Denn Hildmann hatte über Telegram geschrieben: „Für Beck würde ich als zukünftiger Reichskanzler wieder die Todesstrafe durch Eier-Treten auf öffentlichem Platz einführen.“
(...)
Hildmann wiederholte seinen Spruch über Volker Beck und fragte: „Und wer würde mittreten wollen?“ Rund 150 Teilnehmer johlten. Und er erklärte: „Hitler war ein Segen im Vergleich zur Kommunistin Merkel“, denn sie plane einen globalen Völkermord.
https://www.tagesspiegel.de/berlin/wer-stoppt-attila-hildmann-staatsanwaltschaft-sieht-keine-handhabe-gegen-rechten-hetzer/26018402.html
Soweit zu dem, was eine Staatsanwaltschaft vielleicht ermitteln und ein Gericht vielleicht feststellen könnte.
Dieses
jetzt doch
ist mir unklar.
Nach einer einzigen Anzeige ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet zu ermitteln.
Da gegen den Avocadolf mehrere Strafanzeigen gestellt wurde, stellt dich die Frage eigentlich gar nicht.
Das "jetzt doch" ist dahingehend zu verstehen, dass die Ermittlungen schon und noch laufen. Es sollte gerade in diesem illustren Forum hinlänglich bekannt sein, dass man die Staatsanwaltschaft zuweilen zum Jagen tragen muss; soviel zum "schon". Und über das zuweilen fragwürdige Verhältnis von Staatsanwaltschaften (und Juristen allgemein) zum Konjunktiv und damit verbundener hoher Einstellungsquote wurde hier auch hinlänglich diskutiert; soviel zum "noch".
Auch Herr von Notz glaubte ja, gestern schleppende Ermittlungen anprangern zu sollen.
Obwohl ihm als Juristen eigentlich klar sein sollte, daß alles seine Zeit braucht.
Nun, ja.
Was braucht die Ermittlung denn da an Zeit? Da gilt es ein oder zwei YouTube-Videos zu finden und herunterzuladen. Die Anklageschrift kann man nebenbei schreiben (oder einfach ohne Anklage vor Gericht ziehen, fände ich in diesem Falle aber nicht so gut). Es gibt hier kaum Tatsachenprobleme, die Taten selbst dürften hinreichend belegbar sein.
Entweder erwartet Herr von Notz Schnellgerichte.
Na, ich hoffe nicht, denn ein Schnellgericht würde dem Fall nicht gerecht.
@DinoVolare Wir haben sowas auch noch. Keine Angst. Der Staat ist mächtig und manchmal mahlen auch die Mühlen der Justiz recht behende. In diesem Falle wäre das aber zu mild.
Aber zuvor ein bisschen materielles Strafrecht:
Hildmann wiederholte seinen Spruch über Volker Beck und fragte: „Und wer würde mittreten wollen?“
Da würde ich mal abwarten, ob hier nicht doch §111 in Stellung gebracht wird. Denn es gibt durchaus vergleichbare Fälle in denen solche Aufrufe bestraft worden sind.
Durchaus, verehrter Kollege, durchaus. Wobei ich nicht unbedingt auf den § 111 StGB tippe.
Aber der Reihe nach. Wir haben ja, siehe oben, drei möglicherweise kriminelle Aussagen:
- Eier zetreten!
- Wer würde mittreten?
- Hitler ein Segen
Kern der ersten (beiden) Aussage(n) ist, dass er findet, dass jemand zu Tode gefoltert werden solle. Das hat er inzwischen mehrfach wiederholt und bekräftigt; der Konjunktiv ist da ein Feigenblatt. Er hat auch die Person benannt und auch die Foltermethode. Das ganze dann besonders erniedrigend, weil öffentlich.
Da könnte man ja schon an eine
Bedrohung nach § 241 StGB denken. Aber gut, da sagt unser
@Gerichtsreporter (und der muss es wissen), dass es dazu einer gewissen Ernsthaftigkeit bedarf und ernst nimmt man den Rohkoströhm wohl schon eine Weile nicht mehr. Aufgrund des gleichen Arguments dürfte auch eine Strafbarkeit aufgrund von
Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten nach § 126 StGB (weil es später wichtig wird: § 126 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 u. 2 i.V.m. 211, 212 StGB; als Mordmerkmal behaupte ich mindestens Grausamkeit) entfallen. Zwar ist das Schutzgut hier der öffentliche Friede, anhand des Strafrahmens sieht man aber, dass das wohl eher als (strafschärfende) Qualifizierung des § 241 StGB behandelt werden dürfte, als als Tatbestand gänzlich eigenen Inhalts. Ich habe aber von Strafrecht bekanntermaßen nicht viel Ahnung und auch nicht in ein schlaues Buch geguckt; das ist so aus der Hüfte geschossen.
