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Die Vorgeschichte: Nachdem die Coronapandemie fast schon ein Jahr lang das Leben in der Bundesrepublik bestimmte, ließ sich der Ergotherapeut von seinem Mindener Psychotherapeuten im Dezember 2020 ein Attest zur Befreiung von der Maskenpflicht ausstellen. Angst- und Panikstörungen waren zu befürchten und aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes entfällt in diesem Bericht die Namensnennung des Betroffenen und seiner Ärzte. Ob er danach wiederholt in der Coronaleugner-Szene in Erscheinung getreten war, konnte der Staatsschutz Bielefeld – ebenfalls aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes – nicht bestätigen.
Nach eigenen Angaben hatte der 54-Jährige dann Ende August vergangenen Jahres das Straßenverkehrsamt des Kreises Minden-Lübbecke noch ohne Maske betreten können. Als er dort aber einen Monat später einen Wagen anmelden wollte, ließ ihn die Security nicht durch und es kam nach längeren Diskussionen zu einer verbalen Auseinandersetzung mit der Leitung der Behörde.
Gewaltsames Ende eines Besuchs bei der Kreisverwaltung
Am 21. Dezember nahmen dann die Besuche beim Kreis Minden-Lübbecke ein gewaltsames Ende. In der Verwaltung an der Portastraße wollte der Mindener – erneut ohne Atemschutzmaske unterwegs – eine selbstständige Tätigkeit als Ergotherapeut anmelden und diskutierte zunächst im Eingangsbereich über den Sinn, eine Maske zu tragen. Es sei dabei von der Security und mehreren Mitarbeitern „angeschnauzt“ und „angepöbelt“ worden.
Mehrfach sei er in die Magengrube geboxt und geschlagen worden. Zuletzt hätte ihn dann ein Zwei-Meter-Mann mit Stößen durch die Drehtür geschubst, so dass er stolperte, sich die Schulter prellte und förmlich hinausgeschleudert worden sei. „Ich ging zutiefst verärgert und verstört zurück zu meinem Auto und entschloss mich dann, zur Polizeiwache zu fahren, um den Vorfall zur Anzeige zu bringen.“
Dort angelangt, so die Darstellung des Betroffenen, habe ihm eine Dame am Empfang ein Corona-Kontaktformular vorgelegt, das er aber nicht unterschreiben wollte. Daraufhin habe ein Polizist seinen Ausweis sehen wollen, den er ihm wiederum nicht direkt aushändigen wollte. Plötzlich seien dann sechs weitere Kräfte hinzugekommen, ihm seien Handschellen angelegt worden, man habe ihm mit Gewahrsam gedroht, ihm sei ruckartig der Kopf nach hinten gezogen worden, sein Gesicht habe man auf den Boden gepresst. „Ich hatte Todesangst, es hat nur wenig gefehlt, dann wäre mein Genick gebrochen“, so der Ergotherapeut.
Kurz nach dieser Begegnung ließ er sich von seinem Hausarzt behandeln, der ihm eine oberflächliche Wunde, Prellmarken, eine Zerrung der Halswirbelsäule sowie psychische Folgen dieses Erlebnisses attestierte. Später dokumentierte der Betroffene noch Blessuren mit dem Fotoapparat wie mehrere großflächige Blutergüsse an Armen und Beinen sowie eine Schwellung unter dem Auge. Und nicht nur bei der Bielefelder Staatsanwaltschaft, sondern per E-Mail bei mehreren Menschenrechtsorganisationen – darunter der UN-Sonderbeauftragte zur Folter Nils Melzer – zeigte er seinen Fall an. „Bislang habe ich aber keine Rückmeldung erhalten“, sagt er.
Mann wollte sich nicht ausweisen
Nach Darstellung der Polizei hat der 54-Jährige die Anwendung unmittelbaren Zwangs selbst provoziert. Dieser Rechtsbegriff beinhaltet, dass Amtsträger körperliche Gewalt nur dann anwenden dürfen, wenn sich auf andere Weise notwendige Maßnahmen nicht durchsetzen lassen. So hatte sich der Betroffene wiederholt geweigert, eine Maske zu tragen, als er am 21. Dezember gegen 15.15 Uhr auf der Wache in Minden wegen der Anzeige gegen die Mitarbeiter der Kreisverwaltung erschienen war.
Als ihm deshalb angeboten wurde, den Fall vor der Tür im Freien zu erörtern, weigerte er sich zudem, das Gebäude zu verlassen. „Nunmehr wurde ihm dargelegt, dass sein Verhalten eine Ordnungswidrigkeit nach dem Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit der Coronaschutzverordnung darstellt und er sich ausweisen solle“, teilt Thomas Bensch von der Pressestelle der Polizei mit. „Bei steigender Aggressivität lehnte er es weiterhin ab, seine Identität preiszugeben.“ Der Ankündigung, ihn zwecks Identitätsfeststellung zu durchsuchen, habe er sich versperrt, so dass unmittelbarer Zwang habe angewendet werden müssen. Und: „Trotz Androhung der Maßnahme leistete er aktiven Widerstand. Nach erfolgter Personalienfeststellung erteilte man dem Mann einen Platzverweis.“
Anzeigen liegen Staatsanwaltschaft vor
Schon vor dem Besuch der Wache hatte sich übrigens die Polizei mit dem Betroffenen beschäftigt. Bensch berichtet, dass seinetwegen gegen 13.54 Uhr ein Streifenwagen zur Portastraße ausgerückt war. „Vor Ort berichteten die betroffenen Mitarbeiter der Kreisverwaltung von einem aggressiv und uneinsichtig agierendem Mann, der innerhalb kurzer Zeit zweimal das Kreishaus aufsuchte.“ Dieser habe weder seine Bescheinigung zur Befreiung von der Maskenpflicht zeigen wollen, noch auf Aufforderung einen Mundschutz angelegt. Eine Suche im Nahbereich sei dann ergebnislos verlaufen.
Wie Bensch weiter mitteilt, erhielt der 54-Jährige nach dem Vorfall am 21. Dezember eine Anzeige wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruchs sowie Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz. Auch dessen Anzeige gegen die Mitarbeiter des Kreishauses werde bearbeitet. „Beide Anzeigen liegen derzeit zur Bewertung und Würdigung der Staatsanwaltschaft Bielefeld vor.“ Eine weitere Online-Anzeige gegen die Mindener Polizei wegen des Vorfalls am Nachmittag in der Hauptwache wird aus Neutralitätsgründen vom Polizeipräsidium Bielefeld bearbeitet.
Die Verwaltung des Kreises Minden-Lübbecke wollte sich auf MT-Anfrage nicht zu dem vorausgegangenen Vorfall im Foyer des Verwaltungsgebäudes äußern. von Stefan Koch/mt