Autor Thema: LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 23.10.2017 – 5 Ks 113 Js 1822/16, Wolfgang Plan  (Gelesen 4300 mal)

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Offline Reichsschlafschaf

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Weil heute die Zurückweisung der Revision durch den BGH bekannt wurde und wir das Urteil - so weit ich sehe - noch nicht in seiner vollständigen Form hier verzeichnet haben, erfolgt dies hiermit.
Die zwischenzeitliche Veröffentlichung ist mir wohl entgangen.


Zitat
Titel:
Verurteilung eines "Reichsbürgers" wegen Mordes - Heimtückische Tötung eines Polizeibeamten bei Einsatz aus niedrigen Beweggründen

Normenketten:
StGB § 20, § 32, § 211 Abs. 2 Alt. 4, Alt. 5
StPO § 261

Leitsätze:
1. Zum Nachweis des Tötungsvorsatzes können besondere Kenntnisse verwertet werden, über die ein Angeklagter als Sportschütze und/oder Inhaber von Waffenbesitzkarten oder eines Waffen- und Jagdscheines verfügt. Ein solcher Angeklagter weiß auch, dass beim Schusswaffeneinsatz in beengten Räumen stets die Gefahr lebensgefährlicher Querschläger besteht. Tötungsvorsatz kann daneben auch über die Anzahl der Schüsse, das Trefferbild und die Entfernung zum Opfer bei Schussabgabe nachgewiesen werden. (Rn. 86, 112 – 115) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Wissen von Spezialeinsatzkräften der Polizei, dass auch mit Beschuss durch Türen hindurch zu rechnen ist, lässt ihre Arglosigkeit nicht entfallen, wenn für einen Beschuss im Vorfeld kein Hinweis bestand und die Einsatzplanung auf Ausschluss jeden Widerstands angelegt war. Denn entscheidend ist nicht ein generelles Misstrauen des Opfers, sondern ob es im Tatzeitpunkt mit einem Angriff rechnet (stRspr, zB BGH BeckRS 2017, 136207 mwN). (Rn. 116 – 117, 164) (redaktioneller Leitsatz)
3. Niedrige Beweggründe iSv § 211 Abs. 2 StGB liegen vor, wenn der Täter seinen selbst gegründeten „Staat“ gegen das Eindringen der Polizei aus rein egoistischen Motiven verteidigen und sich die Verschaffung von Anerkenntnis mit dem Leben von Amtsträgern, die er als unberechtigte Repräsentanten eines Scheinstaates ansieht, erkaufen will. (Rn. 166) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ungewöhnliche Überzeugungen und Aktivitäten eines Täters, wie sie bei „Reichsbürgern“ vorkommen - zB Nichtanerkennen der Bundesrepublik, Proklamation eines eigenen Staats, Abmeldung, Ausweisrückgabe - stellen keine Wahnerkrankung und keine seelische Abartigkeit iSv § 20 StGB dar, wenn sie in sozialer Kommunikation zustande kamen und der Täter die Ungewöhnlichkeit seiner Überzeugungen reflektieren kann. (Rn. 145 – 146, Rn. 150, Rn. 153) (redaktioneller Leitsatz)
5. Notwehrausschließendes rechtmäßiges hoheitliches Handeln im strafrechtlichen Sinne liegt bei einem Polizeieinsatz vor, wenn die Polizeibeamten örtlich und sachlich zuständig sind, die wesentlichen Förmlichkeiten einhalten und ein ggf. eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß ausüben (stRspr, zB BGH BeckRS 2015, 13281 mwN). (Rn. 155) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Reichsbürger, Existenz der Bundesrepublik, Proklamation eines eigenen Staates, Notwehr, Polizeieinsatz, Mord, Heimtücke, niedrige Beweggründe, Wahn
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Urteil vom 06.11.2017 – 1 Ws 297/17
Fundstelle:
BeckRS 2017, 141430
Spoiler
Tenor
1. Der Angeklagte ... ist schuldig des Mordes in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen des versuchten Mordes jeweils mit gefährlicher Körperverletzung.
2. Er wird deshalb zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Angewandte Vorschriften:
§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 4 und 5, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB
Entscheidungsgründe
Am 19.10.2016 gegen 6 Uhr drangen auf Veranlassung der Polizeiinspektion R. Beamte eines Spezialeinsatzkommandos in das Anwesen des Angeklagten am ... in G. ein, um dem Landratsamt R. dessen Durchsuchung nach Waffen zu ermöglichen. Der Angeklagte bemerkte das Eindringen und erkannte, dass es sich um Polizeibeamte handelte. Als er durch die teilverglaste Wohnungstür sah, dass sich ein Polizeibeamter, der Beamte ... vor dieser Tür in der Hocke befand, um ein Öffnungsgerät anzusetzen, entschloss er sich dessen arg- und wehrlose Lage auszunutzen und ihn zu töten. Er schoss elf Mal unmittelbar hintereinander aus einer Pistole gezielt auf den hockenden Beamten. Dabei erkannte er, dass unmittelbar daneben zwei weitere Personen, die Beamten Nr. 106 und 39, standen und dass diese durch die Schüsse ebenfalls tödlich verletzt werden könnten. Dies nahm er billigend in Kauf. Der Beamte ... wurde getroffen und verstarb am nächsten Tag an den Verletzungsfolgen. Die Beamten Nr. 106 und Nr. 39 wurden durch die Schüsse verletzt.
Beweggrund für das Handeln des Angeklagten war die Verteidigung des von ihm auf seinem Anwesen selbst ausgerufenen „Staates ...“. Der Angeklagte sah sich zur Tötung der Polizeibeamten berechtigt, da er diese als Repräsentanten eines „Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland“ wertete, die unberechtigt auf sein Staatsgebiet vorgedrungen waren. Darin sah der Angeklagte einen unehrenhaften „Angriff“ mit Gewalt auf seinen souveränen „Staat“, gegen den er sich ohne weiteres auch um den Preis von Menschenleben zur Wehr setzen durfte.
Zum Zeitpunkt der Tat waren weder die Fähigkeit des Angeklagten das Unrecht der Tat einzusehen, noch die Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln, vollständig aufgehoben oder auch nur erheblich vermindert.
A. Feststellungen
1. Zur Person
a. Persönliche Verhältnisse
Der Angeklagte wuchs bei seinen Großeltern in G. auf, nachdem sich seine Mutter sieben Monate nach seiner Geburt das Leben genommen hatte. Kontakt zum Vater bestand nicht.
Der Angeklagte besuchte Kindergarten und Grundschule in G. Nach einigen Monaten auf dem Gymnasium in R. wechselte er erst auf die Haupt- und dann auf die Realschule, die er mit der mittleren Reife abschloss. Im Anschluss besuchte der Angeklagte kurzzeitig die Fachoberschule in W., bevor er eine Ausbildung zum Büromaschinenmechaniker begann. Der Angeklagte brach die Ausbildung nach drei Jahren kurz vor der Abschlussprüfung ab, um als Selbständiger für die Deutsche Vermögensberatung zu arbeiten und Finanzprodukte zu vermitteln. Mit 20 Jahren zog der Angeklagte bei den Großeltern aus, meldete ein eigenes Gewerbe für den Vertrieb von Finanzprodukten an und lernte seine erste Ehefrau kennen, mit der er sieben Jahr verheiratet war. In diesem Zeitraum war der Angeklagte erfolgreich als gebundener Handelsvertreter für die Deutsche Vermögensberatung tätig, baute ab 1990 einen Strukturvertrieb mit mehreren Büros in Bayern und Thüringen auf, wobei der Angeklagte bis zu 1.000 Kunden durch einen Mitarbeiterstab von bis zu 30 Personen betreute. Aus der ersten Ehe ging ein Sohn hervor, mit dem der Angeklagte auch nach der Trennung von seiner Ehefrau Ende 1997 in Kontakt blieb. Später wurde ihm später das Sorgerecht zugesprochen. 1999 heiratete der Angeklagte erneut. Er zog anschließend mit seinem Sohn und seiner Frau in eine Eigentumswohnung nach G.
Am 27.03.2001 wurde der Angeklagte bei einem Autounfall verletzt und infolge dessen berufsunfähig. Zunächst wurde eine HWS-Distorsion, eine Prellung der Brustwirbel- und Lendenwirbelsäule, der linken Schulter und Hüfte diagnostiziert, später Spannungskopfschmerzen mit einem erheblichen neurasthenischen Syndrom, die seine Belastbarkeit massiv einschränkten. Der Angeklagte bezog anschließend bis 2011 Renten von Berufsunfähigkeitsversicherungen in Höhe etwa 3.800 Euro pro Monat.
2002 wurde die zweite Ehe des Angeklagten geschieden.
2010 erhielt der Angeklagte in einem langjährigen Zivilverfahren von der Versicherung der Unfallgegner, der ... , durch einen vor dem OLG Nürnberg geschlossenen Vergleich 300.000 Euro als Schadensersatz, Verdienstausfall und Schmerzensgeld wegen des Unfalles von 2001.
Ab 2012 stellten die Berufsunfähigkeitsversicherungen ihre Leistungen ein, da ein Nachprüfungsverfahren die Erwerbsfähigkeit des Angeklagten ergeben hatte. In einem dagegen vom Angeklagten 2013 angestrengten Prozess unterlag er im Juni 2015 weitgehend. Das Landgericht stellte dabei fest, dass bei dem Angeklagten seit dem 01.01.2012 eine Berufsfähigkeit von mindestens 50 % bestehe und er eine halbschichtige Tätigkeit als Vermögensberater ausüben könne.
Der Angeklagte beschäftigte sich bereits seit 1999 mit Karate. Ab 2007 begann er Wing-Tsun zu erlernen und ließ sich zum Wing-Tsun Lehrer ausbilden. Der Angeklagte erlangte dabei den 4. Meistergrad 2012 eröffnete der Angeklagte gemeinsam mit einem Bekannten eine Wing-Tsun Schule in G. und bot darin Wing-Tsun und Chi-Gong Kurse für Kinder und Erwachsene an. Die Schule in G. musste der Angeklagte später aus wirtschaftlichen Gründen schließen. Er begann dann Kurse in einer anderen Wing-Tsun Schule in R. anzubieten.
Der Angeklagte ist seit 25 Jahren aktiver Sportschütze und Mitglied im Bund deutscher Sportschützen, im Schützenverein ... und im Schützenverein ... 2012 erwarb der Angeklagte den Jagdschein.
Der Angeklagte hat Schulden in Höhe von etwa 166.500 Euro aus Darlehen für Immobilienerwerb und überzogenen Konten.
Der Angeklagte ist nicht vorbestraft.
b. Ideologische Überzeugungen
Der Angeklagte beschäftigte sich spätestens seit 2015 mit staatsleugnenden Theorien mit Bezug zum Bank- und Finanzsystem und Überlegungen zur Selbstverwaltung. Die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und die Autorität staatlicher Behörden lehnte er ab. Er weigerte sich seinen Nachnamen zu verwenden und bestand darauf, als der freie „Mensch Wolfgang“ angesprochen zu werden. Für den Angeklagten war die Bundesrepublik Deutschland eine kapitalistisch verfasste GmbH ohne Legitimation zu staatlichem Handeln. Das Finanzamt sah er als Firma an, ohne eine Berechtigung Steuern festzusetzen. Der Angeklagte grenzte sein Grundstück am ... in G. mit einer gelb gezeichneten Linie zur öffentlichen Straße ab. Die Entgegennahme von Postsendungen verweigerte er und versah seinen Briefkasten mit dem Wort „Abfall“. Durch mehrere Schilder wies er darauf hin, dass das Betreten des Grundstückes untersagt sei.
Spätestens ab Mitte 2015 wurden diese ideologischen Überzeugungen immer mehr, zu einem zentralen Lebensinhalt für den Angeklagten. Der Angeklagte begann ab Mai 2015 Strafzettel, GEZ-Gebühren, Kfz-Steuer und IHK-Beiträge nicht mehr zu bezahlen und so Vollstreckungshandlungen zu provozieren. Im Sommer 2015 trennte sich seine damalige Lebensgefährtin von ihm, mit der er seit Juli 2013 zusammen war, und die seine Ansichten nicht teilte.
Ab Ende 2015 begann der Angeklagte in unregelmäßigen Abständen vor Zeugen sogenannte „Lebenderklärungen“ abzugeben. Durch diese Erklärungen wollte der Angeklagte Rechtsnachteile vermeiden, die er befürchtete, wenn er für die Behörden nicht erreichbar sei. Am 30.11.2015 unterschrieb er ein als feierlichen öffentlichen Eid und Rechtsanspruchserklärung bezeichnetes Dokument, in welchem er u.a. die kaiserliche Verfassung vom 16.04.1871 und die Bayerische Verfassung von 1818 anerkannte und auf die „fiktionalen“ Staatsangehörigkeiten einer EU-Union/Bundesrepublik, Deutschland verzichtete. Die Erklärung ließ er von mehreren Zeugen unterschreiben.
Am 25.01.2016 gab der Angeklagte bei der Gemeinde G. seinen Personalausweis zurück. Obwohl er in G. weiterhin sein Anwesen ... bewohnte, meldete er seinen Wohnsitz dort am 25.03.2016 ab.
Seit spätestens 2016 stand der Angeklagte in regen Kontakt zu Personen, die seine staatsleugnenden Ansichten und Überzeugungen zur Selbstverwaltung teilten. Im Februar 2016 nahm er die diesen Ansichten nahestehenden ... und ... in seinem Anwesen ... auf, nachdem diese aus ihrer Wohnung zwangsgeräumt und obdachlos geworden waren. Der Angeklagte trat werbend auf und organisierte Informations- und Vortragsveranstaltungen zu seinen ideologischen Ansichten, die teils in seinem Haus und teils in Gaststätten stattfanden, und versandte entsprechendes Informationsmaterial an Interessierte.
Im April 2016 wurde die ... R. beauftragt, beim Angeklagten Kennzeichen eines Anhängers und eines Kraftrades zu entstempeln. Nach telefonischer Kontaktaufnahme gestattete der Angeklagte die Entstempelung am 12.05.2016 außerhalb seines Grundstückes. Ein weiteres Entstempelungsersuchen im Juli 2016 verweigerte der Angeklagte und erklärte, dass das Fahrzeug niemals gefunden werden würde.
Bereits im Mai 2016 verfasste der Angeklagte einen sogenannten „Pakt mit dem absoluten Staat ...“. In diesem Dokument heißt es vor einer Auflistung von 28 Geboten einleitend, dass der absolute Staat ..., durch „heiligen Auftrag“ ausgerufen sei, „um für Gerechtigkeit zu sorgen und (...) dem ideal des Guten dient, der Liebe, der Fairness, durch die angeborene Freiheit eines jeden Menschen, in einer Gemeinschaft gleichberechtigter Menschen.“ Weiter heißt es darin:
„Gebot 4
Das Volk ... wird niemals die Augen vor Tyrannei, Habgier und Mord verschließen. Ein jeder in ... hat die Pflicht und ist mit dem heiligen Auftrag, als Anspruch beseelt, alles zu unternehmen, um die Freiheit des Volkes ... zu garantieren.“
Gebot 5
Jedes geistig-sittliche Wesen aus ... hat das Recht auf Gewalt, die notwendig erscheint, dem Schutz seines Lebens, Besitzes oder Eigentums, bzw. dem Schutz des Lebens, des Besitzes oder des Eigentums von Menschen dient, welche Hilfe bedürfen und diese in ... verlangen.“
Am 5.05.2016 übersandte der Angeklagte an das Rote Kreuz in Genf ein Telefax mit dem Betreff „Proklamation des absoluten Staates ... und Anspruchserhebung“, welchem eine Kopie des Paktes mit dem absoluten Staat ... beigefügt war. In diesem Schreiben heißt es unter anderem:
[Hervorhebung und Schreibweise wie im Originaldokument]
„Der absolute Staat ... setzt sich ein für Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit und Wiedergutmachung für das deutsche Volk in den Grenzen von 1913, um damit die Ungerechtigkeiten, die dem Menschen über die Zeit zugefügt wurde, durch Krieg und Leid, durch Inland „Verwaltungen, Richter, Anwälte, POLIZEI, Gerichte, Scheinregierung, angebliche Beamte, Bediensteten etc.“ und Ausland (...) zu verfolgen, solange bis jedes Verbrechen am deutschen Volk gesühnt wurde. (...)
Deutschland wurde versklavt. Deutschland ist ein Opfer des Krieges. Das deutsche Volk wurde für die Interessen anderer versklavt und die Welt schaute zu.
Begründung:
„Obwohl es nunmehr unwiderlegbar auf dokumentarischer Grundlage bewiesen worden ist, dass Hitler nicht verantwortlicher – wenn er überhaupt verantwortlich ist – für den Krieg von 1939 gewesen ist, als der Kaiser es 1914 war, stützt man sich nach 1945 in Deutschland auf Verdikt der deutschen Alleinschuld, das von der Wahrheit genauso weit entfernt liebt, wie die Kriegsschuld-Klausel des Versailler Vertrages. (...)
Der Staat ... wird alles in seiner Macht stehende tun, die Heimat des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit wiederherzustellen. Das deutsche Volk bezahlt einen hohen Preis für Profitgier, durch die Volkseigenen Terroristen und einer nicht definierten Schattenregierung. (...)
Mit Hinblick auf unserer beängstigte Feststellung des Rechtsbankrotts, seitens der BRD und daraus resultierenden Umsetzung durch Vermutung und Annahme einer fiktiven Rechtsordnung, verspricht der Staat ..., dass es zu jedem Zeitpunkt bereit ist, die Freiheit des Volkes ... mit Blut, Eisen und Feuer zu verteidigen.
Sollte dem Volk ... etwas zustoßen, so ist das Mord und die Welt hat sich auch an diesem Mord beteiligt, indem sie nun Kenntnis er Umstände erlangt hat.“
Am 25.05.2016 unternahm der Vollstreckungsbeamte ... vom Hauptzollamt Regensburg mit Unterstützung der ... R. einen Pfändungsversuch beim Angeklagten. Beim Eintreffen in G. wurde er neben dem Angeklagten von zwei weiteren Personen erwartet. Eine dieser Personen filmte das Geschehen. Der Angeklagte belehrte den Vollzugsbeamten, dass er sein Staatsgebiet betreten würde. Als der Beamte davon unbeeindruckt mit dem Pfändungsversuch fortfahren wollte, begann der Angeklagte ihn anzuschreien. Der Pfändungsversuch wurde sodann abgebrochen.
Am 05.07.2016 rief der Angeklagte über eine Chatgruppe Gleichgesinnter dazu auf seinem Bekannten ... beizustehen, von dessen Firma am nächsten Tag durch Vollstreckungsbeamte des Finanzamtes Schulden beigetrieben werden sollten. Der Angeklagte, B... sowie weitere Unterstützer fanden sich darauf am 06.07.2016 in G. bei M... ein und behinderten die Vollstreckung derart, dass schließlich Polizeivollzugsbeamte der ... G. hinzukommen mussten, um die Vollstreckung zu ermöglichen.