Nun aber zum Kollegen
@BlueOcean und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten. Opfer und Begehungsweise haben wir schonmal. Einen Zeitpunkt brauchen wir nicht (es gibt aber einzelne Oberlandesgerichte, die das anders sehen). Jedoch stellt § 111 StGB die "Aufforderung" unter Strafe. Der Salatstreicher kündigt aber eine eigene Tat an. Klar, er drückt damit aus, dass er findet, dass das jemand tun sollte. Er will es aber selber tun und fordert niemanden dazu auf. Das muss man hier tatsächlich eng auslegen, zwischen "Auffordern" und "Befürworten" macht das StGB tatsächlich einen Unterschied, wie man am (inzwischen aufgehobenen)
§ 88a StGB alter Fassung erkennen kann. Der ist übrigens am 1. Mai 1976 in Kraft getreten, weswegen ich den ganz leisen Verdacht hege, dass man damit RAF-Pamphlete inkriminieren wollte. Soviel zum politischen Strafrecht der Bundesrepublik. Der Pastinakenpicker (ich hatte auch -pohl erwogen, aber so ist's subtiler
) ist halt kein Linker, insofern wird es meiner Einschätzung nach auch mit dem § 111 StGB eher nichts.
Aber da wäre dann noch die
Anleitung zu Straftaten gemäß § 130a StGB und die sieht so vielversprechend aus, dass ich da mal was rüberkopiere:
(2) [Es] wird bestraft, wer [...] 2. öffentlich oder in einer Versammlung zu einer in § 126 Abs. 1 genannten rechtswidrigen Tat eine Anleitung gibt, um die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen.
Nochmal: 1.: Eier zertreten bis das namentlich individualisierte Opfer tot ist. § 130a StGB verlagert die Strafbarkeit so weit ins Vorfeld, dass es keinen konkreten Tatzeitpunkt benötigt, es reicht, dass die
Begehungsweise soweit nachvollziehbar beschrieben ist, dass man das tatsächlich durchführen kann. Dazu muss dann treten, dass die Äußerung in der zielgerichteten Absicht erfolgen muss, die Bereitschaft anderer zu wecken oder zu fördern, genau das zu tun.
Ich lasse das einfach mal so im Raume stehen.
Wenn nun aber noch immer jemand mit dem Konjunktiv kommt und damit, dass das ja nicht ernst zu nehmen sei: Was jedenfalls ernst zu nehmen ist, ist die Aussage, der besagte Politiker habe diesen grausamen und erniedrigenden Tod verdient. Ich finde, dass damit schon eine gewisse Missachtung dieser Person verbunden ist, die auch öffentlich kundgetan wurde. Kundgabe persönlicher Missachtung aber ist eine recht knackige Definition des (himmelschreiend unbestimmten!) Tatbestands der
Beleidigung nach § 185 StGB.
Wenn sich also in Cottbus ein Staatsanwalt findet, der ein bisschen Motivation mitbringt und sich noch an sein Studium erinnert (für Strafrechtsklausuren gilt unter vielen Studierenden, wenn sie nicht mehr weiter wissen, die Formel: "Das Schwein soll rein!"), dann könnte der schon eine Anklage zimmern, die nicht völlig aussichtslos am Zwischenverfahren scheitert.
Aber damit haben wir den Vorwurf der Langsamkeit noch nicht aus der Welt. Und ich muss noch das mit den Schnellgerichten klären, und das ganz ohne Witze über das Convenientfood vom Brennesselbrüher.
Es gibt in Deutschland dank
§ 417 ff. StPO das sogenannte beschleunigte Verfahren, das sogar ohne Anklageschrift (mündliche Anklage!) zulässig ist, "wenn die Sache auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet ist." Sachverhalt bedeutet hier: "Das, was in der Realität passiert ist"; die rechtliche Wertung und Problematik (vgl. umfassend oben) ist dabei gerade nicht umfasst und ein Problem des Richters. Der hat dafür mindestens zweimal Examen geschrieben, das muss er können.
