Dönitz war ReichsPRÄSIDENT!!!
Das ist strittig. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass Dönitz niemals de jure Reichspräsident war. Die Frage ist, ob er de facto Reichspräsident spielte. Jedenfalls hat er die "Regierung Schwerin von Krosigk" eingesetzt, auch "geschäftsführende Reichsregierung" genannt. Diese bestand im Wesentlichen aus den lang gedienten Ministern abzüglich in Ungnade gefallener Nazi-Führern (Himmler [ausgeschlossen], Göring [ausgeschlossen], Goebbels [tot]).
Die ganze Einsetzung beruhte auf Hitlers Testament, in dem er Dönitz zum Reichspräsidenten, Goebbels zum Reichskanzler ernannte. Goebbels war aber nur einen Tag lang Regierungschef, dann brachte er sich bekanntlich um.
Strittig ist bis heute die Rechtsgrundlage: Nach einer verbreiteten Ansicht hätte nach dem Tod des amtierenden Reichspräsidenten (Hitler) eine Volkswahl durchgeführt werden müssen. Diese Meinung herrscht zwar weitgehend vor, ist aber nicht ganz richtig: Nach einer im Dezember 1932 von den Nazis eingebrachten Vorlage, die dann auch im Reichstag und Reichsrat gebilligt wurde, wurde die Weimarer Verfassung so geändert, dass der Präsident des Reichsgerichts als Reichspräsident amtierte, wenn der Reichspräsident ausfiel. Somit wäre nach dem Buchstaben der Verfassung spätestens mit Hitlers Tod der Präsident des Reichsgerichts geschäftsführender Reichspräsident geworden. Kleines Problem am Rande: Einen Präsidenten hatte das Reichsgericht allerdings im April 1945 nicht mehr. Ob die Regierung einen solchen hätte ernennen können (und müssen) oder ob einfach der Vizepräsident oder der nach der Geschäftsordnung zum Handeln berufene Richter des Reichsgerichts als Präsident des Gerichts und somit gleichzeitig als Reichspräsident hätte handeln müssen, ist nachträglich wohl nicht mehr zu klären.
Nun wird die Lage allerdings noch verkompliziert durch das Gesetz vom August 1934, mit dem sich Hitler die Rechte des Reichspräsidenten übertrug. Formal war dieses Gesetz von der Reichsregierung gestützt auf das Ermächtigungsgesetz erlassen worden. Durch das "Gesetz über den Neuaufbau des Reiches", das von Reichstag und Reichsrat im Januar 1934 beschlossen worden war, hatte die Reichsregierung zudem die Kompetenz erhalten, neues Verfassungsrecht zu setzen. Das Erwähnte Gesetz über das Staatsoberhaupt wurde dann nachträglich durch Volksentscheid noch "legitimiert". Die Sache ist also nicht nur kompliziert, sondern auch dubios. Man mag aber der Ansicht sein, dass die Regelungen von August 1934 zumindest formal geltendes Recht waren.
Das Ermächtigungsgesetz sah auch nicht vor, dass Gesetze, die auf seiner Grundlage erlassen wurden, nach Auslaufen dieses Gesetzes aufgehoben würden.
Im erwähnten Gesetz vom August 1934 stand nun die Bestimmung, dass der "Führer und Reichskanzler" seinen Stellvertreter selbst bestimmen dürfe. Eine vergleichbare Regelung war übrigens im Dezember 1932 als Gegenvorschlag Hugenbergs zur Vorlage der NSDAP, die die Stellvertretung des Reichspräsidenten durch den Präsidenten des Reichsgerichts in die Verfassung schrieb, im Reichstag diskutiert, aber verworfen worden. Es mag sein, dass man im Juli 1934 diesen Vorschlag aufgriff.
Auf diese butterweiche Bestimmung im Gesetz über das Staatsoberhaupt könnte man die testamentarische Einsetzung von Dönitz zum Reichspräsidenten und von Goebbels zum Reichskanzler formal gerade noch stützten.
So weit die Unklarheiten. Dönitz selbst hat meines Wissens nie als Reichspräsident gezeichnet, sondern immer als Admiral. Faktische Staatsgewalt haben weder er noch seine "geschäftsführende Reichsregierung" in nennenswertem Umfang ausgeübt, wenn man von der Hinrichtung einiger Matrosen in Mürwik absieht, die noch nach Ende der Kämpfe und erfolgter Kapitulation stattfand.