Am 24.08.2016 begab sich der Angeklagte nach Re. in Sachsen-Anhalt, um dort seinem Bekannten A... beizustehen. Dieser teilte seine staatsleugnenden Überzeugungen und hatte zur Unterstützung gegen die bevorstehende Zwangsräumung seines Grundstückes aufgerufen. Im Zusammenhang damit erstellte der Angeklagte im Vorfeld einen Pakt zwischen den Staaten „P...“ und „U... über gegenseitige wirtschaftliche, ideologische und militärische Unterstützung, der ab dem 23.08.2016 gelten sollte. Die Räumung des Grundstückes, wurde am 24.08.2016 wegen der Anwesenheit einer Vielzahl von Unterstützern des A... abgebrochen. Als das Grundstück von A... einen Tag später von Spezialeinheiten der Polizei geräumt wurde, kam es zum Einsatz von Schusswaffen und A... wurde verletzt. Der Angeklagte erfuhr davon aus den Medien. Er war entsetzt, wie die Polizei gegen Adrian Ursache vorgegangen ist. Diesen Polizeieinsatz wertete der Angeklagte als einen Überfall.
2. Zur Tat
a) Vorgeschichte des Tatgeschehens
Die Polizeiinspektion R. informierte das Landratsamt R. über den eskalierten Pfändungsversuch, beim Angeklagten am 25.05.2016. Dies veranlasste das Landratsamt R. dazu, am 26.07.2016 die sichere Aufbewahrung der Waffen des Angeklagten in dessen Haus ... in G. zu kontrollieren. Ein Mitarbeiter des Landratsamts, Herr ... traf vor Ort den Angeklagten nicht an, sondern nur dessen Mitbewohnerin .... Auf Nachfrage erklärte ..., dass ein Herr F... hier nicht wohne.
Am 03.08.16 wollte Herr ... erneut die Aufbewahrung der Waffen kontrollieren. Der Angeklagte wies ihn darauf hin, dass er sich auf seinem Staatsgebiet befinde und verweigerte die Kontrolle der Waffen, da das Waffengesetz hier nicht gelte. Dann verwies er Herrn ... des Grundstücks. Herr ... legte anschließend ein Schreiben in den Briefkasten des Angeklagten, in dem ihm der beabsichtigte Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse wegen Unzuverlässigkeit angekündigt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben wurde. Der Angeklagte äußerte sich dazu nicht.
Am 23.08.2016 legte Herr ... einen Bescheid des Landratsamt R. vom 22.08.2016 in den Briefkasten des Angeklagten, mit welchem die waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse des Angeklagten widerrufen wurden und sein Jagdschein für ungültig erklärt wurde. Das Landratsamt R. ordnete darin weiter an, dass der Angeklagte die bei ihm befindlichen Waffen samt Munition, insgesamt 10 Büchsen, 5 Flinten, 7 Pistolen, 6 Wechselsysteme für Pistolen und 2 Revolver sowie Nitrozellulose- und Schwarzpulver spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides einem Berechtigtem zu übergeben oder unbrauchbar zu machen habe und darüber dem Landratsamt einen Nachweis zu erbringen habe. Gleichzeitig ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Anordnung an. Das Landratsamt kündigte weiter an, dass es die Waffen gegebenenfalls mit Hilfe eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses kostenpflichtig sicherstellen würde, falls der Angeklagte die Anordnung nicht fristgerecht erfülle.
Ebenfalls am 23.08.2016 erhielt der Angeklagte von dem ihm privat bekannten Polizeibeamten ... über ein Chatprogramm die Mitteilung, dass die Kriminalpolizei Schwabach am 31.05.2016 eine Personenüberprüfung in Staatschutzsachen durchgeführt habe, die im Zusammenhang mit einer waffenrechtlichen Zulässigkeitsprüfung durch das Landratsamt R. stehe. Der Angeklagte hatte zuvor bei seinem Bekannten ... privat angefragt, welche Informationen über ihn bei der Polizei vorliegen würden.
Der Angeklagte kam den Anordnungen des Landratsamtes R. nicht nach. Er antwortete dem Landrat ... mit Schreiben vom 01.09.2016. Darin führte der Angeklagte aus, dass das an die Person ... adressierte Schreiben des Landratsamts R. nicht zustellbar sei. Er forderte den Landrat auf, ihn als Botschafter des Staates P... aus der Familie ...“ zu adressieren. Weiter heißt es in diesem Schreiben des Angeklagten u.a.:
„All mein Tun geschieht immer in friedlicher und liebevoller Absicht. So wünsche ich mir, dass die Angelegenheit geregelt wird, ohne dass ein Mensch zu Schaden kommt. (...)
Um weitere Missverständnisse zu vermeiden: Ich bin der autorisierte Repräsentant ihres Handelsnamens „...“, den sie mit dem Angebot vom 22.08.2016 beanspruchen.
Ihr Handelsangebot an diese Entität fiel mir am [sic] in die Hände und nach Begutachtung muss ich Ihnen (...) mitteilen, dass ich den hierin geäußerten Ansprüchen und Angebotsklauseln so nicht zustimmen kann und weise ihr Angebot ohne Entehrung zurück.“
Der Angeklagte verwies weiter auf seine auf 19 Seiten beigefügten Allgemeinen Handelsbedingungen und Gebührenordnung. In diesen hieß es einleitend u.a.:
[Hervorhebung und Schreibweise wie im Originaldokument]
„1 Herausgeber
1.1. Diese Allgemeinen Handelsbedingungen sind unter dem Handelsnahmen/Trademark ...© (im weiteren Herausgeber genannt) herausgegeben. (...)
17 Entehrungen
Als Entehrung gilt jegliches unehrenhafte, unethische Verhalten einer Partei. Als unethisch gilt ein Verhalten, wenn es nicht dem Wohlergehen des einzelnen sowie der Allgemeinheit in gleicher Weise dient, sondern deren wirtschaftliche, emotionale oder körperliche Schädigung beabsichtigt. Im Besonderen gilt dies für: das Negieren und Nichtakzeptieren des Herausgebers, der Mensch der er IST, das geistig sittliche und beseeltes Wesen und ihn als PERSON oder fiktives Rechtskonstrukt oder Treuhandvermögen anzusehen (...), Vollstreckungen aufgrund nicht staatlich ordnungsgemäß zustande gekommener Gesetze; Durchführung von hoheitlichen Akten, ohne die zweifelsfreie Berechtigung durch den ursprünglichen Souverän nachzuweisen. (...).“
Am 09.09.2016 fragte der Angeklagte über eine Chatnachricht erneut bei dem ihm privat bekannten Polizeibeamten ... an, ob er ihm neue Informationen zu seiner Person mitteilen könne.
Auf Antrag des Landratsamtes R. erließ das Verwaltungsgericht Ansbach am 16.09.2016 ohne Anhörung des Angeklagten einen Durchsuchungsbeschluss für dessen Anwesen, um die Waffen sicherzustellen. Es beauftragte das Landratsamt R. den Beschluss an den Angeklagten zuzustellen.
Das Landratsamt R. beantragte am 20.09.2017 Vollzugshilfe bei der ... R. Diese forderte nach einer Gefährdungsanalyse die Unterstützung des SEK Nordbayern an. Um dem Landratsamt R. die Wohnungsdurchsuchung zur Sicherstellung der Waffen zu ermöglichen, wurde für den 19.10.2016 für 6:00 Uhr ein Polizeieinsatz geplant. Gleichzeitig sollte daneben ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Schwabach vom 01.08.2016 (Az. ...) und ein Haftbefehl des Amtsgerichtes Schwabach (Az. ...) vollzogen werden.
Zur Vorbereitung des Einsatzes wurde am 17.10.2016 die Straßenbeleuchtung in der Nähe des Anwesens des Angeklagten abgeschaltet.
b) Tatgeschehen
Am 19.10.2016 gegen 6 Uhr drangen Spezialeinsatzkräfte der Polizei zeitgleich durch Keller-, Haus- und Terrassentür in das Haus des Angeklagten ... in G. ein. Gleichzeitig wurden an einem unmittelbar vor dem Haus stehenden Mercedes-Sprinter Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet.
Der für den 1. Stock vorgesehene Einsatztrupp drang über die Hauseingangstür ins Erdgeschoss ein, nachdem der Beamte ... diese mit einem Hydraulikspreizgerät geöffnet hatte. Danach betraten die Beamten mit den Kennnummern 106, 39, der Beamte ... und die Beamten mit den Kennnummern 127, 120, 161 und 145 nacheinander das Haus. Die Beamten mit den Nr. 106 und 39 riefen laut „Polizei“ und begaben sich sofort über die unmittelbar hinter der Hauseingangstür gelegene Treppe nach oben. Diese führte auf einen 2 m × 1,13 m großen Treppenabsatz direkt vor die von unten gesehen links gelegene Türe zur Wohnung des Angeklagten im 1. Stock. Die Beamten ... Nr. 127, 120 und 161 folgten ihnen. Alle Mitglieder des Einsatztrupps waren dabei mit einem Schutzhelm und Schutzwesten ausgestattet. Die Schutzhelme hatten im Bereich des Gesichtes ein hervorstehendes transparentes Kunststoffvisier, das den gesamten Bereich des Gesichtes abdeckte. Der Beamte Nr. 106 trug zusätzlich einen ballistischen Stahlschild in dunkler Farbe, mit der weißen Aufschrift „Polizei“ im oberen Drittel und eine entsicherte, halbautomatische Pistole „Glock“. Der Schild hatte eine Höhe ca. von 90 cm und Breite von ca. 50 cm. Der Beamte Nr. 39 trug ein entsichertes Sturmgewehr der Marke Heckler & Koch, Modell G36 C3. Die Waffenlichter an den Waffen der Beamten Nr. 39 und Nr. 106 waren eingeschaltet.
Die ersten Beamten erreichten binnen Sekunden die Wohnungstür des Angeklagten im 1. Stock. Dort schlug der Beamte mit der Nr. 106 mit dem Schild gegen die Türe, um diese zu öffnen. Als dies misslang, rief er den Beamten ... zu Hilfe. Dieser begab sich von der Treppe aus direkt vor die Wohnungstür. Dort ging er in die Hocke, um ein auf dem Rücken getragenes Hydraulikspreizgerät am Türschloss anzusetzen. Die Beamten Nr. 39 und Nr. 106 nahmen Positionen zur Absicherung der Türe ein. Der Beamte Nr. 106 stellte sich mit erhobenem Schild und entsicherter Pistole rechts versetzt neben den Beamten .... Der Beamte Nr. 39 stellte sich links von ihm auf die letzten Treppenstufen, neigte sich vor und brachte sein Sturmgewehr in Anschlag. Die Beamten Nr. 127, 120 und 161 befanden sich teils unter diesem auf der Treppe mit dem Rücken zur Wand teils auf dem Treppenabsatz. Weder der Beamte ... noch die Beamten Nr. 39 und 106 rechneten zu diesem Zeitpunkt mit einem Beschuss durch die Tür.
Der Angeklagte war durch das zeitgleiche Eindringen der Polizei in das Haus über die Keller-, Terrassen- und Eingangstür geweckt worden, nahm die unter seinem Kopfkissen liegende Pistole der Marke „Glock 34“ und ging vom Bett zur Tür des Schlafzimmers. Von dort sah er durch die in der oberen Hälfte verglaste Wohnungstür zunächst Lichter im Treppenhaus. Gleichzeitig nahm er im Treppenhaus und an der ihm schräg gegenüberliegenden Glastür des Badezimmerns blinkendes Blaulicht wahr. Der Anklagte sah dann an der Wohnungstür die Beamten ... und Nr. 106 sowie das Waffenlicht des Beamten Nr. 39. Dabei sah der Angeklagte, dass die Beamten ... und Nr. 106 Helme trugen und der Beamte mit der Nr. 106 einen Schild vor sich hielt. Der Angeklagte erkannte spätestens jetzt, dass es sich um einen Polizeieinsatz mit speziell ausgerüsteten Beamten handelte. Der Angeklagte erkannte ebenfalls, dass sich ein Beamter in der Hocke unmittelbar vor der Wohnungstür befand und sich dieser Beamte keines Angriffs versah. Dem Angeklagten war bewusst, dass die Beamten von Schüssen durch die Tür völlig überrascht werden würden und der hockende Beamte dem Beschuss durch die Tür in diesem Moment nichts entgegensetzen konnte.
Der Angeklagte entschloss sich nun, diese Situation für einen Angriff auszunutzen und den hockenden Beamten zu töten. Dazu gab er in kurzer Reihenfolge elf Schüsse ab, wobei er direkt auf den Beamten ... zielte. Hierbei nahm er billigend in Kauf, dass durch seine Schüsse auch der Beamte Nr. 106 und der Träger des Waffenlichts, der Beamte Nr. 39, getroffen und möglicherweise getötet werden würden.
Der Angeklagte hatte sich entschlossen, den Polizeibeamten ... zu töten und dabei auch den Tod der Beamten Nr. 106 und Nr. 39 in Kauf zu nehmen, weil er in dem Eindringen der Polizei in sein Haus einen unehrenhaften „Angriff“ auf sein „Staatsgebiet“ sah. Beweggrund für sein Handeln war die Verteidigung seines „Staates ...“, zu der er sich berufen fühlte, da er diesen durch die eindringenden Polizeibeamten als Repräsentanten des von ihm nicht anerkannten „Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland“ angegriffen sah. Das Eindringen der Polizeibeamten in sein Haus war für ihn eine Besetzung seines Territoriums, bei welcher die von ihm nicht anerkannten Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gewaltsam durchgesetzt und damit die von ihm für den „Staat ...“ geschaffenen Regeln völlig ignoriert wurden. Der Angeklagte sah sich dadurch zur Verteidigung herausgefordert und berechtigt, wobei für ihn das Leben der nach seiner Bewertung unrechtmäßig handelnden Polizeibeamten keinerlei Rolle spielte. Dabei wusste der Angeklagte, dass sein Handeln nach den Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland verboten war.
Wie der Angeklagte beabsichtigt hatte, traf er den Beamten .... Ein Projektil traf ihn an der linken Schulter. Ein weiteres Projektil traf zunächst seine Einsatzweste, prallte dann an der darunter getragen Schutzweste ab und traf anschließend seinen linken Arm. Ein weiteres Projektil traf ihn an der unteren Einsatzweste und blieb in der Schutzweste stecken. Vier weitere Projektile schlugen in dem vom Beamten ... auf dem Rücken getragenen Öffnungsgerät ein. Ein weiteres Projektil traf den Schild des Beamten Nr. 106 und mindestens ein Projektil traf den Beamten Nr. 39. Zwei Projektile schlugen in das Fenster im Treppenhaus ein.
Die Beamten Nr. 106 und 39 und anschließend auch Nr. 127 erwiderten das Feuer und schossen durch die Tür in die Wohnung. Hierbei erlitt der Angeklagte einen Streifschuss am Kopf. Der Angeklagte erkannte nun, dass er den Beschuss nur unter akuter Lebensgefahr fortsetzen konnte und entschied sich aufzugeben. Er legte eine Schutzweste an und rief „Hallo“ als es zu einer Feuerpause kam. Der Beamte Nr. 120 forderte ihn darauf auf, zur Tür zu kommen und seine Hände zu zeigen. Dem kam der Angeklagte nach, ging zur Tür und öffnete diese. Anschließend wurde er vom Beamten Nr. 120 zu Boden gebracht.
Der Polizeibeamte ... erlitt Schussverletzungen am rechten Ellenbogen und der linken Schulter. Dort drang ein Projektil in den Brustkorb ein und verletzte die Lunge. Der Beamte ... verstarb infolge dieser Verletzungen am 20.10.2016 gegen 03:26 Uhr an einem durch einen Herz- und Kreislaufstillstand hervorgerufenen Hirnschaden. Der Polizeibeamte Nr. 39 wurde am rechten Unterarm getroffen und erlitt eine Verletzung der Trizepsehne. Er musste operiert werden und war bis Anfang Dezember 2016 dienstunfähig. Die Verletzung ist weitgehend verheilt. Der Beamte Nr. 39 leidet jedoch noch manchmal an Schmerzen bei Erschütterung oder Wetterwechseln. Der Polizeibeamte Nr. 106 erlitt eine Risswunde am rechten Augenbrauenrand durch Splitter, die infolge der Schüsse des Angeklagten herumflogen.
c) Nach der Tat
Nachdem der Angeklagte zu Boden gebracht wurde, durchsuchten die Beamten Nr. 106 und Nr. 120 die Wohnung des Angeklagten zur Eigensicherung. Dem Angeklagten wurde am 19.10.2016 um 6:24 Uhr die vorläufige Festnahme erklärt. Er befindet sich seit dem 20.10.2016 in der JVA Nürnberg in Untersuchungshaft.
Bei der Durchsuchung des Schlafzimmers des Angeklagten wurden auf dem Bett ein Pistolenmagazin und ein Messer mit einer 12 cm langen Klinge sowie hinter der Schlafzimmertür bei der Tat verwendete Pistole „Glock“ 34 aufgefunden. Die Pistole war mit einer Patrone geladen und enthielt kein Magazin. In einem Kleiderschrank des Schlafzimmers wurden eine taktische Weste mit sieben Pistolenmagazinen, ein Schreckschussrevolver und in einem Sideboard eine weitere, ungeladene Pistole „Glock“ 23C mit einem Magazin mit 13 Patronen, ein Pistolenholster und vier weitere Pistolenmagazine aufgefunden.
3. Zur Schuldfähigkeit
Zum Zeitpunkt der Tat waren weder die Fähigkeit des Angeklagten das Unrecht, der Tat einzusehen, noch die Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln, vollständig aufgehoben oder auch nur erheblich vermindert.
B. Beweiswürdigung
1. Feststellungen zur Person
Die Feststellungen zu den Personalien des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Reisepass und Personalausweis.
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere zu seinem Lebenslauf, beruhen auf den Angaben des Sachverständigen ..., Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie im Klinikum am Europakanal, der in der Hauptverhandlung über das Ergebnis der beim Angeklagten durchgeführten Anamnese berichtet hat. Sie beruhen weiter auf dem im Selbstleseverfahren eingeführten rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.06.2015 (vgl. Personenakte ..., S. 75–83), dem in der Hauptverhandlung verlesenen Lebenslauf (vgl. BWA I, Bl. 28) sowie den Angaben des die polizeilichen Ermittlungen leitenden Kriminaloberkommissars ..., der insbesondere über die Ermittlungen zur Beschäftigung des Angeklagten als Sportschütze und als Wing-Tsun Lehrer berichtete sowie des Polizeibeamten ..., der über die Ermittlungen zu den finanziellen Verhältnisse des Angeklagten aussagte. Sie beruhen weiter auf dem in der Hauptverhandlung verlesenem Auszug aus dem Bundeszentralregister für den Angeklagten vom 07.07.2017.