Entscheidend ist, dass der Tatnachweis besonders einfach und simpel ist. Wenn die Staatsanwaltschaft Videoaufnahmen von der inkriminierten Äußerung hat, kann sie sofort loslegen. Es gibt hier nichtmal ein Zwischenverfahren, an dem die Sache scheitern könnte (okay, der Richter kann in der Hauptverhandlung unanfechtbar sagen, dass es ein normales Verfahren gibt). Innerhalb von sechs Wochen gibt es dann einen Termin am Amtsgericht und wenn die gerade Zeit haben, geht das auch schneller: Die Ladungsfrist beträgt nur (mindestens) 24 Stunden.
Das hat z.B. in Sachsen (sic!) nach Chemnitz recht gut gegen die ganzen durch steife rechte Arme (sic!) hervorgerufenen Verfahren geholfen. Könnte man also machen, wenn man wollte.
Ich fände das aber nicht gut. Denn: "Eine höhere Freiheitsstrafe als Freiheitsstrafe von einem Jahr oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung darf in diesem Verfahren nicht verhängt werden",
§ 419 Abs. 1 S. 2 StPO. Und wenn ich es auch für sehr, sehr unwahrscheinlich halte, dass in seinem ersten Verfahren mehr herauskommt, als ein paar Monate (<12) auf Bewährung, so würde ich ihm die Möglichkeit eines hart durchgreifenden Strafrichters, der ihn für länger einfahren lässt, durchaus gönnen. Auf der anderen Seite kann man natürlich argumentieren, dass auch ein paar Monate auf Bewährung ein angemessener Warnschuss wäre, der ihn vielleicht etwas abkühlt. Und wenn nicht, hat man die ganze Vollstreckung der Strafe Zeit, ein weiteres Verfahren vorzubereiten.
Vielleicht meinte der gute Herr von Notz ja das? Ich könnte mich mit diesem Gedanken ja durchaus anfreunden. :-)
Die dritte Sache mit "Hitler war ein Segen" ist hingegen auch in der Bewertung simpel. Ich zitiere an dieser Stelle mal § 130 Abs. 4 StGB:
Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, dass er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder rechtfertigt.
Man muss nun wirklich keine erhebliche Erbsenesser-Exegese betreiben, um zu sehen, dass das glasklar erfüllt ist.
Und zum Schluss mal etwas, mit dem ich mich auch auskenne:
So ist die Äußerung des Wunsches nach einer Einführung der Todesstrafe für bestimmte Personen (nicht: Taten) rechtlich schwer zu greifen
Darf ich vielleicht mit dem Stichwort "verfassungsfeindlich" aushelfen?
So ist die Todesstrafe hierzulande bekanntermaßen erst zwischen den Jahren 1949 (Gründung der BRD und Inkrafttreten des Grundgesetzes) und 1987 (per Staatsratsbeschluss in der DDR) abgeschafft worden; die letzte zivile Hinrichtung in Westdeutschland fand noch 1949 statt. Dafür steht das in unserem schönen Grundgesetz in Art. 102 GG unmissverständlich drin. Man argumentiert vielerorten auch dahingehend, dass das auch unverbrüchlich ist; schließlich würde mit Vollstreckung auch der Kernbereich von Art. 2 Abs. 2 GG angetastet (Art. 19 Abs. 2 GG), zudem ist die Vollstreckung der Todesstrafe auch ein schönes Beispiel für die Objektformel des BVerfG (betroffenes Grundrecht hier: Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG); auch die Rechtsprechung des BVerfG, die schon die lebenslange Freiheitsstrafe ohne Bewährung für einen Menschenwürdeverstoß erklärt, tut hier ihr übriges.
Bei "Todesstrafe für eine Person" kommt man dann noch dazu sehr in Richtung Willkür, ganz zu schweigen von dem offenbar Haferhaffner höchstselbst vorweggenommenen Verfahren. Ich erspare uns die Erwägungen zu (allgemeinen) Gleichheits- und Justizgrundrechten; es reicht, wenn ich feststelle, dass auch das mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung dieses Landes nicht in Einklang zu bringen ist.
Wenn jemand nach der Todesstrafe schreit, dann rüttelt das an einer Grundfeste der Bundesrepublik. Das ist nicht nur menschen-, sondern auch schlicht staatsfeindlich. Punkt.
(Vor diesem Hintergrund möchte ich fast die Aufhebung des alten § 88a StGB, verfassungsfeindliches Befürworten von Straftaten, bedauern. Aber – erstmal – nur fast.)