Beispiel: Nehmen wir an, der Präsident der Vereinigten Staaten begeht in seiner Funktion als Staatsoberhaupt eine Straftat außerhalb des VStGB auf deutschem Boden. Nehmen wir weiter an, dass die Tat eine ist, für die Staatsoberhaupte nach geltendem Völkerrecht Immunität genießen. Er würde mindestens aufgrund von
§ 20 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Immunität genießen, da die Immunität von Staatsoberhäuptern eine allgemeine Regel des Völkerrechts ist. Streng genommen bedarf es § 20 Abs. 2 GVG gar nicht bzw. dieser ist lediglich deklaratorisch und ohne eigenen Regelungsgehalt, da die fragliche allgemeine Regel des Völkerrechts aufgrund von
Art. 25 GG übergesetzlichen Rang hat.
Nehmen wir nun weiter an, das politische Oberhaupt von
Somaliland beginge unter den selben Umständen die selbe Tat. Nehmen wir weiter an, für beide Ermittlungsverfahren wären derselbe Staatsanwalt und derselbe Richter zuständig.
Folge: Der US-amerikanische Präsident würde nicht verfolgt werden. Der "Präsident von Somaliland" würde verfolgt werden.
Einziger Unterschied ist aber lediglich, dass die USA ein Staat sind und Somaliland nicht.
Damit die Staatsanwaltschaft wissen kann, ob sie einen Beschuldigten anklagen darf, muss sie seine Immunität zumindest gedanklich kurz prüfen. Denn bei Immunität ist die Verurteilungswahrscheinlichkeit = 0, die Staatsanwaltschaft darf(!) aber nur dann anklagen, wenn die Verurteilungswahrscheinlichkeit >50% ist. Ebenso muss das Gericht (falls die StA sich geirrt hat) die Immunität ja berücksichtigen, d.h. den Staat als solchen anerkennen oder eben nicht. Das Gericht ist dabei auch nicht an irgendwelche obskuren Aussagen des Auswärtigen Amts gebunden, das nennt man richterliche Unabhängigkeit (Art. 20 Abs. 3,
97 Abs. 1 GG). Eine gesetzliche Anerkennung mit Innenwirkung kann sich allenfalls aus Regelungen zu sog. "sicheren Dritt
staaten" ergeben, da diese ja implizit Staaten sind...
Die deutsche Justiz darf und muss daher Entscheidungen über die Staatlichkeit ausländischer Gebilde fällen.
Sie tut das auch.
Ich verweise statt aller auf die Entscheidung des VG Köln, Urteil v. 3.5.1978 – 9 K 2565/77 (DVBl 1978, 510 ff.) zum
Fürstentum Sealand.