Die Feststellungen zu den ideologischen Überzeugungen des Angeklagten beruhen zunächst auf der Verlesung der „Lebenderklärungeri“ (vgl. BWA I, S. 5, 7, 9), der „Proklamation des absoluten Staates ... und Rechtsansprucherhebung“ (vgl. BWA I, S. 283–287), des „Pakt vom 23.08.2016 über die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen den Staaten der freien Menschen“ (vgl. BWA IV – „IT Auswertungen“ 2.5.2), des Briefes an das Landratsamt R. vom 01.09.2016 (vgl. BWA I, Seite 44) und die im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Dokumente „Öffentlicher Eid- und Urkunde/Willenserklärung“ vom 30.11.2015 (vgl. BWA I, S. 221–234), das Schreiben an den Obergerichtsvollzieher ... vom 05.08.2015 (vgl. BWA I, S. 69–73), des „Paktes mit dem absoluten Staat ...“ (vgl. BWA I, S. 288–294) und des „Hintergrundwissen zum „geltenden“ Rechtssystem und wie wir es zum Verschwinden bringen... und mit etwas Besserem ersetzen“ (vgl. BWA I, S. 296–478). Sie beruhen weiter auf dem Bericht der Polizeibeamten ... und ..., die in der Hauptverhandlung beschrieben, dass diese Dokumente im Haus des Angeklagten, teilweise auf Rechnern und Mobiltelefonen, teilweise in Papierform, aufgefunden worden. Die Feststellungen beruhen weiter auf den in Augenschein genommenen Kopien von Phantasieausweisen des Angeklagten (vgl. BWA I, S. 1), auf den Angaben des Sachverständigen ... über die Äußerungen des Angeklagten während der Anamnese und den Angaben der Polizeibeamtin ... die als stellvertretende Dienststellenleiterin der ... R. über ihre Kenntnisse von Polizeieinsätzen beim Angeklagten berichtete, insbesondere über an die Dienststelle gerichtete Unterstützungsersuchen von Gerichtsvollziehern und zur Kennzeichenentstempelung sowie deren Durchführung. Die Feststellungen zur Abgrenzung seines Anwesens mit gelben Linien und der Schilder mit Zutrittsverboten beruhen auf dem Augenschein des Gerichts am Tatort, den Angaben des Nachbarn ... und ... sowie der in der Hauptverhandlung verlesenen „Zutrittsregelung“ (vgl. BWA I, Bl. 38). Die Feststellungen über die Abmeldung des Angeklagten bei der Gemeinde G. und die Rückgabe seines Personalausweises beruhen auf den Angaben des ...
Die Feststellungen über den Kontakt zu gleichgesinnten Personen des Angeklagten beruhen auf den Angaben der Mitbewohner des Angeklagten, den Zeugen ... und ... der Zeuginnen ... und ... sowie des Zeugen ..., der in der Hauptverhandlung verlesenen E-Mail des ... an den Angeklagten vom 07.10.2016 mit einer Einladung zu einem privaten Tagungsseminar mit S.-C. von N. im Haus des Angeklagten (vgl. BWA I, Bl. 24). Sie beruhen weiter auf den Angaben des ... und des Polizeibeamten ... der über die Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten berichtete und den dabei festgestellten Nachrichtenaustausch des Angeklagten mit anderen Personen.
Die Feststellungen zu dem werbenden Auftreten des Angeklagten und der Organisation von Informationsveranstaltungen beruhen auf den Angaben der Zeugin ... die in der Hauptverhandlung beschrieb, wie sie mit dem Angeklagten in Kontakt kam, und an verschiedenen Stammtischen und Informationsveranstaltungen teilnahmen, die vom Angeklagten organisiert wurden. Dabei sei es u.a. um Themen der Verfassung der BRD, das Finanzsystem und den Statuswechsel von „Person“ zum „Menschen“ gegangen. Diese werbenden Aktivitäten des Angeklagten werden weiter bestätigt durch die in seinem Anwesen sichergestellten Unterlagen über welche die Polizeibeamten ... und ... berichteten. So wurde auf einem Rechner des Angeklagten ein unter dem Pseudonym „Hans Meier“ verfasstes, ca. 180 Seiten langes Dokument mit dem Titel „Hintergrundwissen zum „geltenden“ Rechtssystem und wie wir es zum Verschwinden bringen ... und mit etwas Besserem ersetzen...“ aufgefunden, welches der Angeklagte unter anderem per E-Mail an die Zeugin ... versendete. Ein Ausdruck dieses Dokuments wurde, wie der Polizeibeamte ... ausführte, im Büro des Lebensgefährten der Zeugin ..., dem Polizeibeamten ... aufgefunden. In diesem durch Selbstleseverfügung in die Hauptverhandlung eingeführten Dokument finden sich u.a. zahlreiche Verhaltensanweisungen gegenüber Banken (vgl. BWA I, S. 454 – „22. Banken“). Behörden und Gerichten (vgl. „15.3. Wie uns Gerichte hereinlegen und was wir dort nie tun dürfen“ – BWA I, S. 390 ff.), die der Angeklagte teilweise auch selber umgesetzt hat. So weigerte sich der Angeklagte beispielsweise, wie die Kammer in der Hauptverhandlung mehrfach selber feststellte, seinen Nachnamen zu benutzen oder auf ihn zu reagieren (vgl. dazu die Ausführungen im genannten Dokument unter „5. Person, Name“ – BWA I, S. 318 ff.). Dies bestätigten darüber hinaus der Zeuge ... vom Landratsamt R. sowie das in Augenschein genommene Video vom Einsatz des Vollzugsbeamten ..., auf dem zu sehen ist, wie der Angeklagte auf die Benutzung seines Vornamens „W.“ besteht. Der Angeklagte verfasste Schreiben an Behörden mit zahlreichen, aus sich selbst heraus nicht verständlichen Textpassagen und einer „Allgemeine Handels- und Gebührenordnung“, wie sie in dem unter dem Pseudonym „Hans Meier“ verfassten Dokument vorgeschlagen werden (vgl. BWA I, S. 347 und 367). Dies steht für die Kammer fest aufgrund des an den Landrat ... gerichteten Schreibens vom 01.09.2016 und der Angaben des Zeugen ... vom Landratsamt R., der über dessen Erhalt und Inhalt in der Hauptverhandlung aussagte sowie den Ausführungen des Polizeibeamten ..., der über die im Haus des Angeklagten sichergestellten Unterlagen berichtete.
Die Feststellungen zum Vollstreckungsversuch am 25.05.2016 beruhen auf dem in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Video, das den Angeklagten bei Eintreffen der Polizei und des Gerichtsvollziehers sowie deren komplette Unterhaltung zeigt.
Die Feststellungen zu dem Aufruf, ... zu unterstützen und dem Geschehen in G. am 06.07.2016 beruhen auf den Angaben der Zeugen ... und ... sowie den Angaben des Polizeibeamten ... der über die Auswertung des Mobiltelefons des Angeklagten berichtete.
Die Feststellungen zu den Vorgängen bei ... in Re. und die Reaktion des Angeklagten beruht auf den Angaben des ..., des Zeugen ... und der Zeugin ....
2. Feststellungen zur Sache
Die Täterschaft des Angeklagten steht zweifelsfrei fest aufgrund seiner Festnahme am Tatort, der im Schlafzimmer aufgefunden Tatwaffe und seinen Angaben gegenüber dem Polizeibeamten ... am Tatort.
a) Einlassung des Angeklagten
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung zur Sache nicht eingelassen. Er äußerte sich jedoch gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen ... sowie gegenüber Polizeibeamten bei und nach seiner Festnahme. Weiterhin hat er Briefe an das Gericht, die Eltern des verstorbenen Beamten ... und das SEK Nordbayern geschrieben, die in der Hauptverhandlung verlesen wurden.
Der Sachverständige Dr. ... berichtete in der Hauptverhandlung über die Äußerungen, die der Angeklagte während der Exploration zum Tatgeschehen gemacht habe. Der Angeklagte habe angegeben, durch einen Schrei von „Heike“ und großen Lärm aufgeschreckt worden zu sein. Er habe gedacht, der dritte Weltkrieg breche aus. Es seien Türen eingeschlagen worden. Dies habe er als Detonation einer Granate eingeordnet. Es sei dann 2–3 Sekunden Ruhe gewesen. Dann habe er Taschenlampen heraufkommen sehen. Er habe die Pistole durchgeladen und dann auf die Tür geschossen. Er habe zu keinem Zeitpunkt erkennen können, wer da gewesen wären. Er habe nur mitbekommen, dass schreiende Leute raufgekommen seien. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass es die Polizei war. Er habe Sekunden gehabt, um sich „zwischen ♥♥♥ und Held“ entscheiden zu können. Er habe im Leben nie jemanden töten wollen und sei für einen friedlichen Wandel gewesen. Er habe nichts gegen Sicherheitskräfte. Die Polizei sorge ja dafür, dass die öffentliche Ordnung nicht zusammenbreche.
Der ... berichtete von einem ersten Vernehmungsversuch des Angeklagten noch am Tatort gegen 8:25 Uhr. Der Angeklagte habe erklärt, dass er als Mensch sagen könne, dass es ihm Leid täte, dass Polizisten verletzt wurden. Er habe weiter erklärt, dass er mit der „Glock“ unter dem Kopfkissen geschlafen und wegen des Lärms einen Überfall vermutet habe. Dann habe er einfach in Richtung Tür geschossen. Anschließend habe er seine Schutzweste angezogen und sei mit erhobenen Händen zur Tür gegangen.
Dies korrespondiert mit den Äußerungen des Angeklagten gegenüber den Polizeibeamten ... und ..., die den Angeklagten nach der Tat von G. zur ... Sch. verbrachten und dort bewachten. Sie berichteten in der Hauptverhandlung übereinstimmend, der Angeklagte hätte ihnen mehrfach erzählt, dass er dachte, überfallen zu werden. Er sei von Lärm geweckt worden, hätte durch die Türe geschossen und sich erst nach dem Schusswechsel die Schutzweste angezogen.
In einem Brief an das Gericht, der am 25.09.2017 einging, fragte der Angeklagte u.a. nach, ob das Gericht ein Staatsgericht sei und dies nachweisen könne, ob es haftbar sei und ob es überhaupt gegen ein freies menschliches Wesen verhandeln dürfe. Der Angeklagte erklärte darin weiter, dass all sein Streben und Tun in friedlicher Absicht erfolgt sei und er auf einen Überfall reagiert habe, um die Menschen in seinem Haus und sich zu schützen. Er habe nie die Absicht gehabt, jemanden zu verletzen.
In einen Brief an die Familie ... vom November 2016 schrieb der Angeklagte u.a., dass er an dem Geschehen um den Verlust ihres Sohnes beteiligt war und sein Mitgefühl zum Ausdruck bringen möchte. Durch Gewalt von dritter Seite seien an dem Tag gleich zwei Leben zerstört worden. Er habe sein Zuhause gegen einen vermeintlichen „Angriff“ verteidigt. Es seien ihm nur Sekundenbruchteile für eine Entscheidung geblieben. Es sei niemals seine Absicht gewesen, dass ein Mensch zu Tode kommt. In einem weiteren Brief an die Familie ... vom 07.09.2017 erklärt der Angeklagte u.a. erneut, dass er ebenso wie der Beamte ... versucht habe, Menschen zu schützen
In einem Brief an das SEK Nordbayern vom 8.10.2017 schrieb der Angeklagte u.a., dass eine Explosion ihn aus tiefem Schlaf gerissen habe, welche das ganze Haus erschütterte. Es sei ihm unmöglich gewesen, besonnen zu reagieren, da es klirrendes Glas, ohrenbetäubenden Lärm und wildes Geschrei gegeben habe. Er habe Angst vor flächendeckenden Angriffen und Überfällen gehabt. Todesangst und Panik hätten ihm keine Gelegenheit gegeben zu flüchten. Als es für ihn erahnbar gewesen sei, dass es sich um Polizisten handelte, habe er sich sofort ergeben. Er hätte niemals auf Polizisten geschossen. Die Tatsache, dass die Männer an der Haustür so schnell waren, habe gerade dazu geführt, dass es für ihn unmöglich gewesen wäre, sie zu erkennen.
b) Zur Vorgeschichte des Tatgeschehens
Die Feststellungen beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bescheid des Landratsamtes R. vom 22.08.2016, der Verlesung des dazugehörigen Zustellungsnachweises, des Antwortschreibens des Angeklagten an den Landrat ... vom 01.09.2016 und des Durchsuchungsbeschlusses des VG Ansbach vom 16.09.2016 (vgl. TEA II Waffen, Bl. 27–36, BWA I, Bl. 44–44R; TEA II Waffen Bl. 38, 77–80) sowie den im Selbstleseverfahren eingeführten „Allgemeinen Handelsbedingungen und Gebührenordnung“ des Angeklagten (vgl. BWA I, Bl. 45–56).
Die Feststellungen zu dem Anlass der Kontrolle und den Besuchen auf dem Anwesen des Angeklagten, des Eingangs des Schreiben des Angeklagten beim Landratsamt, die Nichtabgabe der Waffen und dem Antrag auf Amtshilfe bei der ... R. beruhen auf den Angaben des Sachbearbeiters beim Landratsamt R., dem Zeugen .... Seine Angaben wurden hinsichtlich der Besuche auf dem Grundstück des Angeklagten von der Mitbewohnerin des Angeklagten ... und hinsichtlich Zweck, Absprache und Planung des Polizeieinsatzes am 19.10.16 von der Polizeibeamtin ... bestätigt. Sie schilderte in der Hauptverhandlung sich nach einer Gefährdungsanalyse dazu entschlossen zu haben, das Spezialeinsatzkommando anzufordern. Diese Schilderung und die Angaben der Polizeibeamtin ... zur Einsatzplanung korrespondieren mit den Angaben des Polizeibeamten ..., der für die Führung des SEK verantwortlich war. Er schilderte insbesondere, dass am 17.10.16 die Straßenbeleuchtung in der Nähe des Anwesens des Angeklagten abgeschaltet wurde. Die Feststellung, dass neben dem Bescheid des Landratsamtes ein Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Schwabach und ein Haftbefehl vollzogen werden sollten, beruht auf den Angaben des ...
Die Feststellungen zu den Nachfragen des Angeklagten beim Polizeibeamten ... am 23.08.2016 und 09.09.2016 sowie zu der erteilten Auskunft beruht auf den Angaben des Polizeibeamten ..., der das Mobiltelefon des Angeklagten auswertete und über den dort vorgefundenen Chatverkehr des Angeklagten mit dem Polizeibeamten ... berichtete. Der Inhalt der Chatnachricht vom 23.08.2016 steht für die Kammer fest aufgrund des Augenscheins der Auswertungsunterlagen.
c) Zum äußeren Tatgeschehen
(1) Tatort und Tatzeit
Die Feststellungen zum Tatort beruhen auf dem Augenschein des Gerichts am Anwesen des Angeklagten und den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern des Hauses sowie des Grundrisses der Wohnung des Angeklagten (vgl. BWA II, TOB-2, 2.5.1 bis 2.5.3), die in der Hauptverhandlung vom Polizeibeamten ... erläutert wurden. Wegen der Einzelheiten der Lage und Gestaltung der Hauseingangstür, der Treppen und des Treppenabsatzes, der Wohnungstür und des Flures im 1. Stock und der dortigen Wohnung des Angeklagten wird auf die Lichtbilder Nr. 4–Nr. 9 (vgl. BWA II, TOB-2, 2.5.1) Bezug genommen. Wegen der Lage und der Größe des Flures im 1. Stock wird auf den Grundriss des 1. Stockes Bezug genommen (vgl. BWA II, TOB-2, 2.5.1).
Die Feststellung der Tatzeit beruht auf den Angaben der Polizeibeamtin ..., der für den Einsatz verantwortlichen Polizeiführerin von der ... R., dem Polizeibeamten Nr. 179 des SEK Nordbayern, der den Einsatz taktisch geleitet hat und das Einsatzsignal gab, sowie den für die Sicherung des 1. Stockes beteiligten Polizeibeamten Nr. 106, 39, 127 und 120. Ihre Angaben stimmen alle dahingehend überein, dass der Einsatz für 6 Uhr geplant und auch gegen 6 Uhr begonnen wurde. Letzteres bestätigten auch die Nachbarn ... und ... und ... und ....
(2) Polizeieinsatz
Die Feststellungen zur Planung und zum Ablauf des Einsatzes der Spezialkräfte beruhen zunächst auf den Angaben des Polizeibeamten ..., der den Einsatz leitete und die Führungsaufsicht über die Spezialkräfte hatte. Er berichtete in der Hauptverhandlung, dass die Aufgabe des SEK die Sicherung des Anwesens des Angeklagten war, um die Durchsuchung durch das Landratsamt R. zu ermöglichen. Die Kammer ist von der Richtigkeit seiner Angaben überzeugt. Sie decken sich in weiten Teilen mit der Aussage des Polizeibeamten mit der Kennziffer 179, der den Einsatz des Spezialeinsatzkommandos taktisch plante und leitete. Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass das SEK nicht vom Landratsamt R. mit der Durchsuchung des Hauses und der Sicherstellung von Waffen beauftragt war. Dies bestätigte auch der verantwortliche Mitarbeiter des Landratsamts, der Zeuge .... Er gab u.a. an, sich für die Durchsuchung mit weiteren Mitarbeitern in der Nähe des Hauses bereitgehalten zu haben.
Der Polizeibeamte P. schilderte, dass der Einsatz entsprechend der Planung um 6 Uhr morgens begann und drei Einsatztrupps jeweils zeitgleich Keller-, Haus- und Terrassentür öffneten und darüber in das Haus eindrangen. Beim Eindringen hätten die Polizeibeamten mehrfach laut „Polizei“ gerufen. Die Kammer hat an diesen Angaben keinerlei Zweifel. Der Zeuge ... beschrieb, dass auch er selber beim Eindringen über die Kellertür laut „Polizei“ gerufen habe. Er erläuterte weiter, dass das laute Rufen „Polizei“ beim ersten Betreten zum taktischen Vorgehen der Spezialeinheiten gehöre, damit diese als Polizeibeamte erkannt werden. Es sei deswegen bei Übungen und Einsätzen Standard. Dies korrespondiert mit den Aussagen der in den Einsatztrupps eingesetzten Spezialkräfte, die in der Hauptverhandlung sämtlich als Zeugen ausgesagt haben. Fast alle der als Zeugen vernommenen Mitglieder des Spezialeinsatzkommandos, die in das Haus eindrangen, gaben an die Rufe „Polizei“ gehört zu haben (Beamte Nr. 26, 106, 39, 110, 120, 145, 170, 196, 48, 182, 164, 176, 15, 109, 155 und 195). Lediglich die Beamten Nr. 3 und Nr. 180 sagten aus, sich an die Rufe „Polizei“ nicht erinnern zu können. Dies ist für die Kammer damit erklärbar, dass beide Beamte unmittelbar zuvor mit dem Öffnen der Türen beschäftigt waren und dementsprechend auch angaben, sich darauf konzentriert zu haben. Der Beamte Nr. 180 schilderte die Entglasung der Terrassentür und der Beamte Nr. 3 beschrieb, wie er die Kellertür öffnete.
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 

