Verbreitung der "Spendenaufrufe" und der Regelmäßigkeit darin liegt, dass Nachahmungstäter sich geschützt fühlen, und genau das wird von den "Spendern" auch beabsichtigt. Es geht eben nicht nur um die Störung der persönlichen Betroffenheit. Auch das Argument, dass man es der geschickte Täter leicht umgehen könne, trifft eben nicht zu - der Mechanismus mit den Spendenaufrufen klappt nur mit Streuung in eine breite Öffentlichkeit, und das lässt sich überwachen. Bezüglich des Analogieverbots scheint das äußerst strittig zu sein, siehe z.B. den Kommentar von Wodicka in NStZ 1991, 486, 487:
Soll die generalpräventive Wirkung der Strafdrohung nicht ihre Funktion zur Fussnote 18 und die Geldstrafe nicht ihren Sinn zur Fussnote 19 verlieren, so muß die Drittzahlung einer Geldstrafe als strafbar angesehen werden, wenn der uneigennützige, rein private Bereich überschritten ist, in dem aufgrund der generellen Vertretbarkeit des Geldes und der Grenze der Zumutbarkeit eine Vereitelung des spezialpräventiven Strafzwecks hingenommen werden muß.