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Ein computeranimiertes Bild von 2013 (ja, so lange gibt es die Idee schon) zeigt, wie die Titanic II aussehen könnte. Warum es nun klappen soll? Clive Palmer: „Ich habe mehr Geld jetzt.“
(Foto: picture alliance / dpa)
Clive Palmers Titanic-II-Idee kommt möglicherweise auch nicht weit. Kann ja mal passieren, erst recht bei Palmer: Der 70-Jährige ist bekannt dafür, sein Geld publikumswirksam auszugeben und dabei auch mal spektakuläre Misserfolge einzustecken. Reich wurde er in den Achtzigerjahren als Immobilienmakler im Bauboom von Gold Coast in Queensland, superreich als Bergbau-Betreiber. Zu seinen Nebengeschäften gehörten über die Jahre ein Dinosaurier-Themenpark namens „Palmersaurus“, ein Fußballklub, ein Fußballverband – sie alle hatten nicht lange Bestand. Und die Titanic II? „Ich kann nicht genau sagen, was es damit auf sich hat“, antwortet der Investigativ-Journalist Stephen Long von der Recherche-Plattform „The Australia Institute“. Long kann ansonsten viel über Palmer sagen. Das Titanic-II-Projekt wäre bestimmt ein Thema für ihn, wenn es im Palmer-Kosmos gerade eine große Rolle spielen würde. Aber so ist es wohl nicht. Stephen Long sagt: „Ich kann mir nur vorstellen, dass es ein Projekt aus Eitelkeit ist von einem Mann mit einem großen Ego.“
Clive Palmer jedenfalls scheint nicht gern zu akzeptieren, dass es auch für einen Bergbau-Magnaten wie ihn Grenzen gibt. Politische Kampagnen und Gerichtsprozesse sind seine wichtigsten Mittel, um seine Interessen durchzusetzen. Zum Beispiel hat er den Staat Australien auf 69 Milliarden Dollar Schadenersatz verklagt, weil ein Gericht im Sinne des Klimaschutzes ein Kohleminen-Projekt von Waratah Coal nicht genehmigte. Palmer tat dies als Besitzer der Investment-Firma Zeph mit Sitz in Singapur, die offiziell das Mutterunternehmen des Mutterunternehmens von Waratah Coal ist und damit durch das Freihandelsabkommen zwischen Australien und Singapur Geschäftseinbußen durch die Entscheidung gegen die Goldmine geltend machen kann. Der Australia-First-Verfechter Palmer tut also so, als sei er ein Investor aus dem Ausland, um sich gegen Umweltauflagen zu wehren. Das Verfahren schwebt.
Clive Palmer bei einem weltweit beachteten Pressetermin im März 2024, bei dem er selbstsicher verkündete: Von 2025 an werde endlich an der Titanic II gebaut.
(Foto: Bianca de Marchi/Imago/AAP)
In der Politik vermarktet Palmer mit viel Geld sein rechtes Weltbild. Von 2013 bis 2016 saß er im Parlament für seine Palmer United Party, die mittlerweile United Australia Party (UAP) heißt. Vor der Parlamentswahl 2019 pumpte er 60 Millionen Australien-Dollar in eine Kampagne gegen die sozialdemokratische Labor-Partei. Mit Erfolg. Die UAP kam zwar nicht ins Parlament, aber die konservative Regierungskoalition gewann die Wahl. „Palmers Präferenzen und seine Millionen für Wahlwerbung gegen Labor hatten daran sicher großen Anteil“, sagt Stephen Long.
Palmer verspricht eine „Covid-Impfstoff-freie Umwelt“ auf der neuen Titanic
Und auch mit der Titanic II will Palmer Zeichen setzen gegen Moralisten und Fachleute, die angeblich seine Unternehmerfreiheit stören. „Milliardär sagt, lange verzögerte Titanic II wird Gegenmittel gegen woke Politik“, lautet die Überschrift über einem Palmer-Interview im Magazin Rolling Stone vom März, das auf der Blue-Star-Line-Website steht. Im Interview beschreibt Palmer seine Titanic II als Symbol für traditionelle Werte wie Mut und Selbstlosigkeit und verspricht eine „Covid-Impfstoff-freie Umwelt“ auf dem Schiff.
Seit 2012 spricht Clive Palmer von seinem Traumschiff, 2013 stellte der finnische Schiffsdesigner Deltamarin Baupläne vor. Dass danach keine Bauarbeiten folgten, hatte laut Palmer mit der komplizierten Aufgabe zu tun, das Titanic-Konzept an moderne Sicherheitsstandards anzupassen – und mit der später folgenden Pandemie. Aber bei seinem weltweit beachteten Medientermin im Frühjahr in Sydney klang er selbstsicher: Bis Dezember würden alle Verträge mit Partnerfirmen abgeschlossen sein, ab Anfang 2025 solle gebaut werden. Für Juni 2027 sei die erste Fahrt von Southampton nach New York geplant. Warum es diesmal klappen sollte, fragte ein Skeptiker. „Ich habe mehr Geld jetzt“, antwortete Palmer.
Aber mittlerweile ist Dezember. Die jüngste Pressemitteilung auf der Blue-Star-Line-Website ist vom August. Und die handelt von einem Vertrag, der nicht zustande gekommen ist. Die britische Werft Harland & Wolff habe ein Finanzierungsangebot ausgeschlagen und sogar verabredete Termine mit Clive Palmer platzen lassen. Bei Harland & Wolff wurde einst die Original-Titanic gebaut, Palmer wollte sie für die Titanic II einspannen. In der Mitteilung sagt er: „Mir scheint, dass das Unternehmen und seine Berater nicht im besten Interesse seiner Aktionäre handeln. Arbeiten sie an einem schmutzigen Deal?“ Möglicherweise hat Harland & Wolff gerade einfach andere Probleme: Die Werft meldete 2024 zum zweiten Mal in fünf Jahren Insolvenz an. Sie benötigt einen neuen Besitzer mit Fachwissen und viel Kapital, keinen Palmer-Auftrag.
Was nun? Wird das noch was mit der Titanic II? Sind die Vorbereitungen vielleicht schon weiter, als man von außen sehen kann? Am vermeintlichen Blue-Star-Line-Standort bekommt man darauf keine Antwort. Waratah Coal ist auch im 17. Stock, aber dort halte der Besucher-Aufzug nicht, sagt die Frau vom Empfang und diktiert eine Telefonnummer. Der Anruf geht nicht durch. Die schriftliche Anfrage an Waratah Coal bleibt unbeantwortet, genauso wie zuvor die an Blue Star Line. Und den Newsletter, den Blue Star Line anbietet, kann man zwar bestellen, aber es kommt keiner. Nach Stand der Dinge ist die Titanic II immer noch ein Traum, den sich der Milliardär Clive Palmer nicht kaufen kann.