Offline Reichsschlafschaf

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Wegen der zweistündigen Schamfrist hier Teil 2:

Spoiler
Die Kammer ist davon überzeugt, dass vor dem Haus ein Mercedes-Sprinter stand, bei dem mit Beginn des Einsatzes Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet worden. Dies ergibt sich für die Kammer aus den Angaben der Beamten Nr. 137, der den Mercedes-Sprinter fuhr und seinem Beifahrer, dem Beamten Nr. 36. Beide Zeugen gaben an, dass sie bei Erhalt des Einsatzsignales über Funk bereits vor dem Anwesen standen. Der Beamte Nr. 36 schilderte, wie er auf das Einsatzsignal wartete, um dann Blaulicht und Martinshorn einzuschalten. Die Kammer hält diese Angaben für glaubhaft, auch wenn der Polizeibeamte ... davon abweichend angab, er habe den Mercedes-Sprinter mit Blaulicht zum Haus fahren sehen. Die Beamten Nr. 36 und Nr. 137 waren sich bei ihrer Aussage beide sicher, dass sie bei Erhalt des Einsatzsignales bereits vor dem Haus standen. Die Kammer ist sich sicher, dass sich der Zeuge ... insoweit irrt. Die Beamten Nr. 36 und Nr. 137 hatten zu Beginn des Einsatzes keine andere Aufgabe als das Vorfahren des Mercedes-Sprinters und das Einschalten der Einsatzsignale, wohingegen dem Zeugen ... die Einsatzleitung oblag und er selbst mit in das Haus über die Kellertreppe vordrang.
Die Feststellungen zur Ausrüstung der Beamten Nr. 106, 39, 127, 120, 161 und 145 beruhen auf ihren jeweiligen eigenen Angaben in der Hauptverhandlung. Wegen der Beschaffenheit der Helme wird auf die Lichtbilder Nr. 22 und 23 (vgl. BWA II, TOB 2, IV. „Waffen und Ausrüstung“, Bl. 15) und wegen des vom Beamten Nr. 106 getragenen ballistischen Schildes wird auf die Lichtbilder Nr. 37–41 (vgl. BWA II, TOB 2, LBT Waffen, S. 24–26) verwiesen. Sie wurden in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen und von den Polizeibeamten ... und ... erläutert. Die Feststellung zur Ausrüstung des Beamten ... beruht auf den Angaben des Polizeibeamten ..., der Beamten Nr. 106 und 39 sowie den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder (vgl. BWA II, TOB 2, IV. „Waffen und Ausrüstung“, Bl. 9–21).
(3) Schussabgabe
Die Feststellung, dass der Angeklagte durch das Eindringen der Polizei in das Haus wach wurde, die Pistole unter dem Kopfkissen hervorholte, zur Schlafzimmertür ging und schoss, beruht auf den Äußerungen des Angeklagten nach der Tat gegenüber den Polizeibeamten ... und ..., die darüber in der Hauptverhandlung berichteten. Die Kammer ist von der Richtigkeit dieser Äußerungen des Angeklagten überzeugt, denn sie stehen im Einklang mit der Bestimmung durch den Sachverständigen ..., Ingenieur für Waffentechnik beim bayerischen Landeskriminalamt. Er erstattete in der Hauptverhandlung ein ballistisches Gutachten, das ergeben hat, dass die im Hausflur aufgefunden Projektile und die bei der Operation des Beamten ... geborgenen Projektile (Spur 5.2.8 und Spur 5.2.9) aus der im Schlafzimmer des Angeklagten sichergestellten Pistole „Glock“ 34 abgeschossen wurden. In Form und Bauart handele es sich um Projektile, die dem in der Wohnung des Angeklagten vorgefundenem Magazin entsprächen. Zudem wiesen sie auch teilweise noch erkennbare Abdrücke des Laufrinnenprofils der Pistole „Glock“ 34 auf. Er erläuterte weiter, dass nach den auf sie zurückführenden Spuren sowie den im Wohnungsflur vorgefundenen Patronenhülsen der Standort des Schützen im Bereich der Schlafzimmertür bestimmt werden konnte. Wie die Beamten Nr. 106 und Nr. 120 berichteten, durchsuchten sie unmittelbar nach den Schüssen die Wohnung, ohne weitere Personen aufzufinden.
Soweit der Angeklagte geäußert hat, bis zum Eindringen der Polizei geschlafen zu haben und erst danach eine Schutzweste angezogen zu haben, konnte dies durch die Beweisaufnahme nicht widerlegt werden. Wieder Beamte Nr. 127 aussagte, war die Schutzweste nicht richtig verschlossen und konnte nach dem Herausbringen des Angeklagten aus dem Haus leicht heruntergezogen werden. Das nachlässige Anlegen der Weste kann durchaus damit erklärt werden, dass der Angeklagte in Eile handelte. Die Beweisaufnahme hat auch keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte die ganze Nacht wach war oder dafür, dass der Angeklagte in der Weste geschlafen hat. Wie die mit dem Öffnen der Keller- und Terrassentür befassten Mitglieder des SEK, die Beamten mit den Nr. 3 und 180, aber auch der Nachbar ..., übereinstimmend angaben, ging mit dem Öffnen der Außentüren erheblicher Lärm einher, so dass die Kammer nicht ausschließen kann, dass der Angeklagte dadurch geweckt wurde.
Die Feststellungen zum Vorgehen des Einsatztrupps im Haus beruht auf den im Wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Polizeibeamten mit den Kennziffern 106, 39, 127, 120, 161 und 145. Der Beamte Nr. 106 schilderte insbesondere, wie er und nach ihm der Beamte Nr. 39, als erster die Wohnungstür im 1. Obergeschoss erreichte und diese nicht öffnen, konnte. Er beschrieb weiter, wie sie den als Techniker fungierenden Polizeibeamten ... riefen und zur Seite traten. Der Beamten Nr. 127 und 120 gaben an, sich darunter auf der Treppe an der Wand hintereinander aufgestellt zu haben.
Die Position und Haltung der Beamten Nr. 106 und Nr. 39 bei Beginn der Schüsse des Angeklagten beruht auf ihren eigenen Angaben in der Hauptverhandlung. Beide Beamte schilderten, dass sie entsprechend ihrer Ausbildung automatisch die Wohnungstür absicherten. Der Beamte Nr. 106, indem er den Schild vor sich hielt und der Beamte Nr. 39, indem er das Sturmgewehr in Anschlag brachte. Dabei habe er mit dem Waffenlicht des Sturmgewehrs die Tür angeleuchtet. Die Kammer hält diese Angaben für glaubhaft. Auch andere Mitglieder des Spezialeinsatzkommandos, die Beamten Nr. 176 und 51, schilderten in ihren Vernehmungen, dass sie im Rahmen der Ausbildung als Spezialkräfte gelernt hätten, grundsätzlich mit Beschuss zu rechnen, auch durch Türen.
Der Beamte Nr. 106 beschrieb sichtlich ergriffen in der Hauptverhandlung weiter, wie sich der Polizeibeamte ... dann hingehockt und versucht habe, am Türschloss ein Werkzeug anzusetzen, als sich die Tür vor ihm praktisch auflöste und er Schläge gegen sein Schutzschild sowie herumfliegende Splitter wahrnahm. Er sei davon völlig überrascht gewesen und habe zunächst gedacht, es sei eine Sprengfalle. Er sei vorher noch niemals beschossen worden. Anschließend hätten er aus der Pistole und sein Kollege aus dem Gewehr in die Wohnung zurückgeschossen. An der Glaubhaftigkeit dieser Angaben bestehen für die Kammer keinerlei Zweifel. Der Beamte Nr. 106 war bei seiner Vernehmung trotz des bereits etwa ein Jahr zurückliegenden Vorfalls sichtlich bewegt. Er schilderte den Einsatz plastisch und detailreich. Seine Angaben werden weitgehend bestätigt durch die Beamten Nr. 39, 127 und 120, welche in der Hauptverhandlung ihre Wahrnehmung des Beschusses von der Treppe aus berichteten. Der Beamte Nr. 39 schilderte ebenso, dass er über den Beschuss völlig perplex gewesen sei.
(4) Schussanzahl und Treffer
Die Feststellungen zur Anzahl der vom Angeklagten abgegebenen Schüsse und deren Treffern beruht auf dem ballistischen Gutachten des Sachverständigen ... sowie auf den Angaben des Spuren sichernden Polizeibeamten .... Beide erläuterten in der Hauptverhandlung, dass in der Wohnung des Angeklagten insgesamt elf Patronenhülsen aufgefunden wurden.
Der Sachverständige ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass den Beamten ... durch die Türe aus der Wohnung insgesamt sieben Schüsse getroffen hätten. Vier Schüsse hätten das auf dem Rücken getragene Hydraulikgerät getroffen und drei Schüsse seine Einsatzweste, wobei die Projektile teilweise multiple Beschädigungen an der Einsatzkleidung hervorgerufen hätten. Dies hätten die Untersuchung der ihm zur Verfügung gestellten Ausrüstungsgegenstände, die Untersuchung des Tatortes sowie die bei der Obduktion des Beamten ..., bei der er, der Sachverständige, anwesend gewesen sei, festgestellten Verletzungen ergeben. Von den übrigen vier Projektilen habe eines die Optik des vom Beamten Nr. 39 getragenen Sturmgewehrs und dann dessen Unterarm und eines das Schild des Beamten Nr. 106 getroffen. Zwei Projektile seien ohne Treffer ins Fenster des Treppenhauses eingeschlagen.
Diese Ausführungen des Sachverständigen ... waren für die Kammer anhand der in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder von den Verletzungen der Beamten ... und Nr. 39 sowie den Beschädigungen an den Ausrüstungsgegenständen (vgl. Lichtbilder S. 1193–1198, 1201–1202 d.A.) plastisch nachvollziehbar und in sich schlüssig. Die Kammer schließt sich ihnen an. Der Sachverständige ... ist ihr bereits aus anderen Verfahren bekannt. Er verfügt als Gutachter des Bayerischen Landeskriminalamtes über große forensische Erfahrung und eine umfassende Sachkenntnis im Bereich der Untersuchung von Schusswaffen und Munition.

(5) Verletzungsfolgen
Die Feststellungen zu den Verletzungen des Beamten ... und dessen Ableben beruhen auf den in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern (vgl. BWA II, TOB-2, V. Obduktion) und den Angaben der Sachverständigen ... und .... Wegen der Einzelheiten der Lage und Ausgestaltung der Schussverletzungen wird auf die Lichtbilder Nr. 4, 7, 8, 21, 22 Bezug genommen (vgl. BWA II, TOB-2, V. Obduktion, S. 3, 5, 12). Der den Beamten ... obduzierende Sachverständige ... erläuterte anhand der Lichtbilder, dass ein Projektil am rechten Oberarm und eines an der linken Schulter eingedrungen sei. Das in die linke Schulter eingedrungene Projektil sei nach unten abgelenkt worden und habe die linke Lungenseite durchschlagen.
Der Sachverständige Prof. Dr. ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass der Tod des Beamten ... als Folge der Schussverletzung der Lunge durch einen Sauerstoffmangel im Gehirn verursacht worden sei. Die Schussverletzung habe zu einem Spannungspneumothorax sowie erheblichen Blutungen in die Brusthöhle geführt. Der Sauerstoffmangel sei entweder die Folge eines durch die Lungenverletzung ausgelösten Kreislaufzusammenbruchs oder des Spannungspneumothorax gewesen. Eine realistische Überlebenschance habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Feststellung der Verletzungen der Beamten Nr. 106 und 39 und deren Folgen beruhen auf deren eigenen Angaben in der Hauptverhandlung.
Die Kammer hat an der Richtigkeit dieser Ausführungen keinerlei Zweifel. Der Sachverständige Prof. Dr. ... hat die medizinischen Zusammenhänge nachvollziehbar und plausibel erläutert. Seine Ausführungen stehen ohne weiteres im Einklang mit dem durch den Sachverständigen ... erläuterten pathologischen Befunden.
Die Feststellung der Streifschussverletzung des Angeklagten beruht auf den Lichtbildern des Angeklagten (vgl. Abbildungen Nr. 2 und 3, Bl. 448 d.A.; Bild Nr. 7–12, Bl. 461–465 d.A.) sowie den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... und des Polizeibeamten .... Wie der Sachverständige Prof. Dr. ... anhand der Aufnahmen der Verletzung erläuterte, würden bereits die spindelförmige Morphologie der Wunde und die schmalen Schürfränder auf eine Schussverletzung hinweisen. Für eine Schusswunde spräche weiterhin, dass an der Verletzung kein Hautlappen aufzufinden sei. Auch dies sei charakteristisch für Schussverletzungen, da Hautfetzen bei Kontakt mit dem Projektil pulverisiert werden würden. Zwar könne aus rechtsmedizinischer Sicht nicht vollkommen ausgeschlossen werden, dass die Wunde auf den Schlag mit dem Lauf einer Schusswaffe zurückzuführen sei. In diesem Fall müsste aber mit ganz erheblicher Kraft zugeschlagen worden sein und sich Gewebereste am Lauf auffinden lassen. Die Kammer schließt dies aus folgenden Gründen aus: Wie der Polizeibeamte ... berichtete, seien weder an einer der verwendeten Waffen Hautfetzen aufgefunden worden, noch hätten die Ermittlungen Hinweise dafür ergeben, dass der Angeklagte mit dem Lauf einer Schusswaffe geschlagen wurde. Zwar hat der den Angeklagten überwältigende Polizeibeamte Nr. 120 in seiner Vernehmung angegeben, es sei möglich, dass der Angeklagte mit dem Kopf gegen seine Maschinenpistole gestoßen sei, als er ihn zu Boden brachte. Ein derartiger dynamischer Vorgang wäre aber weder mit dem gleichmäßigen Verletzungsbild in Einklang zu bringen, noch wird dabei eine erhebliche Kraft in Richtung des Schädels ausgeübt.

An der rechtsmedizinischen Kompetenz von Prof. Dr. ... hat die Kammer keinerlei Zweifel. Er verfügt aufgrund seiner Tätigkeit am Institut für Rechtsmedizin bei der Universität Erlangen-Nürnberg über eine große forensische Erfahrung und ist der Kammer aus zahlreichen Verfahren als sachkompetent bekannt.
d) Zum inneren Tatgeschehen
(1) Tötungsvorsatz
(aa) Beamter E...
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte mit der Absicht schoss, den Polizeibeamten ... zu töten. Diese Überzeugung der Kammer gründet auf einer wertenden Einzel- und Gesamtbetrachtung des Tatgeschehens. Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte den vor der Wohnungstür hockenden Beamten sah, als Polizeibeamten erkannte und die Schüsse gezielt auf ihn abgab.
(11) Der Angeklagte wusste, dass Schussverletzungen besonders gefährlich sind und zum Tod führen können. Dies ist allgemein bekannt und so auch dem Angeklagten. Der Angeklagte verfügte darüber hinaus als Sportschütze über besondere Waffenkenntnisse, insbesondere über die durch Schüsse ausgelöste Gefährlichkeit und die von Querschlägern ausgehende Gefahr. Dies steht für die Kammer fest, da der Angeklagte sonst nicht Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten, des kleinen Waffenscheines, sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse und eines Jagdscheines hätte werden können. Voraussetzung für die Erteilung dieser Erlaubnisse ist jeweils auch der Nachweis besonderer waffentechnischer Sachkunde. Dass der Angeklagte über diese Erlaubnisse verfügte, ergibt sich aus dem Bescheid des Landratsamtes R. vom 22.08.2016.
(22) Der Angeklagte wusste, dass sich mehrere Menschen unmittelbar vor der Wohnungstüre aufhielten, als er schoss.
Der Angeklagte hat gegenüber dem Sachverständigen ... selber angegeben, dass er schreiende Leute mit Taschenlampen habe heraufkommen sehen. Die Kammer hat keinerlei Grund an diesen Angaben des insoweit als Zeugen aussagenden Sachverständigen zu zweifeln. Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Angeklagte insoweit zutreffende Angaben gemacht hat, da die in den ersten Stock vordringenden Polizeibeamten Waffenlichter benutzten und sich durch die Rufe „Polizei“ zu erkennen gaben (vgl. oben Seite 23).
Der Angeklagte konnte auf den ersten Blick durch die teilverglaste Wohnungstür sehen, dass sich der Beamte ... direkt vor der Tür der Hocke befand. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Schussposition des Angeklagten an der Schlafzimmertür, der von dort kurzen Entfernung der Wohnungstür und des Augenscheines vom Tatort und der dabei vorgenommen Nachstellung des Betretens des Einsatztrupps bis zum hin zum Vordringen in den 1. Stock.
Die Schlafzimmertür befindet sich am Ende des 3,46 Meter langen Flures der Wohnung. Die Entfernung zur Wohnungstür vom vorderen Rahmen der Schlafzimmertür beträgt 2,29 Meter. Diese Längenmaße stehen fest aufgrund der Angaben der Sachverständigen ..., Ingenieurin beim Bayerischen LKA, welche die Wohnung mit Hilfe eines Laserscans vermessen und darüber in der Hauptverhandlung berichtete und des in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen ...ans der Wohnung (vgl. BWA II, TOB 1, 2.5.3 – S. 65–66), den der Polizeibeamte ... erläuterte und der mit den Angaben der Sachverständigen ... übereinstimmte.
Die Kammer konnte beim Ortstermin von der Schlafzimmertür aufgrund der Erleuchtung des Treppenhauses und Flures allein durch die Waffenlampen und das Blaulicht ohne Schwierigkeiten wahrnehmen, dass sich mehrere Personen im Flur aufhielten. Obwohl das Glas in der Tür die Wahrnehmung etwas verzerrte, konnte die Kammer deutlich eine stehende sowie eine hockende Person vor der Tür erkennen. Dabei sah die Kammer, dass beide Personen Helme trugen und die stehende Person ein Schild vor sich hielt. Auch war neben den beiden Personen – aus Sicht der Wohnung des Angeklagten – deutlich eine weitere Lichtquelle zu sehen. Für die Kammer steht deswegen fest, dass der Angeklagte wusste, dass sich drei Personen vor der Wohnungstür befanden.
Die Kammer ist sich sicher, dass die Nachstellung mit dem Geschehen bei der Tat weitgehend vergleichbar ist. Bei der Nachstellung am Tatort wurden dieselbe Ausrüstung und Waffen verwendet. Zwar wurden die Beamten dabei bis auf den Beamten Nr. 145 von anderen Mitgliedern des Spezialeinsatzkommandos dargestellt. Die Nachstellung erfolgte aber nach Anleitung dieses Beamten. Er war am Einsatz als Truppführer für den 1. Stock direkt beteiligt. Er berichtete in der Hauptverhandlung darüber, dass er die nachstellenden Beamten nach seiner Erinnerung an den Einsatz und mittels der Angaben der Beamten Nr. 106, 39, 127, 120 und 161 angeleitet habe. Die Nachstellung des Verhaltens der Beamten E..., Nr. 106 und Nr. 39 entsprach den Angaben, welche die Beamten Nr. 106 und 39 zuvor in der Hauptverhandlung selbst gemacht hatten und auch von den Beamten Nr. 127 und 120 in der Hauptverhandlung geschildert worden war. Wie der Polizeibeamte ... berichtete, entsprach auch die nach dem Einsatz angefertigte neue Wohnungstür der beim Einsatz beschädigten Türe, insbesondere wurde das gleiche Glas verwendet.
Die Kammer ist sich auch sicher, dass die Lichtverhältnisse denen zur Tat vergleichbar waren. Diese Überzeugung beruht einmal auf den vergleichbaren Lichtverhältnissen außerhalb des Hauses. Die Nachstellung fand knapp ein Jahr nach der Tat, am 11.10.17, gegen 6 Uhr früh statt, also zur gleichen Jahreszeit. Zudem waren auch die Wetterbedingungen vergleichbar, denn wie am Tattag gab es auch beim Augenschein einen ständigen Nieselregen. Dies wiederum steht für die Kammer fest aufgrund der Inaugenscheinnahme des unmittelbar nach der Tat aufgenommenen Videos des Nachbarn ... in der Hauptverhandlung, auf dem die Wetterverhältnisse kurz nach der Tat und ein Teil des Anwesens des Angeklagten zu sehen sind, insbesondere die Hauseingangstür, sowie der neben dem Haus stehende Mercedes-Sprinter. Auf dem Video ist der Teil des Einsatzes zu sehen, in welchem der Beamte ... und der Angeklagte aus dem Haus gebracht werden. Aufgrund dieses Videos ist die Kammer auch sicher, dass sich der Mercedes-Sprinter mit dem Blaulicht beim Augenschein an der gleichen Position wie am Tattag befunden. Auch im Haus wurden bei der Nachstellung vergleichbare Lichtverhältnisse simuliert. Das Licht im Wohnungsflur war nicht eingeschaltet. Dies entsprach nach den Angaben der Beamten Nr. 106 und Nr. 39 der Situation zur Tat. Die Kammer ist sich bewusst, dass aufgrund des weitgehend dynamischen Geschehens eine exakte Rekonstruktion der sich ständig bewegenden Waffenlampen bei der Bewegung des Einsatztrupps durch das Treppenhaus nicht möglich ist. Die Kammer hat daher zur Beurteilung auf die Auswirkung der Wahrnehmbarkeit im Flur des 1. Stockes verschiedene Szenarien nachstellen lassen. Während im ersten Szenario der Einsatz ohne besondere Anweisungen nachgestellt wurde, haben im zweiten Szenario abweichend vom Einsatz die den Beamten Nr. 106, ... und Nr. 39 folgenden vier Mitglieder des Einsatztrupps im Treppenhaus durch Bewegung der Waffenlampen ein möglichst großes Lichtflackern bewirkt. Die Kammer hat festgestellt, dass dies auf die Wahrnehmbarkeit der beiden Personen im Flur keine Auswirkungen hat. Diese waren selbst bei einem dritten Szenario, in welchem die nachstellenden Beamten – ebenfalls abweichend vom Einsatz – zwei Waffenlampen direkt an das Glas der Wohnungstür hielten, für die Kammer noch deutlich zu erkennen.

