https://forum.sonnenstaatland.com/index.php?topic=6828.msg296354#msg296354Hier jetzt ein Artikel bei Spektrum/Scilogs in welchem dies näher erklärt wird.
https://scilogs.spektrum.de/fischblog/warum-die-blutgruppe-coronaviren-beeinflusst/?utm_source=pocket-newtab-global-de-DESpoiler
Warum die Blutgruppe Coronaviren beeinflusst
Blutgruppen haben ja laut einer aktuellen Studie mutmaßlich[1] großen Einfluss auf den Verlauf von Covid-19. Bei einer kurzen Hintergrundrecherche dazu bin ich auf zwei Punkte gestoßen, die als Kontext ganz interessant sind. Einerseits nämlich spielen Blutgruppen bei diversen Infektionskrankheiten eine Rolle, zum Beispiel verlaufen wiederholte Infektionen mit dem Dengue-Virus bei Menschen mit Blutgruppe AB schwerer. Bei Noroviren sind Leute mit A oder B oft immun, während das Risiko einer Infektion bei Blutgruppe 0 etwa zehn mal so hoch ist wie beim Rest.
Zum anderen hatte man nämlich schon bei Sars Indizien für Auswirkungen der Blutgruppen auf die Infektion gefunden. In einer kleinen Studie an medizinischem Personal hatten Individuen der Blutgruppe 0 eine um 80 Prozent geringere Chance, sich zu infizieren. Außerdem gab es damals schon versuche, diesen Effekt zu erklären – und zwar anhand der spezifischen Antikörper der Blutgruppen.
Hinter der Hypothese steckt, dass das Virus gar nicht anders kann, als bestimmte Eigenschaften seiner Wirtszellen anzunehmen. Das liegt daran, dass Sars-Cov-2 einen Teil der Außenhülle der Zelle mitnimmt, nämlich die Membran, die ihn einhüllt und auf der die Spikes sitzen. Beim Zusammenbau dieser Hülle samt eingebetteter Spikes muss sich das Virus an die Regeln der Zelle halten, denn es ist vollständig von ihrer biologischen Maschinerie abhängig. Eine wichtige Regel: Proteine in der Membran bekommen an der Aminosäure Asparagin ein Zuckerbäumchen angeheftet, wenn die übernächste Aminosäure in der Kette Serin oder Threonin ist.[2]
Das Spike-Protein und seine Zucker
Diese Zuckerbäumchen werden von Zellen separat hergestellt und dann routinemäßig an diese vorgegebenen Positionen angeheftet. Das Sars-Spike-Protein besaß 23 solcher Zuckerbäumchen, das Sars-Cov-2 hat 22. Jedes Spike besteht aus drei Spike-Proteinen, so dass ein Spike von Sars-CoV-2 insgesamt etwa 66 solcher Zuckerbäumchen trägt.[3]
Die Zucker haben für das Coronavirus eine Reihe nützlicher Funktionen. Zum einen tragen sie dazu bei, dass das komplexe Spike-Protein korrekt gefaltet wird und seine Funktion erfüllen kann, zum anderen stabilisieren sie die Struktur vor der Bindung an den Rezeptor. Außerdem sind sie eine Art Schutzschild, der das Immunsystem daran hindert, das Spike-Protein als Ziel zu identifizieren und anzugreifen.[4]
Die Zuckerhülle um das Spike-Protein kann prinzipiell selbst zu einem Erkennungspunkt für das des Immunsystems werden. Allerdings werden die Zuckerstrukturen der zelleigenen Membranproteine natürlich als körpereigen erkannt, was sich das Virus zunutze macht.
Es gibt allerdings eine Klasse von Antikörpern, die sehr wohl menschliche Zuckerstrukturen als feindlich erkennen. Sie gehören zum AB0-System der Blutgruppen. Nachdem die Rolle der Blutgruppen in der Sars-Epidemie entdeckt wurde, spekulierten bereits einige Leute darüber, ob möglicherweise diese Antikörper das Spike-Protein blockieren und so die Infektion ausbremsen könnte.
Die AB0-Antigene sind bestimmte Zuckerstrukturen an den Blutproteinen. Menschen mit Blutgruppe A tragen an einem bestimmten Punkt ihrer Zuckerbäumchen den Zucker N-Acetylgalactosamin, jene mit der Blutgruppe B haben dort Galactose. Bei der Blutgruppe 0 ist dort gar kein Zucker, Menschen mit AB haben beide Typen von Zuckerstrukturen.
Es ist kompliziert
Aus nicht ganz geklärten Gründen besitzen Menschen mit Blutgruppe A gleichzeitig Antikörper gegen Blutgruppe B und umgekehrt. Mit 0 besitzt man beide Antikörpertypen, mit AB keine. 2008 zeigte eine französische Arbeitsgruppe, dass Sars-Spike-Proteine, die Antigene der Blutgruppe A tragen, von Antikörpern gegen A daran gehindert werden, an ACE2 zu binden.
Das könnte im Prinzip erklären, warum weniger Menschen mit Blutgruppe 0 sich mit dem Sars-CoV infizierten und Covid-19 anscheinend leichter verläuft. Sie haben beide Typen von Antikörpern, die auf menschlichen Zuckerstrukturen reagieren – und möglicherweise behindert das die Bindung an ACE2.
Das klingt alles total einleuchtend, aber leider zeigen die aktuellen Daten von Sars-Cov-2, dass es etwas komplizierter ist. Schließlich hat man mit Blutgruppe A ein deutlich höheres Risiko, schwer zu erkranken als mit Blutgruppe B, obwohl beide je einen Typ von Antikörper haben. Das Risiko für AB liegt demnach etwa in der Mitte, obwohl die AB0-Antikörper da ganz fehlen.
Dafür kann es verschiedene andere Erklärungen geben, zum Beispiel vermuten die Autoren der aktuellen Studie anscheinend, dass gar nicht die Blutgruppe selbst den Effekt verursacht, sondern Immungene, die mit der Blutgruppe gekoppelt sind.
Eine Rolle könnte aber auch spielen, wie viele Antikörper gegen die Blutgruppen vorhanden sind. Kurioserweise haben Menschen in Industrieländern relativ wenige Blutgruppenantikörper, was den Effekt verändern könnte. Ein weiterer Aspekt, der bei der Wechselwirkung zum Beispiel von HIV und dem Norovirus mit dem Immunsystem eine Rolle spielt, ist der Sekretorstatus, also ob man die Blutgruppenantigene im Speichel hat. Aber das führt jetzt zu weit.