(33) Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte die Beamten ... und Nr. 106 als Polizeibeamte erkannt hat und wusste, dass noch eine weitere Person an dem Einsatz beteiligt ist. Die Kammer schließt aus, dass der Angeklagte irrig von einer Notwehrsituation ausging, insbesondere nicht von einem Überfall, wie er dies gegenüber dem Sachverständigen ..., einigen Polizeibeamten nach seiner Festnahme und im Schreiben an das Gericht angab. Diese Überzeugung der Kammer beruht auf einer Einzel- und Gesamtwürdigung der in der Hauptverhandlung gewonnen Erkenntnisse:
(aaa) Die polizeilichen Ermittlungen haben keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Angeklagte von irgendwelchen Personen konkret bedroht wurde. Die Kammer hat auch sonst keinerlei Hinweise darauf, dass der Angeklagte irrtumsbedingt von einem Überfall auf sein Haus ausging. Zwar hat die Kammer feststellen können, dass es dem Angeklagten wichtig war, über genügend Vorräte für den Notfall zu verfügen, dessen Eintritt der Angeklagte insbesondere als eine Folge des Zusammenbrechens des Bank- und Finanzsystems für möglich hielt. Dies schilderten unabhängig voneinander die Zeugen ... und .... Für eine Bedrohung des Angeklagten durch Dritte hätten die umfangreichen polizeilichen Ermittlungen, wie der die Ermittlungen leitende KOK ... berichtete, nicht den geringsten Anhaltspunkt ergeben.
(bbb) Dem Angeklagten war spätestens seit Anfang September 2016 bewusst, dass bei ihm ein Polizeieinsatz wegen der Sicherstellung der Waffen zu erwarten war. Das Landratsamt R. hatte dem Angeklagten im Bescheid vom 24.08.2016 mitgeteilt, dass es bei Nichteinhaltung der Fristen auch zur Wohnungsdurchsuchung kommen kann. Der Angeklagte wusste, dass er dem Bescheid innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht nachgekommen war, insbesondere seine Waffen, nicht abgegeben hatte. Damit steht auch im Einklang, dass der Angeklagte bei der Tat einen Teil der Waffen nicht mehr in seinem Haus verwahrte, sondern bereits im Vorfeld von dort weggebracht hatte oder wegbringen ließ. Dies ergibt sich aus den Ermittlungen der Polizeibeamten ... und ..., die in der Hauptverhandlung berichteten, dass im Haus nur einige der vom Landratsamt R. beschriebenen Waffen aufgefunden wurden, nämlich fünf Lang- und drei Kurzwaffen. Die fehlenden Waffen seien zum Teil in einer vom Angeklagten angemieteten Garage in G. und zum Teil am Waldrand in der Nähe des Rhein-Main-Donaukanals bei Rednitzhembach aufgefunden worden. Wie der Polizeibeamte ... berichtete seien am Rhein-Main-Donaukanal am 24.10.2016 in den frühen Morgenstunden mehrere Kisten abgestellt wurden, in und auf welchen sich insgesamt neun Waffen des Angeklagten und Munition befunden hätten. Die Ablage mehrere Tage nach der Tat ergebe sich aus den Wetterverhältnissen, dem teilweise noch trockenen Zustand der Kisten sowie einer frischen Reifenspur. Der Polizeibeamte ... berichtete über die Ermittlungen zu den Waffen in der Garage in G.. Es habe sich um vier Schusswaffen gehandelt, die im Vergleich zu den anderen auf den Angeklagten registrierten Waffen besonders hochwertig waren. Die Zeugen ... und ... bestätigten die Anmietung der Garage durch den Angeklagten im August 2016. Der Zeuge ... konnte sich darüber hinaus daran erinnern, dass das Lagerabteil zunächst leer war und der Angeklagte eine Woche vor der Tat etwas einlagerte.
Dem Angeklagten war aufgrund unmittelbar erlebter Vollstreckungen weiter bekannt, dass die Behörden zur Unterstützung die Polizei beiziehen. Sowohl bei dem Vollstreckungsversuch des Beamten ... am 25.05.2016 auf seinem Anwesen in G., als auch bei der Vollstreckung gegenüber seinem Bekannten ... am 06.07.2016 in G. hatte der Angeklagte persönlich erlebt, dass die Polizei unterstützend eingreift. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Aussagen der Zeugen ... und ... sowie durch das in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Video des Vollstreckungsversuches vom 25.05.2016. Besonders beeindruckt war der Angeklagte jedoch, wie die Kammer aufgrund der Angaben der Zeugin ... feststellte, von dem zeitlich mit dem Bescheid des Landratsamts zusammenfallenden Polizeieinsatz bei seinem Bekannten ... am 25.08.2016, bei dem es zu einem Schusswaffeneinsatz von Spezialkräften der Polizei kam und ... verletzt wurde.
Das Bewusstsein des Angeklagten ein potentielles Ziel polizeilicher Maßnahmen zu sein, wird ferner bestätigt durch seine Versuche herauszubekommen, welche Kenntnisse bei der Polizei über ihn vorliegen. Dazu kontaktierte der Angeklagte den ihm privat bekannten Polizeibeamten ... über ein Chatprogramm, wiederum in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Bescheid des Landratsamts vom 23.08.16. Wie der Polizeibeamte ... in der Hauptverhandlung schilderte, ergab die Auswertung des Mobiltelefons Samsung des Angeklagten, dass der Polizeibeamte ... am 23.08.2016 dem Angeklagten polizeiinterne Informationen über ihn weitergab. Der Angeklagte habe auch am 09.09.2016 noch einmal explizit nach Informationen der Polizei über sich selbst beim Polizeibeamten ... nachgefragt. Damit steht schließlich auch die Aussage des Zeugen ... in Einklang, der den Angeklagten zu seinem Geburtstag um den 13.09.2016 in G. besuchte und davon in der Hauptverhandlung noch zu berichten wusste, dass der Angeklagte von den Behörden etwas erwartet habe, weil er sich wegen der Waffen so verweigere.
(ccc) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte spätestens ab dem 15.10.2016 damit rechnete, dass der Polizeieinsatz unmittelbar bevorsteht. Dies steht fest aufgrund der Aussagen der Polizeibeamten ... und ..., die von ihren Erkenntnissen über das Gespräch des Angeklagten mit dem Polizeibeamten ... am 08.10.2016 berichteten, des Zeugen ..., dem der Angeklagte am 15.10.2016 von einem möglichen SEK-Einsatz erzählte, und der Zeugen ... und ..., die beide berichteten, sich einige Tage vor der Tat mit dem Angeklagten über die ausgeschaltete Straßenbeleuchtung unterhalten zu haben, was dieser mit einem bevorstehenden „Einmarsch“ der Polizei in Verbindung gebracht habe.
Dem Angeklagten wurde bei einem gemeinsamen Essen mit dem ihm privat bekannten Polizeibeamten ... am 08.10.2016 in seinem Haus in G. der mögliche Einsatz eines Spezialkommandos zur Sicherstellung der Waffen ausdrücklich in Aussicht gestellt. Die Kammer ist davon überzeugt aufgrund der Angaben der Polizeibeamten ... und .... Der Zeuge ... selbst hat zwar in der Hauptverhandlung die Aussage unter Berufung auf § 55 StPO verweigert. Die beiden Polizeibeamten berichteten aber übereinstimmend, dass dies der Zeuge in seiner Vernehmung am 23.11.2016 zu seinen Kontakten mit dem Angeklagten so angegeben hätte. Der Zeuge ... habe ausgesagt, dass die Sprache auch auf den Vorfall mit ... und die angedrohte Einziehung der Waffen durch das Landratsamt R. gekommen sei. Er habe angegeben, dem Angeklagten erklärt zu haben, dass der Staat am längeren Hebel sitze, seine Maßnahmen letztlich durchsetzen und die Waffen holen werde. Der Staat würde dies, falls erforderlich, auch mit dem SEK durchsetzen. Die Kammer hat keinerlei Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Sie ist sich dabei insbesondere auch bewusst, dass die beiden Polizeibeamten lediglich ein Hören-Sagen wiedergeben und ihren Angaben daher ein vergleichsweise geringerer Beweiswert zukommt. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass sich die Polizeibeamten richtig an diesen Punkt der Vernehmung erinnern, da sie nach der Vernehmung hierüber einen Aktenvermerk fertigten. Beide Polizeibeamte gaben nämlich an, dass der Zeuge ... bei der Protokollierung seiner Aussage, diese Passage gestrichen haben wollte, da es so aussehen könnte, dass er den Angeklagten vor einem möglichen Einsatz gewarnt hätte. Es sei dann aufgenommen worden, dass er den genauen Wortlaut nicht mehr angeben könne und dem Angeklagten sinngemäß zu verstehen gegeben hätte, dass der Staat am Ende seine Maßnahmen auch gegen den Willen der Betroffenen durchsetze. Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Polizeibeamte ... bei seiner Vernehmung durch die Beamten ... und ... zutreffende Angaben über das Treffen mit dem Angeklagten machte. Zum einen bestätigte auch der Mitbewohner des Angeklagten ..., dass es das gemeinsame Essen am 08.10.2016 gab. Zum anderen ist kein Grund erkennbar, warum sich der Zeuge ... in einer polizeilichen Vernehmung zu Unrecht belasten sollte.
Dass der Angeklagte jedenfalls spätestens vier Tage vor der Tat, also am 15.10.2016, mit einem bevorstehenden Einsatz von Spezialkräften konkret rechnete, zeigt für die Kammer die Aussage des völlig unbeteiligten Zeugen .... Er schilderte in der Hauptverhandlung wie er den Angeklagten am 15.10.2016 in einem ...-Club in N.-A. kennengelernt habe, in welchem er an diesem Abend einen Pokertisch für ein mobiles Casino betreut habe. Es sei zum Spaß und nicht um Geld gespielt worden. Er sei gegen 23.30 Uhr näher mit dem Angeklagten ins Gespräch gekommen, da er als einziger Spieler am Tisch verblieben sei. Der Angeklagte habe sich als „Wolfgang“ vorgestellt und ihn darauf angesprochen, ob er sich schon einmal über Deutschland Gedanken gemacht habe. Er habe u.a. geäußert, dass Deutschland eine GmbH sei und er deswegen außerhalb des Rechtssystems stehe, da er nicht deren Angestellter sei. Deswegen zahle er auch keine Steuern. Der Angeklagte habe ihm dann erzählt, dass er demnächst mit einem Besuch der Polizei oder des SEK rechne. Wenn die probieren reinzukommen, würde er ein paar von ihnen mitnehmen. Er sei Sportschütze und habe eine ordentliche Anzahl an Waffen zu Hause. Dabei habe der Angeklagte mit erhobener Hand eine warnende Geste gemacht.
Die Kammer hält diese Angaben des Zeugen ... für glaubhaft. Seine Aussage in der Hauptverhandlung war mit den wesentlichen Angaben bei seiner polizeilichen Vernehmung konstant. Er wirkte auf die Kammer ruhig und sachlich. Die Kammer konnte bei ihm weder Be- noch Entlastungseifer erkennen. So stellte der Zeuge ... den Angeklagten beispielswiese durchweg als angenehmen und sehr netten Menschen dar. Man habe gemerkt, dass er „Niveau“ habe und kein „Dummer“ sei. So habe er von ungültigen Staatsverträgen gesprochen und seine Ansichten auch begründet. Er habe einen vernünftigen Eindruck gemacht. Auch schilderte der Zeuge ..., dass der Angeklagte nicht ausdrücklich davon gesprochen habe, dass er auf die Polizei schießen würde. Aufgrund seiner Ausdrucksweise „von denen nehme ich ein paar mit“, sei aber ganz klar gewesen, dass er dies damit meinte. Auf konkrete Nachfrage der Kammer schloss der Zeuge ... ein anderes Verständnis sicher aus. Es sei eindeutig gewesen. Dabei machte der Zeuge die erwähnte Geste des Angeklagten nach, indem er die erhobene rechte Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger schüttelte.
Die Kammer hat auch keinen Zweifel an der Aussage des Zeugen ... soweit dieser darin schildert, dass der Angeklagte ausdrücklich auch von einem SEK gesprochen habe. Zum einen war der mögliche Einsatz eines Spezialkommandos dem Angeklagten aufgrund des Vorfalls mit ... bewusst. Zum anderen steht aufgrund eines in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Ausdruckes fest, dass dieser sich über das Spezialeinsatzkommando informierte. Wie der Polizeibeamte ... in der Hauptverhandlung erläuterte, handelt es sich bei dem in Augenschein genommenen Dokument um das Ergebnis einer Abfrage auf der Internetplatform www...de, einem Anbieter für digitale Wirtschaftsinformationen (vgl. BWA I, Seite 26). Der Ausdruck enthielt Informationen zum „Polizeipräsidium Mittelfranken“ – „Polizeiinspektion Spezialeinheiten Nord“, was für die Kammer zeigt, dass der Angeklagte entweder selber eine entsprechende Abfrage vornahm oder hat vornehmen lassen. Der Zeuge ... hat schließlich auf Antrag des Angeklagten auch ohne zu zögern oder seine Angaben in irgendeiner Weise zu berichtigen oder zu relativieren, deren Richtigkeit beeidet.
Die Kammer hält den Zeugen ... für glaubwürdig. Der Zeuge hatte weder vor noch nach dem 15.10.2016 Kontakt zu dem Angeklagten. Es war eine reine Zufallsbekanntschaft. Der Zeuge ... erklärte der Kammer nachvollziehbar, wie es dazu kam, dass er sich bei der Polizei selber gemeldet habe. Er sei nach der Verbreitung der Tat durch die Medien von einem Kollegen auf den Angeklagten angesprochen worden. Auch das gesamte übrige Auftreten des Zeugen ... hat für die Kammer keinerlei Anhaltspunkte geboten, die seine Glaubwürdigkeit in Frage stellen könnten.
Ferner hat der Angeklagte einige Tage vor der Tat, als er von seiner Mitbewohnerin ... auf die ausgefallene Straßenbeleuchtung angesprochen wurde, von sich aus ein „Einmarschieren“ angesprochen. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte dies auf einen Polizeieinsatz bezog. Die Zeugin ... schilderte den Vorfall in der Hauptverhandlung. Der Angeklagte habe ein Gespür gehabt, dass etwas passieren werde. Er habe dann wörtlich gesagt, „die werden doch jetzt nicht hier irgendwo einmarschieren“. Die Kammer schenkt diesen Angaben der Zeugin ... Glauben, obwohl die Zeugin in der Hauptverhandlung einen deutlichen Entlastungseifer an den Tag legte und insgesamt einen unglaubwürdigen Eindruck erweckte. Die Kammer folgt ihren Angaben dennoch, weil sie durch die Angaben des Zeugen ... und ein in der Hauptverhandlung abgespieltes Telefonat vom 01.11.2016 bestätigt werden, in welchem die Zeugin ... den Vorfall einer Freundin schildert. Auch wenn sich die Zeugin ... in der Hauptverhandlung nicht mehr erinnern wollte, ob es dabei konkret um ein „Einmarschieren“ der Polizei gegangen sei, hat die Kammer daran keinen Zweifel. Dies bestätigte nämlich in der Hauptverhandlung der bei dem Gespräch ebenfalls anwesende Zeuge .... Die Kammer schenkt seinen diesbezüglichen Angaben Glauben, da der Zeuge den Angeklagten damit belastete, obwohl er sonst immer wieder sichtlich bemüht war, den Angeklagten zu entlasten und möglichst knapp zu antworten. Es war dem Zeugen ... sichtlich unangenehm, zu den Fragen der Kammer Stellung zunehmen. Er bestätigte letztlich jedoch seine diesbezüglich bereits gegenüber der Polizei gemachten früheren Angaben.
(ddd) Neben diesen Umständen ist die Kammer weiter davon überzeugt, dass der Angeklagte vor der Abgabe der Schüsse auf die Wohnungstür durch deren Glas die Reflektionen des Blaulichts im Treppenhaus wahrnahm und erkannte, dass die vor der Tür stehenden Personen Helme trugen und eine davon ein Schild vor sich hielt. Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Angeklagte durch die Einsatzgeräusche geweckt wurde und sich nach dem Aufwachen zunächst orientieren musste.
Die Überzeugung der Kammer beruht auf den Augenschein vor Ort und der dabei vorgenommenen Nachstellung des Einsatzes. Die Kammer konnte sich dabei selbst ein Bild von den Sichtverhältnissen aus der Schussposition des Angeklagten bei der Schlafzimmertür machen. Sowohl die Helme als auch der Schild waren auf den ersten Blick sichtbar (vgl. oben Seite 30). Der verwendete Schutzschild war aufgrund seiner Größe nicht zu übersehen (vgl. oben Seiten 12, 24). Hinzu kommt, dass die Reflektion des Blaulichts nicht nur im Treppenhaus durch die teilverglaste Wohnungstür sondern – in den Szenarien Nr. 1 und 2 (vgl. oben Seite 31) – auch auf der Glastür zum Badezimmer deutlich erkennbar war. Zwar war die Glastür des Badezimmers, wie zum Tatzeitpunkt, im oberen rechten Bereich mit einem Handtuch verhangen, die Kammer konnte beim Augenschein das Blaulicht jedoch ohne weiteres wahrnehmen. Lediglich im Szenario Nr. 3 (Halten von zwei Waffenlampen direkt an das Glas der Wohnungstür) war das flackernde Blaulicht, insbesondere dessen blaue Farbe, nicht mehr deutlich zu erkennen. Die Kammer schließt dieses Szenario jedoch aus, da die Beamten Nr. 39 und Nr. 106 bei dem Einsatz ein direktes Hineinleuchten in den Flur mit zwei Waffenlampen direkt am Türglas nicht beschrieben haben. Die Kammer ist sich aufgrund der Lage der Schlaf- und Badezimmertür auch sicher, dass der Angeklagte die Reflektion des Blaulichts nicht übersehen hat. Denn die Badezimmertür ist vollständig aus Glas und befindet sich im Flur der Schlafzimmertür schräg gegenüberliegend in Richtung Wohnungstür. Sie lag daher unmittelbar im Blickfeld des Angeklagten als dieser sich vom Schlafzimmer Richtung Flur begab, um seine Schussposition auf Höhe der Schlafzimmertür zu erreichen. Selbst wenn der Angeklagte kurz zuvor wegen des Lärmes aufgewacht und aufgeregt war, konnte er dies nicht übersehen. Denn der Angeklagte musste zunächst aus dem Bett aufstehen, seine Waffe ergreifen und bis zur Schlafzimmertür laufen.
(eee) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte mit dem Erkennen der Helme, des Schutzschildes und des Blaulichtes aufgrund seines Rechnens mit einem bevorstehenden Einsatz von Spezialkräften sofort wusste, dass es sich um die Polizei handelt. Diese Überzeugung wird auch nicht durch die Angabe des Angeklagten in Zweifel gezogen, durch einen Schrei von „Heike“ aufgeschreckt worden zu sein. Ein solcher Schrei der Mitbewohnerin des Angeklagten ... hat sich in der Beweisaufnahme schon nicht bestätigt.
(44) Der Angeklagte gab insgesamt elf Schüsse ab und diese in schneller Reihenfolge, wie die Polizeibeamten Nr. 106, 39, 127, 120, 161 und 145 in der Hauptverhandlung übereinstimmend beschrieben. Die Kammer schließt daher aus, dass der Angeklagte lediglich zur Warnung schießen wollte.
(55) Der Angeklagte schoss gezielt auf den hockenden Beamten.
Diese Überzeugung der Kammer beruht einmal darauf, dass der Angeklagte ein Sportschütze ist, der im Umgang mit Waffen geübt ist (vgl. oben Seite 16).
Diese Überzeugung der Kammer beruht weiter auf dem Trefferbild. Der hockende Beamte und seine Ausrüstung wurden von sieben der elf abgefeuerten Projektile getroffen (vgl. oben Seite 40).
Diese Überzeugung der Kammer beruht schließlich auf dem Umstand, dass der Angeklagte in einer nach unten verlaufenden Schussbahn aus einer Entfernung von maximal 3,46 Metern geschossen auf die Wohnungstür geschossen hat (vgl. oben Seite 30). Der Verlauf der Schussbahnen steht für die Kammer ebenfalls aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen ... fest. Er erläuterte anhand einer schematischen Abbildung (vgl. Bl. 1199 d.A.), dass er durch die multiplen Beschädigungen an der Kleidung und dem Hydraulikspreizgerät die Schussrichtungen rekonstruieren konnte. Alle Schüsse hätten den Beamten ... aus einer von rechts oben nach links unten abfallenden Richtung getroffen. Die Mehrheit der Schüsse sei dabei durch den Glasbereich der für gegangen. Aus der Lage der Treffer und der Beschädigungen gehe zudem hervor, dass der Beamte ... bei dem Beschuss in Bewegung gewesen sei, da das Trefferbild ansonsten nicht mit der Beschädigungen an der Wohnungstür in Einklang zu bringen sei.
(66) Schließlich stehen auch die eigenen Angaben des Angeklagten nach der Tat mit einem absichtlichen Handeln ohne weiteres in Einklang. Denn der Angeklagte hat sowohl gegenüber dem Sachverständigen ... als auch in seinem in der Hauptverhandlung verlesenen Brief an die Eltern des verstorbenen Beamten ... vom November 2016 von einer Entscheidung gesprochen, die er gefällt habe. Auch wenn der Angeklagte diese Entscheidung in Sekundenschnelle getroffen hat, bestätigt dies, dass der Schussabgabe eine Entscheidung vorausging.
(bb) Beamte Nr. 106 und 39
Für die Kammer steht fest, dass der Angeklagte erkannte, dass er durch seine Schüsse die Beamten Nr. 106 und Nr. 39 ebenfalls in Lebensgefahr brachte und ihm deren Tod zumindest gleichgültig war. Die Kammer hat keinerlei Zweifel, dass der Angeklagte bei der Abgabe der Schüsse wahrnahm, dass sich auf dem Flur vor der Wohnungstür neben dem Beamten ... noch mindestens zwei weitere Personen befanden. Die Kammer ist davon aufgrund des Augenscheins am Tatort überzeugt. Der Angeklagte konnte aus seiner Position im Bereich der Schlafzimmertür den direkt vor der Tür stehenden Beamten Nr. 106 und das Waffenlicht des Beamten Nr. 39 deutlich sehen, als er auf den Beamten ... zielte und schoss [vgl. oben Seite 39]. Es war ihm daher klar, dass sich neben dem Beamten ... mit dem Beamten Nr. 106 und dem Träger des Waffenlichts mindestens noch zwei weitere Personen in unmittelbarer Nähe seines Ziels vor der Wohnungstür befanden. Der Angeklagte wusste, dass sie unmittelbar Gefahr liefen, von den Schüssen getroffen zu werden. Ihm war zudem aufgrund seiner waffentechnischen Kenntnisse bekannt, dass beim Einsatz von Schusswaffen in beengten Räumen immer die Gefahr von Querschlägern besteht, die wiederum zu lebensgefährlichen Schussverletzungen führen können (vgl. oben Seite 29). All dies hielt ihn von seinem Handeln jedoch nicht ab.
(cc) Weitere Beamte
Die Kammer konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Angeklagte darüber hinaus Tötungsvorsatz hinsichtlich einer weiteren Person hatte. Aus der Position des Angeklagten bei der Schussabgabe war nicht zu erkennen, dass sich außer dem Waffenlicht des Beamten Nr. 39 noch eine weitere Lichtquelle neben den Beamten ... und Nr. 106 befand. Dies steht für die Kammer aufgrund des Augenscheines am Tatort und der dabei vorgenommenen Nachstellung fest. Zudem hielten sich auf dem Flur vor der Wohnungstüre und der letzten Treppenstufe auch keine weiteren Personen auf. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Aussage des Beamten Nr. 127, der in der Hauptverhandlung angab, unter dem Beamten Nr. 39 im Treppenhaus mit dem Rücken zur Wand gestanden zu haben, und der Aussagen der Beamten Nr. 102 und Nr. 161.
(2) Ausnutzungsbewusstsein
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte erkannte, dass die Beamten Ernst, Nr. 39 und Nr. 106 nicht mit einem Beschuss rechneten und sich auch sonst keines Angriffs versahen. Anders als die Beamten Nr. 39 und Nr. 106 hatte der Beamte ... gegen die Schüsse keinerlei faktische. Verteidigungsmöglichkeit.
(aa) Die Kammer hat keinerlei Zweifel, dass die Beamten ..., Nr. 39 und Nr. 106 trotz ihrer Ausbildung als Spezialkräfte durch die Schüsse völlig überrascht wurden, wie letztere beiden auch in der Hauptverhandlung angaben (vgl. oben Seite 26) Auch wenn den Beamten in ihrer Ausbildung vermittelt wurde, grundsätzlich mit Beschuss auch durch Türen zu rechnen, ließ dieses theoretische Wissen das Überraschungsmoment nicht entfallen, denn für einen Beschuss durch den Angeklagten bestanden im Vorfeld keinerlei Hinweise. Vielmehr war die ganze Einsatzplanung, wie der Zeuge ... und der taktische Einsatzführer, der Beamte Nr. 179, aussagten, darauf ausgelegt, den Angeklagten früh morgens um 6 Uhr zu überraschen und so jeden Widerstand von vornherein auszuschließen. Das Haus war zu Beginn des Einsatzes völlig dunkel und ruhig, wie die als Sicherungsschützen eingesetzten Polizeibeamten Nr. 114 und 149 in der Hauptverhandlung schilderten. Auch das Verhalten des Beamten ..., der sich ohne weiteren Schutz durch ein Schild unmittelbar vor der Wohnungstür in die Hocke begab, belegt, dass er in diesem Moment nicht mit einem Beschuss durch die Tür rechnete.
(bb) Dass der Angeklagte dies erkannte, beruht auf dem Augenschein am Tatort und der dabei vorgenommenen Nachstellung des Einsatzes sowie dem vom Sachverständigen ... erläuterten Spurenbild der Schüsse des Angeklagten (vgl. Seite 40). Die Kammer konnte beim Augenschein auf den ersten Blick sehen, dass aus der Position des Angeklagten bei Schussabgabe ohne weiteres erkennbar war, in welcher Position sich eine unmittelbar vor der Wohnungstür stehende Person befindet. Dies konnte der Angeklagte nicht übersehen, selbst wenn er nur ganz kurz auf die Wohnungstür blickte und dabei auch berücksichtigt wird, dass der Angeklagte kurz vorher von Lärm wach geworden und aufgeregt war. Die Kammer ist deswegen sicher, dass der Angeklagte erkannte, dass sich der Beamte ... vor der Tür in hockender Haltung befand und anders als der – aus Sicht des Angeklagten – links hinter ihm stehende Beamte Nr. 106, keinen Schild vor sich hielt. Die Überzeugung der Kammer beruht weiter darauf, dass der Angeklagte seine Schüsse gezielt auf den Beamten ... abgab (vgl. oben Seite 39), denn er erkannte, dass der andere Beamte durch den erhobenen Schild geschützt war. Zwar verfehlten vier Schüsse den Beamten .... Aufgrund des Trefferbildes insgesamt, insbesondere der Vielzahl der vom Beamten ... erlittenen Treffer, ist die Kammer aber davon überzeugt, dass der Angeklagte dessen ungeschützte Situation vor der Tür erkannte und in ihrer Bedeutung für seine Tat erfasste.
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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Und hier Teil 3:

Spoiler

(3) Beweggründe für das Tatgeschehen
Die Motivation des Angeklagten steht für die Kammer aufgrund einer Einzel- und Gesamtwürdigung des Verhaltens des Angeklagten fest, insbesondere aufgrund der vor der Tat für ihn immer mehr zum Lebensinhalt werdenden staatsleugnenden Überzeugungen als souveräner und freier Mensch in dem von ihm gegründeten „Staat ...“ zu leben und diesen zu verteidigen.

(11) Die Kammer schließt aus, dass der Angeklagte handelte, um die Sicherstellung der Waffen zu verhindern. Denn zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Großteil der sicherzustellenden Waffen bereits außerhalb des Hauses (vgl. oben Seite 32).

(22) Die Kammer ist davon überzeugt, dass die staatsleugnenden Theorien und Überzeugungen zur Selbstverwaltung den Angeklagten ab 2015 immer mehr beschäftigten und sein Streben, ein freier und souveräner Mensch zu werden, ein zentraler Lebensinhalt wurden. Der Angeklagte trat werbend für seine Überzeugungen auf (vgl. oben Seite 17). Wie die Zeugen ... und ... in der Hauptverhandlung aus ihren jeweiligen Kontakten mit dem Angeklagten als Wing-Tsun Trainer unabhängig voneinander schilderten, machte der Angeklagte bereits seit 2015 immer wieder Ausführungen, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und die Legitimität staatlicher Gebühren in Frage stellten. Dies führte teilweise zu Einbußen sozialer Kontakte. So beschrieb der Zeuge ... für die Kammer detailliert, wie sich seine früher enge Beziehung zum Angeklagten, den er bereits seit ca. 15 Jahren kennt, in den letzten zwei Jahren aufgrund der „komischen“ Ansichten des Angeklagten immer weiter lockerte. Der Zeuge ... schilderte, dass er deswegen sein Training beim Angeklagten schließlich abgebrochen habe. Der Angeklagte habe immer mehr absurde Themen verfolgt, wie dass man keine GEZ oder IHK-Beiträge zahlen müsse, es die BRD nicht gäbe und jeder Mensch ab dem Tag der Geburt auf einem Konto 40 Millionen Dollar habe, von denen er leben könne. Auch der Sachverständige ... berichtete der Kammer, dass sich die letzte Lebensgefährtin des Angeklagten wegen seiner ideologischen Ansichten Mitte 2015 von ihm trennte. Dies habe der Angeklagte ihm gegenüber angegeben. Die Kammer hat an der Richtigkeit dieser Angaben keinerlei Zweifel, da auch der Zeuge ... in seiner Aussage von der Trennung berichtete und die Angaben des Angeklagten bestätigte.

All dies mündete schließlich im Mai 2016 in der Proklamation eines eigenen „Staates ...““, mit welchem der Angeklagte eigenes Recht für sein Anwesen in G. setzen wollte.

(33) Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte spätestens seit Anfang September 2016 davon überzeugt war, dass ein „Angriff“ auf den „Staat ...“ durch die Behörden bevorstand.

Diese Überzeugung gründet zum einen auf den Erfahrungen des Angeklagten mit der Unterstützung seines Bekannten ... gegen dessen Zwangsräumung und dem Eindruck, den der dortige Polizeieinsatz bei ihm hinterließ. Der Angeklagte stand mit ... bereits vor August 2016 in Kontakt und unterstützte ihn bei der für den 24.08.2016 angekündigten Räumung seines Grundstücks in Re., indem er sich vor Ort begab und so gemeinsam mit anderen Unterstützern eine Räumung an diesem Tag verhinderte. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Angaben der Polizeibeamten ... und ..., die in der Hauptverhandlung über die Auswertung der Chatverläufe berichteten, die auf den Rechnern und Mobiltelefon des Angeklagten gefunden wurden. Der Polizeibeamte ... schilderte insbesondere, dass zwischen dem Angeklagten und ... ein regelmäßiger Kontakt über SMS bestand. Diese Angaben wurden in der Hauptverhandlung auch durch die Freunde und Bekannten des Angeklagten, die Zeugen ... und ..., bestätigt, denen gegenüber der Angeklagte von seiner Fahrt berichtete. Im Vorfeld der Fahrt nach Re. erstellte der Angeklagte den Entwurf eines Paktes über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Staaten der freien Menschen „...“ und „...“, der ab dem 23.08.2016 gelten sollte. Wie der Polizeibeamte ... in der Hauptverhandlung erläuterte, wurde auf einem Rechner des Angeklagten ein entsprechendes Dokument sichergestellt. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung durch Verlesung feststellte, dass sich die Staaten „...“ und „...“ darin gegenseitig wirtschaftlich, ideologisch und militärisch unterstützen wollten (vgl. BWA IV – „IT Auswertungen“ 2.5.2).

Wie eine langjährige Freundin des Angeklagten, die Zeugin ..., berichtete, war der Angeklagte von dem Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Grundstücks von ... am 25.08.2016 und der dabei von ... erlittenen Schussverletzung schockiert. Die Zeugin konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie am 25.08.2016 mit dem Angeklagten eine Motorradfahrt unternommen hat, als dieser davon erfuhr. Sie schilderte in der Hauptverhandlung plastisch, wie fassungslos der Angeklagte darüber gewesen sei. Er habe blankes Entsetzen darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Polizei mit 200 Beamten gegen das Haus eines Privatmannes vorgegangen sei und auf ... geschossen habe. Dies steht in Einklang mit der Wahrnehmung des Zeugen ..., der schilderte, dass der Angeklagte in diesem Zusammenhang von einem Überfall gesprochen habe, der eigentlich ein Mordversuch durch das SEK gewesen sei.

Für die Kammer steht fest, dass der Angeklagte seit Anfang September von einem bevorstehenden „Angriff“ der Behörden auf den „Staat ...“ ausging. Dies gründet zunächst darauf, wie sich der Angeklagte nach dem angekündigten Vorgehen des Landratsamtes R. verhielt. Dessen Bescheid die Waffen abzugeben oder zu vernichteten und dies ggf. im Wege der Durchsuchung durchzusetzen, wies der Angeklagte mit Schreiben vom 01.09.2016 als „nicht zustellbar“ zurück. Gleichzeitig beteuerte er darin, dass sein Tun „immer in friedlicher und liebevoller Absicht“ geschehe. Für den Angeklagten stand danach zumindest potentiell auch ein gewaltsamer Konflikt im Raum, denn er schrieb an dieser Stelle ohne ersichtlichen Anlass weiter: „So wünsche ich mir, dass die Angelegenheit geregelt wird, ohne dass ein Mensch zu Schaden kommt“. Diese Auffassung des Angeklagten wird für die Kammer weiter bestätigt durch die Schilderungen der Zeuginnen ... und .... Auch ihnen gegenüber sprach der Angeklagte jeweils ohne konkreten Anlass von „friedlichen“ Lösungen. Die Zeugin ..., die den Angeklagten als Wing-Tsun Schülerin seit 2014 kennt, gab an, dass ihr der Angeklagte davon erzählt habe, dass das Landratsamt wegen der Waffen zu ihm kommen werde und er hoffe, dass er das friedlich regeln könne. Auch gegenüber der Zeugin ... einer langjährigen Bekannten, erwähnte der Angeklagte, wie sie selbst berichtete, dass er ohne einen konkreten Anlass von sich heraus auf eine friedliche Einigung mit dem Landratsamt wegen der Waffen zu sprechen kam. Wie der Mitarbeiter des Landratsamts ... jedoch in der Hauptverhandlung berichtete, unternahm der Angeklagte nach dem Schreiben vom 01.09.16 keinerlei Kontaktversuche zum Landratsamt. Für die Kammer steht daher fest, dass sich der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt gedanklich damit auseinandersetzte, dass es wegen der vom Landratsamt R. geforderten Waffenabgabe zu einer gewaltsamen Eskalation kommen kann.

(44) Für die Kammer steht sicher fest, dass der Angeklagte das Eindringen der Polizei in sein Haus als unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat“ wahrnahm und er sich zu dessen Verteidigung berufen und verpflichtet fühlte.

Diese Überzeugung beruht, erstens, auf den vom Angeklagten selbst erstellten „Pakt mit dem absoluten Staat ... (vgl. BWA I, S. 288–294), welcher in der Hauptverhandlung verlesen wurde und in dem er für jeden in ... – also insbesondere für sich selbst –, die Pflicht und den heiligen Auftrag vorsah, alles zu unternehmen, um die Freiheit des Volkes ... zu garantieren. Für den Angeklagten war dazu insbesondere auch der Rückgriff auf Gewalt legitim. Dies zeigt bereits seine Formulierung von Artikel 5 des Paktes. Denn dort regelt er, dass jedes Wesen aus ... das Recht auf Gewalt hat, insbesondere auch zum Schutz des Eigentums. In seiner „Proklamation des absoluten Staates ... und Anspruchserhebung“ führt der Angeklagte auf Seite 4 weiter aus, dass der Staat ... verspricht, zu jedem Zeitpunkt die Freiheit des Volkes ... mit „Blut, Eisen und Feuer“ zu verteidigen (vgl. BWA I, S. 287). Angesichts dieser Formulierungen schließt die Kammer aus, dass der Angeklagte das von ihm festgesetzte Recht auf Gewalt durch die – ebenfalls im „Pakt mit dem absoluten Staat ...“ von ihm festgesetzten heiligen Pflichten „in Liebe zu leben“ oder „niemanden zu schaden“ relativieren wollte.

Die Kammer schließt weiter aus, dass der Angeklagte sich zur Verteidigung des Rechtsweges bedienen wollte, da er damit die Existenz der von ihm nicht anerkannten Rechtsordnung bestätigt hätte. Diese Überzeugung der Kammer beruht auf den Angaben des Zeugen ..., der den Angeklagten seit 2008 durch ihre gemeinsame Beschäftigung mit Wing-Tsun kannte. Er schilderte in der Hauptverhandlung, dass sie für Fortbildungen in der Wing-Tsun Zentrale regelmäßig gemeinsam nach Heidelberg gefahren seien. Im August 2016 habe der Angeklagte ihm auf einer Fahrt auch von der Aufforderung des Landratsamts erzählt, die Waffen abzugeben. Auf den Rat doch vor Gericht zu gehen, wenn er sich ungerecht behandelt fühle, habe der Angeklagte erwidert, dass er Staat und Justiz nicht anerkenne. Wenn er vor Gericht ginge würde er aber dann das System ja anerkennen. Die Kammer hat an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... keinerlei Zweifel. Er machte seine Angaben in der Hauptverhandlung ohne erkennbaren Be- oder Entlastungseifer.

Zweitens geht die Kammer davon aus, weil das ganze Verhalten des Angeklagten zeigt, dass er auf die Einhaltung der von ihm gesetzten Regeln mit aller Entschlossenheit bestand und dafür auch schwer wiegende persönliche Nachteile in Kauf nahm. Dies zeigt beispielsweise die Trennung von seiner Lebensgefährtin als Folge der von ihm gelebten Überzeugungen und der Rückzug von Freunden (vgl. dazu oben Seite 43). Auch die auf seinen Überzeugungen beruhende Negierung seines Nachnamens, dessen Gebrauch der Angeklagte entgegen der ständigen gesellschaftlichen Übung im Alltag und gegenüber Behörden beharrlich verweigerte, zeigt der Kammer, wie sehr der Angeklagte seinen Prinzipien verhaftet war. Davon konnte sich die Kammer in der Hauptverhandlung ein eigenes Bild machen, in welcher der Angeklagte bis zum Schluss auf Anreden mit dem Nachnamen nicht reagierte.

Drittens beruht die Überzeugung der Kammer darauf, dass der Angeklagte das Erstürmen seines Hauses als illegale Besetzung seines Staats wahrnahm. Dies wird belegt durch das Verhalten des Angeklagten im Vorfeld der Tat. Der Angeklagte hatte die Grenzen seines Grundstücks bereits vor der Proklamation des Staates ... im Mai 2016 durch gelbe Linien deutlich sichtbar gemacht und durch mehrere Verbotsschilder den Zutritt untersagt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren sie für den Angeklagten eine „Staatsgrenze“, die sein Territorium markierte. Das Eindringen der Polizei war für ihn eine Besetzung. Davon ist die Kammer einmal aufgrund des Videos vom Vollstreckungsversuch des Beamten ... vom Hauptzollamt Regensburg am 25.05.16 überzeugt, auf welchem zu sehen ist, wie der Angeklagte ihn unmittelbar vor seiner gelb markierten Grundstücksgrenze stehend darauf hinweist, das er fremdes Staatsterritorium betrete. Dies bestätigte sich für die Kammer zum anderen in der Hauptverhandlung durch den Zeugen .... Er berichtete, dass der Angeklagte die Mitarbeiter des Landratsamtes nicht hereingelassen habe, da sie sein Territorium nicht betreten dürften. Die Kammer hat an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben keinen Zweifel. Der Zeuge ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass er früher auch einen Waffenschein gehabt habe und es daher zu dem Gespräch über die Waffen gekommen sei. Dabei habe er dem Angeklagten erzählt, dass er vom Landratsamt keine Verlängerung seines Waffenscheins bekommen habe. Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, dies nicht zu akzeptieren, denn es gebe die Bundesrepublik Deutschland und das Landratsamt eigentlich gar nicht. Deswegen sei das Ganze auch nicht rechtens.

Die Überzeugung beruht, viertens, auf dem Umstand, dass der Angeklagte die eindringenden Polizeibeamten als Repräsentanten eines Scheinstaates ansah, die ohne staatliche Legitimation handelten. Dies steht für die Kammer aufgrund der Überzeugung des Angeklagten fest, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht existierte und eigentlich eine GmbH sei, wie sie die Zeugen ... und ... – insoweit alle übereinstimmend – in der Hauptverhandlung beschrieben. Diese Überzeugung fand ihren Niederschlag auch in der vom Angeklagten verfassten „Proklamation des absoluten Staates ... und Anspruchserhebung“ wieder, in welcher auf Seite 3 ausdrücklich von einer fiktiven Rechtsordnung gesprochen wird (vgl. BWA I, S. 286). Der Angeklagte leitete daraus die Nichtexistenz staatlicher Behörden und damit auch die Unverbindlichkeit ihrer Handlungen ab, wie z.B. des Finanzamts mit der Folge keine Steuern zahlen zu müssen, wie die Zeugen ... und ... schilderten, oder des Landratsamtes, mit der Folge einer Waffenkontrolle nicht nachkommen zu müssen, wie der Zeuge ... berichtete. Die Kammer hat deshalb keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte die Polizeibeamten entsprechend dieses Argumentationsmusters als unberechtigt handelnde Funktionsträger des Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland ansah.

Die Überzeugung der Kammer beruht schließlich auch darauf, dass der Angeklagte die Besetzung seines Hauses als einen unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat ...“ ansah. Dies fußt auf dem Umstand, dass dem Angeklagten aus seiner Sicht die nicht anerkannten Gesetze der Bundesrepublik Deutschland mit dem Eindringen der Polizeibeamten gewaltsam oktroyiert wurden. Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte dies als unehrenhaft empfunden hat, da damit seine Reaktion auf den Bescheid des Landratsamt R. („die Zurücksendung des Bescheides mit der Bitte um Weiterleitung an die Person HERR ...“ beim Standesamt R., wo diese Person vermutlich erschaffen und verwaltet wird“ – vgl. BWA I, S. 44) völlig ignoriert wurde und statt dessen mit dem Polizeieinsatz eine Zwangsmaßnahme eingeleitet wurde. Dies wird für die Kammer auch durch die von dem Angeklagten an das Landratsamt R. versandten „Allgemeinen Handlungsbedingungen und Gebührenordnung“ bestätigt, in welcher es unter § 17 Entehrungen u.a. heißt, dass insbesondere „das Negieren und Nichtakzeptieren des Herausgebers, der Mensch IST“ und die „Anwendung ungültiger oder nichtiger oder rechtswidriger Gesetze“ unethisch und damit unehrenhaft sei.

(4) Aufgabe der Tat
Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte sein Tun aufgab, weil er durch die massive Gegenwehr der Polizeibeamten erkannte, dass er sich nach dem Verlust des Überraschungsmomentes bei weiteren Schüssen selbst in akute Lebensgefahr bringen würde. Diese Überzeugung der Kammer gründet zum einen auf dem objektiven Geschehensablauf. Wie die Polizeibeamten Nr. 39, 106 und 127 in der Hauptverhandlung berichteten, erwiderten sie alle das Feuer des Angeklagten und schossen durch die Wohnungstüre in Richtung des Angeklagten. Die Beamten Nr. 106 und 127 schossen dabei aus halbautomatischen Pistolen, der Beamte Nr. 39 schoss dabei aus einem Sturmgewehr der Marke Heckler & Koch. Damit war ein erheblicher Lärm verbunden. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Angaben der Beamten Nr. 39, 127, 106 und des Sachverständigen .... Dieser berichtete über das Ergebnis der Spurensicherung, die ergab, dass insgesamt von den Polizeibeamten 32-mal in die Wohnung des Angeklagten geschossen wurde, davon zehnmal vom Beamten Nr. 39 aus dem Sturmgewehr. Weiter sei eine Vielzahl der dabei verschossenen Projektile in unmittelbarer Nähe des Angeklagten um die Schlafzimmertür herum eingeschlagen seien. Drei Projektile seien in die Bürotür einschlugen, die unmittelbar neben der Schlafzimmertür am Ende des Flures gelegen war. Zwei Projektile seien in die Deckenverkleidung des Flures und fünf Projektile in die Wand neben der Bürotür eingeschlagen. Die Überzeugung der Kammer gründet weiter darauf, dass der Angeklagte dabei auch von einem Streifschuss am Kopf getroffen wurde. Der Angeklagte erkannte spätestens daran, dass er bei einer weiteren Schussabgabe in unmittelbare Lebensgefahr geraten würde. Deswegen entschloss er sich, sich zu ergeben.

e) Zum Geschehen nach der Tat
Die Feststellungen zur Durchsuchung der Wohnung beruhen auf den Angaben der Polizeibeamten Nr. 106, Nr. 120, dem Polizeibeamten ... und dem Sachverständigen .... Die Feststellungen über die vorläufige Festnahme und die Untersuchungshaft beruhen auf den Angaben der Polizeibeamten ... und ... Die Feststellungen zu dem Ladezustand der im Schlafzimmer aufgefundenen Pistolen beruhen auf den Angaben des Sachverständigen .…

f) Zur Schuldfähigkeit
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhen auf dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ..., der den Angeklagten bei sechs Besuchen in der JVA Nürnberg exploriert hat. Der Sachverständige hatte Einblick in die Ermittlungsakten sowie die beigezogene Zivilakte des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. .... Er hat in der Hauptverhandlung erläutert, dass er beim Angeklagten keine relevante psychiatrische Diagnose stellen könne. Der Sachverständige führte insbesondere aus, dass beim Angeklagten zwar eine Vielzahl von ungewöhnlichen Verhaltensweisen und Geschehnissen zu beobachten gewesen seien, diese aber aus psychiatrischer Sicht keinen Krankheitswert hätten.
1. Der Sachverständige ... berichtete, dass für ihn bei der Beurteilung vor allem drei Aspekte von Bedeutung seien:
Zum einen das Erleben und Verhalten des Angeklagten in der letzten Zeit vor der Tat. Zwar habe der Angeklagte eine Einordnung als „Reichsbürger“ stets zurückgewiesen, seine Aktivitäten hätten aber mit dem als solchen charakterisierten Personenkreis durchaus korrespondiert. Dies finde seinen Ausdruck in dessen Verhalten mit Bezug zur Selbstverwaltung, insbesondere gegenüber Behörden und Banken, welches sich in der Exploration, anhand der beim Angeklagten aufgefundenen Korrespondenz und den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen gezeigt habe. Der Angeklagte erkenne die Bundesrepublik Deutschland nicht an und habe ein eigenes Staatsgebiet proklamiert. Er habe seinen Wohnsitz bei der Gemeinde G. abgemeldet und seinen Personalausweis zurückgegeben. Auch die beim Angeklagten aufgefundenen Unterlagen, wie beispielsweise Phantasieausweise und die „Lebenderklärungen“, belegten die Intensivität der Befassung mit diesen Themen. Die ungewöhnliche Beschäftigung damit sei auch Freunden des Angeklagten aufgefallen, die sie teilweise als Verschwörungstheorien bezeichneten. Der Angeklagte habe gegenüber der Polizei, aber auch gegenüber dem Sachverständigen, von vornherein darauf bestanden, dass er sich nicht mit der „Person“ – „Herr ...“ identifizieren könne und darauf bestanden immer mit „...“ angesprochen zu werden.

Der Angeklagte sei aber durchaus in der Lage zu reflektieren, dass er früher mit dem Finanzsystem anders umgegangen sei und davon während seiner Tätigkeit als Vermögensberater auch selbst profitiert habe.

Beim Werdegang sei vor allem von Interesse gewesen, dass der Angeklagte zwei Ehen geführt habe, eine gewisse Affinität zum Glücksspiel aufweise und sich zuletzt in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hätte. Auch sei der Angeklagte von Waffen fasziniert gewesen.

Das im Entschuldigungsschreiben an die Eltern des Beamten ... ausgedrückte Mitgefühl zeige, dass sich der Angeklagte mit den Folgen seiner Tat auseinandersetze.

Zum anderen sei von Bedeutung, dass der Angeklagte über verschiedenste soziale Kontakte verfügte und dabei als friedlicher bzw. auch ungewöhnlicher Mensch wahrgenommen werde. Auch wenn einzelne Personen geäußert hätten, sich aufgrund von dessen Überzeugungen von ihm distanziert zu haben, sei der Angeklagte von dem Großteil seiner Bekannten positiv erlebt worden. Auf eine sich im sozialen Nahfeld auswirkende Abnormität könne nicht geschlossen werden. Allerdings habe sich die letzte Partnerin des Angeklagten im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen über dessen ungewöhnliche Überzeugungen von ihm getrennt, was den Angeklagten belastet hätte.

Schließlich seien die Erkenntnisse über den Gesundheitszustand im Hinblick auf den neurologischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Bereich von Bedeutung gewesen. Nach einem Autounfall am 27.03.2001 wären zunächst körperliche Beschwerden (HWS-Distorsion, Prellung der Brust- und Lendenwirbelsäule, linken Schulter und linker Hüfte) beschrieben worden. In einem Gutachten vom 06.02.2003 seien dann ein erhebliches neurasthenisches Syndrom mit massiver Einschränkung der Bewegungsfähigkeit sowie posttraumatische Kopfschmerzen vom Spannungstyp diagnostiziert worden. Das Gutachten habe eine auf Dauer eingeschränkte Erwerbsunfähigkeit von 80 % ergeben. Ein neuropsychologisches Zusatzgutachten habe damals eine Einschränkung beim Bearbeiten problemlösender Aufgaben ergeben. Ein Gutachten der psychosomatischen Klinik W. habe beim Angeklagten am 14.05.2007 ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma diagnostiziert. Allerdings seien in einem Gutachten des Reha-Zentrums Roter Hügel in Bayreuth vom 24.11.2011 keine erheblich leistungseinschränkenden Befunde (mehr als 50 % eingeschränktes Leistungsvermögen) mehr erhoben worden. Im Rahmen eines die Berufsunfähigkeit des Angeklagten betreffenden Gerichtsverfahrens hätten mehrere Gutachter den Angeklagten zwischen 2012 und 2014 untersucht. Der Angeklagte sei als zunehmend belastbar eingeschätzt worden. Ab 2012 sei ihm eine Berufsfähigkeit von mindestens 50 % zugeschrieben worden, wobei eine Tätigkeit als freiberuflicher Vermögensberater zugrunde gelegt war. Bei Einhaltung regelmäßiger Pausen sei der Angeklagte in der Lage pro Tag 6,25 Stunden zu arbeiten.

Bei den Explorationen habe der Angeklagte über eine gewisse Einschränkung seiner Konzentrationsleistung geklagt, aber nur dann, wenn diesen längere Gespräche vorausgegangen seien. Auch habe er angegeben, dass sein Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt sei. Hinweise darauf, dass der Angeklagte bei den Explorationen nicht in adäquater Art und Weise kommunizieren konnte, hätten sich nicht ergeben. Der Angeklagte sei in der Lage gewesen, sich mit den Fragestellungen auseinanderzusetzen. Er habe auch seine Verfassung reflektieren und diese in adäquater Weise thematisieren können, indem er etwa auf Ruhebedürfnisse hingewiesen habe. Eine bei dem Angeklagten durchgeführte testpsychologische Zusatzdiagnostik im Leistungsbereich speziell im Hinblick auf eventuelle Auswirkungen hirnorganischer Schädigungen (Benton-Test und Aufmerksamkeits-Belastungs-Test) habe keinerlei Hinweise auf hirnorganische Beeinträchtigungen gegeben.

2. Der Sachverständige ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten nicht so weitgehende Abnormitäten darstellen würden, dass diese im medizinischen Sinne als wahnhaft anzusehen seien. Wahnhafte Überzeugungen seien vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es sich um völlig ungewöhnliche Vorstellungen handele, die mit der objektiv nachprüfbaren Realität nicht vereinbar, und für den Betroffenen nicht korrigierbar seien. Beides liege bei den Überzeugungen des Angeklagten nicht vor. Diese seien zwar erheblich ungewöhnlich, da sie in unserer Gesellschaft nicht häufig vorkämen. Allerdings nicht in einem derartigen Ausmaß, dass sie als krankhaft einzustufen seien. Dabei sei von Relevanz, dass die Überzeugungen und Einstellungen mit korrespondierenden Handlungen (Schriftverkehr, Beschreibung eines eigenen Territoriums, „Lebenderklärungen“, Anfertigungen von Dokumenten) einhergingen und sich nicht erkennen ließe, dass diesen wahnhafte Gedanken oder gar wahnhafte Wahrnehmungen zugrunde lägen. Ein lediglich auf sich selbst bezogenes, isoliertes Denken liege nicht vor. Dies zeige sich daran, dass bei der Entwicklung der als ungewöhnlich einzuschätzenden Gedanken stets soziale Interaktion eine Rolle gespielt habe. Der Angeklagte habe die Überzeugungen, wie beispielsweise zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland oder zum Finanzsystem, nicht alleine. Vielmehr würden diese von anderen Personengruppen geteilt. Seine Überzeugungen seien daher auf dem Boden sozialer Kommunikation zustande gekommen. Der Angeklagte sei auch in den Explorationen in der Lage gewesen, die Ungewöhnlichkeit seiner Überzeugungen zu reflektieren. Es sei ihm erkennbar ein Anliegen gewesen, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen und dabei auch auf Argumente von außen einzugehen.

Die Kammer teilt diese Einschätzung des Sachverständigen, dass der Angeklagte keine wahnhaften Gedanken hatte. Es wurde durch die Beweisaufnahme vielfach bestätigt, dass die ungewöhnlichen ideologischen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten durch den Kontakt mit Gleichgesinnten geprägt wurden und deshalb kein Wahn vorliegt. Dies belegen einmal die beim Angeklagten sichergestellten Unterlagen, wie beispielsweise die Handlungsanweisungen zum „Verschwindenbringen“ des geltenden Rechtssystems (vgl. oben Seite 16) oder der Beistandspakt mit ... (vgl. oben Seite 16), aber auch seine Unterstützung von Gleichgesinnten vor Ort beim Vollzug von Vollstreckungshandlungen durch Staatsorgane. So schilderte der Zeuge ... wie ihm der Angeklagte bei einer Vollstreckung gegen seine Firma am 06.07.16 in G. zu Hilfe kam, indem er am Vortag in einem Chatforum zur Unterstützung aufrief und dann auch selber vor Ort war. Auch befand sich der Angeklagte, wie u.a. die Zeugen ... und ... angaben, zum Zeitpunkt der angekündigten Zwangsräumung des Grundstücks von ... zu dessen Unterstützung in Re.. Der Angeklagte versuchte auch immer wieder seine Überzeugungen weiter zu verbreiten, wie die Zeugen ... und ... in der Hauptverhandlung bekundeten und auch die von ihm organisierten Stammtische dokumentieren.

3. Der Sachverständige ... kam zu dem Schluss, dass bei dem Angeklagten die Dauerbelastungsfähigkeit geringfügig eingeschränkt sei. Es bestünden bei ihm noch geringe Restsymptome eines viele Jahre zurückliegenden Unfallereignisses mit Beteiligung des zentralen Nervensystems. Die von dem Angeklagten geschilderte Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses seien mit den medizinischen Befunden des Unfallereignisses von 2001 vereinbar. Dies sei diagnostisch einzuordnen als eine sonstige organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (ICD 10: F07.8).
Der Sachverständige schloss aus, dass der Angeklagte an einer schizophrenen Psychose leide. Bei ihm seien keine so bizarren Wahnvorstellungen oder Wahrnehmungen festzustellen, wie sie bei jener Gruppe von Erkrankungen auftreten würden. Auch eine isolierte Wahnerkrankung käme bei dem Angeklagten nicht in Betracht, da seine Überzeugungen und Vorstellungen zwar ungewöhnlich, aber nicht wahnhaft seien. Auch sei nicht zu erfassen gewesen, dass der Angeklagte unter seinen Überzeugungen und Vorstellungen leide.

Für eine schwerwiegende affektive Erkrankung bestünden ebenso keinerlei Hinweise. Weder aus den Akten noch aus der Exploration des Angeklagten hätten sich konkrete Anhaltspunkte für erhebliche emotionale Veränderungen ergeben, die unabhängig von äußeren Belastungssituationen aufgetreten seien. Auch unerklärliche Hochstimmungen seien nicht erfassbar gewesen.

Bei dem Angeklagten sei auch keine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren gewesen. Dabei handele es sich im Allgemeinen um überdauernde Abnormitäten des Erlebens und Verhaltens, die nachhaltige Auswirkungen auf die persönliche und/oder berufliche Entfaltungsmöglichkeiten mit sich brächten, ihren Ausgangspunkt in der Kindheit nähmen und nicht mit Episoden psychischer Krankheiten erklärt werden könnten. Der Sachverständige erläuterte, dass eine „organische Persönlichkeitsstörung“ aufgrund einer hirnorganischen Schädigung durch das Unfallereignis von 2001 nicht in Betracht käme, da dieses nicht zu derartigen Auffälligkeiten geführt habe, dass eine eigenständige Diagnose zu rechtfertigen wäre. Der erfolgreiche Werdegang des Angeklagten als Vermögensberater zeige auch, dass es nicht bereits im jungen Erwachsenenalter zu erheblichen Erlebens- und Verhaltensauffälligkeiten gekommen sei, die seine beruflichen oder persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten wesentlich einschränkten. Die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen seien beim Angeklagten durch ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren zustande gekommen, wobei über seine Primärpersönlichkeit hinaus spätere Entwicklungsfaktoren relevant gewesen wären. Dabei hätten neben der Berentung nach dem Unfallereignis 2001 die mit dem Ende der Berentungsphase einhergehende Notwendigkeit neuerlicher beruflicher Tätigkeit bei gleichzeitigen Zweifeln über, deren Sinnhaftigkeit, aber auch Besonderheiten seiner privaten Bindungssituation eine Rolle gespielt. Es sei hervorzuheben, dass bei der Entwicklung der ungewöhnlichen Gedanken immer wieder der direkte Kontakt zu anderen Menschen besondere Bedeutung entfaltet habe, auch wenn es sich dabei um eine Gruppe von Personen mit ähnlichen Überzeugungen gehandelt habe. Insgesamt würden Belege dafür fehlen, dass der Angeklagte durch die bei ihm zustande gekommene Persönlichkeit allgemein nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich in üblicher Art und Weise mit seiner Umwelt auseinander zu setzen.

Der Sachverständige ... schilderte schließlich, dass beim Angeklagten auch kein vermehrter Konsum von Suchtmitteln zu erfassen war. Dies steht im Einklang mit der Auswertung der beim Angeklagten am 19.10.2016 entnommenen Blutprobe. Der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. ... berichtete in der Hauptverhandlung, dass diese weder Hinweise auf Alkohol noch auf Betäubungsmittel ergeben habe.

Die Kammer schließt sich dieser Beurteilung des Sachverständigen ... nach eigener kritischer Würdigung an. Er ist bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten, wie sich in der Hauptverhandlung bestätigt hat, von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat sich ersichtlich an den Kriterien des in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssystems ICD 10 Kapitel 5 (F) orientiert. Der Sachverständige ... ist ihr aus zahlreichen Verfahren als sachkompetent bekannt und ein forensisch erfahrener Gutachter.

4. Die Kammer hat auf Grundlage dieser Ausführungen des Sachverständigen ... und ihres Eindruckes vom Angeklagten in der Hauptverhandlung zweifelsfrei festgestellt, dass im Tatzeitpunkt weder dessen Einsichts- noch dessen Steuerungsfähigkeit auch nur teilweise beeinträchtigt war.
Bei dem Angeklagten bestand keine krankhafte seelische Störung im Sinne von §§ 20, 21 StGB. Wie der Sachverständige erläuterte, würde die beim Angeklagten diagnostizierte sonstige organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung nur eine geringfügige Symptomatik aufweisen mit vergleichsweise geringen Leistungseinschränkungen. Dem Angeklagten sei es ohne weiteres gelungen, den üblichen Anforderungen von Alltagssituationen zu genügen und auch einer, wenn auch geringfügigen, selbständigen Tätigkeit als Wing-Tsun Ausbilder nachzugehen. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung an. Die Beweisaufnahme hat keinerlei Hinweise dafür ergeben, dass sich die geringfügige Einschränkung der Belastungsfähigkeit des Angeklagten in erheblicher Weise auf seinen Alltags- oder Berufsleben ausgewirkt hat oder sonst seine Erlebens- und Handlungsspielräume einschränkte. Die Einschränkung führte auch nicht grundsätzlich zu Problemen bei der Bewältigung von Aufgaben, sondern lediglich zu einer zeitlichen Begrenzung der Ausdauer, mit welcher sich der Angeklagte mit ihnen auseinandersetzen konnte. Der Angeklagte verfügte über eine Vielzahl von sozialen Kontakten und unterrichtete regelmäßig Wing-Tsun. Die Kammer schließt daher aus, dass sein Verhalten durch die Einschränkung seiner Belastungsfähigkeit erheblich bestimmt wurde.

Bei dem Angeklagten bestand weder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung noch ein Schwachsinn. Die Kammer konnte dafür – in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen – keinerlei Anhaltspunkte feststellen.
Die Kammer schließt ebenso sicher aus, dass beim Angeklagten eine andere schwere seelische Abartigkeit bestand. Die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten stellen noch keine derartig schweren Normabweichungen von der Bandbreite menschlichen Verhaltens dar, dass sie als schwere seelische Abartigkeit eingeordnet werden können. Sie bestanden beim Angeklagten nicht während seines gesamten Lebens, wie der bis zum Unfall 2001 erfolgreiche Werdegang und seine Tätigkeit als Vermögensberater zeigen. Vielmehr gingen sie zeitlich vor allem mit der besonderen Lebenssituation des Angeklagten einher, die mit dem Wegfall seiner Berentung 2012 begann und durch das sich anschließende mehrjährige Gerichtsverfahren sowie den Kontakt zu Gleichgesinnten gezeichnet war. Die Kammer teilt aufgrund einer Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung einerseits, und der Tat sowie des Vor- und Nachtatverhaltens anderseits, die Einschätzung des Sachverständigen, dass die ungewöhnlichen Überzeugungen des Angeklagten noch nicht ein derartiges Ausmaß erreicht haben, dass sie das Kriterium einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllen.

C. Rechtswidrigkeit
Der Angeklagte handelte rechtswidrig. Eine Notwehrlage lag schon objektiv nicht vor.
Zwar sah sich der Angeklagte durch die eindringenden Polizeibeamten eines gegenwärtigen „Angriffs“ auf die Unversehrtheit seiner Wohnung und seines Eigentum ausgesetzt, jedoch war das Eindringen rechtmäßig. Ein rechtswidriger Angriff lag damit nicht vor. Die Rechtmäßigkeit von hoheitlichem Handeln im strafrechtlichen Sinn hängt davon ab, ob die äußeren Voraussetzungen zum Eingriff der Polizeibeamten gegeben waren. Die Polizeibeamten müssen örtlich und sachlich zuständig sein, die wesentlichen Förmlichkeiten einhalten und ein ihnen gegebenenfalls eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß ausüben (vgl. BGH, Urteil v. 09.06.2015, Az. 1 StR 606/14, Rn. 25).

Die Kammer konnte sich in der Hauptverhandlung davon überzeugen, dass diese Voraussetzungen vorlagen. Das auf Anforderung der ... R. eingesetzte Spezialeinsatzkommando Nord war für den Einsatz örtlich und sachlich zuständig. Die Polizei handelte dabei in Vollzugshilfe für das Landratsamt R. als untere Waffenbehörde, um die Durchsuchung des Anwesens des Angeklagten zu ermöglichen (Art. 3 Abs. 1 POG; Art. 2 Abs. 3, 49 Abs. 1 PAG i.V.m. § 46 Abs. 4 WaffenG). Dies steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen ... und .... Die Zeugen ... und ... berichteten übereinstimmend, dass das Landratsamt R. bei der ... R. Vollzugshilfe für die Durchsuchung des Anwesens des Anwesens des Angeklagten beantragt hat. Der Zeuge ... berichtete darüber hinaus, dass die Polizei dabei nur die gefahrlose Durchsuchung des Hauses ermöglichen sollte. Die Durchsuchung selbst und die Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses des VG Ansbach sollte durch Mitarbeiter des Landratsamts durchgeführt werden, weswegen er sich auch vor Ort aufgehalten habe. Dies bestätigte auch der Zeuge ..., der für den Einsatz auf Seiten des SEK verantwortlich war. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Einsatz zur Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften gekommen ist. Der Zeuge ... gab insbesondere an, dass das Landratsamt R. aufgrund Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16.09.2016 (Az. ...) zur Durchsuchung berechtigt war und die Durchsuchung für 6 Uhr morgens geplant war (vgl. § 46 Abs. 4 S. 2 WaffenG).

Entgegen der Auffassung der Verteidigung war der Polizeieinsatz auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach nicht vor dem Eindringen der Polizeibeamten auf das Grundstück zugestellt wurde. Die Zustellung des Beschlusses war dem Landratsamt R. übertragen und sollte erst bei Beginn der Durchsuchung erfolgen, um deren Erfolg nicht zu gefährden (vgl. Seite 6 des Beschlusses). Wie der Zeuge ... schilderte, hatte er den Beschluss dabei, es sei aufgrund der Tat des Angeklagten jedoch gar nicht mehr zu einer Durchsuchung des Anwesens durch das Landratsamt R. gekommen. Dass der Beschluss auch in der Folge – wie der Zeuge ... ebenfalls angab – nicht zugestellt wurde, ist für die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns am 19.10.16 irrelevant. Die Durchsuchung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Selbst wenn das Betreten des Grundstücks des Angeklagten durch die Spezialeinsatzkräfte vor 6 Uhr begonnen hätte und damit noch zur Nachtzeit, wäre dies vorliegend kein wesentlicher Verfahrensverstoß, da es sich hierbei allenfalls um wenige Minuten gehandelt haben könnte.

Die Kammer hat weiter festgestellt, dass sowohl die ... R. bei der Entscheidung das Spezialeinsatzkommando beizuziehen, als auch das Spezialeinsatzkommando bei der Planung und Ausführung des Einsatzes, das ihnen eingeräumte Ermessen jeweils pflichtgemäß ausübten und keine Anhaltspunkte für Willkür vorlagen. Die Polizei musste insbesondere aus damaliger Sicht von einer objektiven Gefährdungslage ausgehen.

Die stellvertretende Dienststellenleiterin der ... R., die Zeugin ..., schilderte in der Hauptverhandlung die Gründe für die Hinzuziehung des Spezialeinsatzkommandos. Sie sei aufgrund ihrer bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen ausgegangen, dass der Angeklagte sich gegen die Sicherstellung der Waffen zur Wehr setzen könnte und befürchtete eine mögliche Eskalation. Sie berichtete nachvollziehbar, wie sie ab Anfang 2016 mehrfach mit Polizeieinsätzen bezüglich des Angeklagten befasst war. Der Angeklagte habe in der Vergangenheit Behörden den Zutritt zu seinem Haus verweigert und sei nicht kooperativ gewesen. Sie sei weiter darüber informiert gewesen, dass er sein Haus selten verlasse und sich regelmäßig weitere Personen als Unterstützer bei ihm aufhalten würden. Sie habe auch gewusst, dass der Angeklagte ein erfahrener Kampfsportler sei, der eine Kampfsportschule betrieben habe. Zudem sei eine Vielzahl von Schusswaffen beim Angeklagten registriert. Die Kammer hat an der Richtigkeit ihrer Angaben keinerlei Zweifel. Die Zeugin räumte in ihrer Vernehmung auch ohne weiteres ein, nicht gewusst zu haben, dass der Angeklagte für den Wing-Tsun Unterricht regelmäßig das Haus verlassen würde und irrtümlich davon ausgegangen zu sein, dass der Angeklagte mit der Schließung seiner Wing-Tsun Schule in G. seine Ausbildungstätigkeit eingestellt habe. Allerdings hätte dieser Umstand für die Einsatzplanung keine wesentliche Rolle gespielt, da der Zugriff auf den Angeklagten dennoch zu Hause erfolgt wäre, um die Gefährdung Dritter möglichst auszuschließen.

Die Angaben der Polizeibeamtin ... stehen im Einklang mit den Aussagen der Zeugen ... und des für die taktische Einsatzplanung zuständigen Beamten Nr. 179 über die ihnen von der ... R. mitgeteilten Informationen. Aufgrund dieser hätten sie vor der Einsatzübernahme eine Gefährdungsanalyse durchgeführt. Sie seien ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer Gefährdungslage auszugehen sei. Um eine Gegenwehr des Angeklagten möglichst zu unterbinden, hätte man sich für einen Überraschungszugriff entschlossen. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

D. Schuld
Der Angeklagte handelte schuldhaft. Der Angeklagte handelte nicht, um sich zu verteidigen, denn er erkannte vor der Schussabgabe, dass vor der Wohnungstür speziell ausgerüstete Polizeibeamte waren (vgl. oben Seite 32). Damit wusste er auch, dass kein rechtswidriger Angriff vorliegt und es sich nicht um einen Überfall handelt.

Der Angeklagte wusste, dass er mit den Schüssen auf die Polizeibeamten die geltenden Gesetze verletzt. Auch wenn er deren Verbindlichkeit für sich und seinen selbst ausgerufenen „Staat“ ablehnte, war ihm bewusst, dass er mit dem Angriff auf die Polizei gegen das verbindliche Recht der Bundesrepublik Deutschland verstößt.

E. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich des Mordes in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen des versuchten Mordes jeweils mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht (§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 4 und 5, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB).
1. Der Angeklagte handelte heimtückisch bezüglich des Beamten .... Der Beamte ... war bei den Schüssen des Angeklagten arglos, da er nicht mit einem feindseligen Angriff auf sich rechnete, als er direkt vor der Tür in die Hocke ging, um die Wohnungstür zu öffnen. Das generelle Misstrauen von Spezialkräften der Polizei, dass beim Stürmen von Häusern immer mit Schüssen – auch durch Türen – zu rechnen sei und das auch in dem Tragen von Schutzkleidung zum Ausdruck kommt, schließt die Arglosigkeit nicht aus, da nicht auf ein generelles Misstrauen abzustellen ist, sondern darauf, ob im Tatzeitpunkt mit einem feindseligen Angriff gerechnet wird (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.1995, Az. 5 StR 434/94; BGH, Urteil v. 22.09.2016, Az. AK 47/16, Rn. 16). Der Beamte ... war gegenüber den Schüssen wehrlos, da er sich wegen des Anbringens des Hydraulikspreitzers in hockender Haltung und damit in keiner verteidigungsbereiten Lage befand und den überraschenden Schüssen weder ausweichen noch sie sonst abwehren konnte. Dies erkannte der Angeklagte und nutzte es aus.

Der Angeklagte handelte bezüglich der Polizeibeamten Nr. 39 und Nr. 106 nicht heimtückisch. Diese waren durch den Beschuss zwar überrascht. Beide Polizeibeamte befanden sich jedoch in verteidigungsbereiter Lage, da sie sich aufgrund ihrer Ausbildung automatisch gegen einen Beschuss durch die Tür absicherten, indem sie entsprechende Sicherungshaltungen einnahmen. Der Polizeibeamte Nr. 106 durch das erhobene Schild und der Beamte Nr. 39 durch das in Anschlag gehaltene Sturmgewehr.

2. Die Kammer bewertet die Beweggründe des Angeklagten als besonders verwerflich, da sie nach einer Einzel- und Gesamtwürdigung aller Umstände auf sittlich tiefster Stufe stehen und von einer hemmungslosen Eigensucht bestimmt sind. Die Kammer hat dabei insbesondere die unmittelbare Tatmotivation berücksichtigt, den selbst gegründeten „Staat“ gegen das Eindringen der Polizei zu verteidigen. Sie hat weiter das darin zum Ausdruck kommende krasse Missverhältnis berücksichtigt, sich die Verschaffung von Anerkenntnis mit dem Leben von Amtsträgern zu erkaufen, ebenso wie die sich immer weiter radikalisierende Entwicklung des Angeklagten innerhalb des letzten Jahres vor der Tat und seine Auseinandersetzung mit den Behörden. Der Angeklagte hat nicht nur die geltende Rechtsordnung als fiktiv und unverbindlich abgelehnt, sondern sich mit seiner „Staatsproklamation“ selber Regeln gesetzt, die nur für ihn an deren Stelle traten und sein Handeln legitimieren sollten. Er handelte dabei aus rein egoistischen Motiven, um sich dem rechtmäßigen Zugriff des Staates zu entziehen. Seine Bewertung der geltenden Rechtsordnung als ein Scheinkonstrukt führte dazu, dass er mit deren Repräsentanten nach eigenem Belieben verfahren konnte. Auf dem Boden dieser inneren Auffassung, einerseits immun und nicht der Rechtsordnung unterworfen, andererseits zur Verteidigung seines Staates berufen und legitimiert zu sein, missachtete der Angeklagte durch die Tat das Lebensrecht der Polizeibeamten in besonders eklatanter Weise. Denn er sah sie allein als unberechtigte Repräsentanten eines Scheinstaats an, deren Leben er bei dem unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat“ ohne weiteres zu dessen Verteidigung opfern konnte. Zwar fasste der Angeklagte den konkreten Tötungsentschluss situationsbedingt spontan, seine Motivationslage beruhte aber auf einer langfristig gebildeten Überzeugung.

3. Der Angeklagte ist nicht vom Versuch des Mordes der Beamten Nr. 39 und Nr. 106 zurückgetreten, da er den Beschuss nicht freiwillig einstellte, sondern weil er aufgrund der massiven Gegenwehr durch die Polizeibeamten und den erlittenen Streifschuss am Kopf um sein Leben fürchtete.

F. Strafzumessung
Für Mord sieht das Gesetz gem. § 211 Abs. 1 StGB lebenslange Freiheitsstrafe vor. Besondere Gründe von der absoluten Strafandrohung abzuweichen, sind nicht gegeben. Neben der Heimtücke ist auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verwirklicht, eine ausnahmsweise Milderung des Strafrahmens nach § 49 I Nr. 1 StGB aufgrund außergewöhnlicher Umstände kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss v. 19.05.1981, GGSt 1/81, Rn. 37 f.).

Die besondere Schwere der Schuld war nicht festzustellen (§ 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu bejahen ist, war ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen, wobei sich das Gericht an den für die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 StGB geltenden Regeln zu orientieren hat und eine Bejahung nur möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen (BGH, Urteil v. 22.11.1994, Az. GSSt 2/94, Rn. 36 ff., BGH, Urteil v. 20.08.1996, Az. 4 StR 361/96, Rn. 4 ff.; BGH, Urteil v. 18.06.2014, Az. 5 StR 60/14, Rn. 8).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit der Auffassung, dass die persönliche Schuld des Angeklagten nicht so schwer wiegt, als dass sie bei günstiger Täterprognose die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren gebieten würde.

Dabei hat die Kammer einerseits gewürdigt, dass der Angeklagte neben dem Mord am Beamten ... tateinheitlich zwei weitere versuchte Morde an den Beamten Nr. 39 und Nr. 106 begangen hat und bei diesen jeweils tateinheitlich auch eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Auch hat der Angeklagte hinsichtlich des Beamten ... zwei Mordmerkmale und hinsichtlich der Beamten Nr. 39 und Nr. 106 mehrere Varianten der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht. Der Angeklagte ist andererseits bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Die Verletzungsfolgen des Beamten Nr. 106 waren gering. Auch die Verletzungen des Beamten Nr. 39 sind ohne schwerwiegende Folgen verheilt.

G. Einziehung und Kosten
Die Einziehung der weiteren Pistole „Glock“ 23 C und deren Magazine (Asservate Nr. 2.4.5, 2.4.5.1), des Holsters „Vega“ (Asservat 2.4.10), der vier Magazine Glock 3206 mit je 15 Patronen (Asservate 2.4.6, 2.4.7, 2.4.8, 2.4.9) und der Munitionsweste „Blackhawk“ (Asservat 2.4.11) kam nicht in Betracht, da sie weder zur Begehung noch zur Vorbereitung der Tat gebraucht oder bestimmt gewesen sind.

Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen (§§ 464, 465, 472 StPO).
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Offline Gelehrsamer

Und da ich die nirgendwo entdecken kann (möglicherweise liegt es an meiner Kurzsichtigkeit) die Meldung des BGH hinterher:

Spoiler
Verurteilung eines "Reichsbürgers" wegen Mordes an Polizist zu lebenslanger Freiheitsstrafe hat Bestand

Der BGH hat entschieden, dass das LG Nürnberg-Fürth die Verurteilung des "Reichsbürgers" von Georgensgmünd wegen Mordes an einem Polizeibeamten zu lebenslanger Freiheitsstrafe rechtsfehlerfrei als Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet hat.

Das LG Nürnberg-Fürth hatte den Angeklagten wegen Mordes an einem Polizeibeamten und versuchten Mordes an zwei weiteren Polizeibeamten zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts drangen am Morgen des 19.10.2016 gegen sechs Uhr Beamte eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei in das Anwesen des Angeklagten ein, um dem Landratsamt die Durchsuchung nach Waffen zu ermöglichen. Der Angeklagte bemerkte, dass es sich bei den in das Haus eingedrungenen Personen um Polizeibeamte handelte. Als er durch die teilverglaste Wohnungstür sah, dass sich ein Polizeibeamter vor dieser Tür in der Hocke befand, um ein Öffnungsgerät anzusetzen, entschloss er sich, diese Situation auszunutzen und ihn zu töten. Er schoss elf Mal unmittelbar hintereinander durch die Tür mit einer Pistole gezielt auf den hockenden Beamten, der – obwohl er eine Schutzweste trug – getroffen wurde und am nächsten Tag an den Verletzungsfolgen starb. Dabei nahm der Angeklagte in Kauf, dass zwei weitere daneben stehende Polizeibeamte durch die Schüsse ebenfalls getötet werden könnten. Auch sie wurden infolge der Schussabgabe verletzt. Beweggrund für das Handeln des Angeklagten war die Verteidigung des von ihm auf seinem Anwesen selbst ausgerufenen autonomen Staates. Er betrachtete die Polizeibeamten als Repräsentanten eines "Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland", die unberechtigt auf sein Staatsgebiet vorgedrungen waren und deswegen getötet werden durften.

Der BGH hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Nach Auffassung des BGH bestanden zwar angesichts der vom Landgericht zu den konkreten Umständen des Einsatzes des Spezialkommandos der Polizei getroffenen Feststellungen Bedenken gegen die Annahme einer Arglosigkeit des getöteten Polizisten und damit einer heimtückischen Begehungsweise des Angeklagten. Das Landgericht habe die Tat des Angeklagten jedoch rechtsfehlerfrei als Mord aus niedrigen Beweggründen gewertet und die dafür im StGB angedrohte lebenslange Freiheitsstrafe verhängt.

Vorinstanz
LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 23.10.2017 - 5 Ks 113 Js 1822/16
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Die vollständige Entscheidung liegt noch nicht vor.
 
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Offline Sandmännchen

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Das mit den "niederen Beweggründen" ist ja beim Mord eine spannende Geschichte. Was meint der Gesetzgeber denn damit? Gilt das für Reichis prinzipiell?

Haben wir einen Juradefinator hier im Thread?
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

P.S.: Cantor became famous by proving it can't be done.
 
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Der BGH sagt das dazu:

Spoiler
Zitat
BGH 3 StR 425/11 - Urteil vom 1. März 2012 (LG Osnabrück)
Totschlag (minder schwerer Fall; schwere Beleidigung; eigene Schuld); Mord (niedrige Beweggründe; Gesamtwürdigung; Heimtücke); Strafzumessung.

§ 211 StGB; § 212 StGB; § 46 StGB; § 213 StGB
Leitsätze des Bearbeiters
1. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Frage, ob Beweggründe in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren.

2. Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehren.

3. Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung, Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern.

4. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist.

5. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt.

6. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet.

7. Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein.

8. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert.
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https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/11/3-425-11.php

Ich brauche da allerdings immer noch einen Definator, der das in normale Sprache übersetzt!  :whistle:
Zyniker, der - Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung Dinge sieht, wie sie sind, statt wie sie sein sollten.
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Das hatten wir, meine ich, im Plan-Strang und im Ursache-Faden schon durchgekaut.
Grundlage sind die Elemente der Definition des Mordes (wobei hier, aus historischen Gründen, nicht die Tat, sondern deren Täter charakterisiert wird):
Zitat
Mörder ist, wer
  • aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
  • heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
  • um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Es gibt also drei unterschiedliche Gruppen von Merkmalen, die eine absichtliche Tötung als Mord qualifizieren. Ich fange hinten an: "um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken" erscheint als das Merkmal, das auf den ersten Blick am einfachsten zu beurteilen ist. Denken wir an Fälle, in denen z. B. ein Bankräuber einen Wachmann tötet, um in die Bank gelangen zu können, an einen Vergewaltiger, der das Opfer nicht nur vergewaltigt, sondern auch tötet, damit es nicht aussagen kann u. dgl. m. In solchen Fällen liegt immer eine weitere Straftat vor, die zudem der Tatabsicht des Täters zu Grunde liegt, die Tötung wird nur "billigend in Kauf genommen" oder sogar ausdrücklich geplant, um die Verwirklichung der anderen Tat zu ermöglichen oder aber die Ent- oder Aufdeckung dieser Tat zu verhindern.
Die mittlere Gruppe von Merkmalen erscheint schon etwas "dehnbarer". Bei Heimtücke kann man etwa an einen Heckenschützen denken, bei Grausamkeit an eine besonders schmerzhafte, langdauernde oder anderweitig "bestialische" Tötungsweise. "Gemeingefährliche Mittel" könnten z. B. Tretminen sein, die wahllos töten können. Insgesamt herrscht hier schon ein recht weiter Wertungs-Spielraum.
Die "niedrigen Beweggründe" stehen an erster Stelle in einer Gruppe hinter Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs und Habsucht. Eine Auslegung nach dem Wortlaut und der Systematik dieser Bestimmung ergibt ohne besondere Mühe, dass "niedrige Beweggründe" eine zusammenfassende Umschreibung von Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs und Habsucht sowie vergleichbarer Motive sein soll. Es geht dabei also offenbar um Beweggründe, die eher primitiver Art sind. Um ein bekanntes Beispiel aus der Ethik zu nehmen: Wenn eine Gruppe von Schiffbrüchigen in einem Rettungsboot mit begrenztem Lebensmittelvorrat dadurch bedroht wird, dass ein Schiffbrüchiger heimlich mehr als die ihm zustehende Ration verzehrt, dies einem anderen Schiffbrüchigen auffällt und dieser überlegt, dass derjenige, der heimlich mehr isst, als ihm zusteht, deswegen den anderen körperlich überlegen ist, ihm also nur die Möglichkeit bleibt, diesen heimlich zu töten, um sich und die anderen zu retten, dann steht hinter dieser Tat eben kein "primitiver" Beweggrund, sondern ein humanes, ethisch vertretbares Motiv, das zudem einer recht komplexen Erwägung entspringt.
Auch wenn nun grundsätzlich klar ist, welche Art von Tatmotiven gemeint ist, so ist die Abgrenzung im Einzelfall schwierig.
Der BGH schreibt dazu z. B.:
Zitat
Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind „niedrig”, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen.
Das klärt aber nur scheinbar, was niedrige Beweggründe sind, denn der BGH verwendet eine Reihe Begriffe, die ihrerseits nicht ohne Weiteres klar sind: "allgemeine sittliche Wertung", "auf tiefster Stufe", "weiterreichend", "verwerflich", "besonders verachtenswert". Weiter verlangt er eine "Gesamtwürdigung", m. a. W. eine Prüfung des Einzelfalls.
Eine neue Umschreibung des Mord-Tatbestandes wird übrigens schon seit vielen Jahren immer wieder einmal gefordert, entsprechende Vorarbeiten laufen dem Vernehmen nach im Bundesministerium der Justiz, aber bisher ist die erwünschte Neudefinition noch nicht erarbeitet, geschweige denn dem Bundestag als Gesetzesvorschlag zugeleitet worden.
"Vom Meister lernen heißt verlieren lernen." (hair mess über Peter F., auf Bewährung entlassenen Strafgefangenen )
 
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Offline Gelehrsamer

Ob ich das jetzt in Alltagssprache übersetzen kann, weiß ich auch nicht. Ein Problem bei Mord und Totschlag ist außerdem, dass diese Normen auch in ihrer derzeitigen Form auf rechtspolitischen Vorstellungen beruhen, die im Grunde überholt sind. Weil das jetzt aber hier zu weit führen würde, nur die Grundzüge:

Mord ist ein Delikt, bei dem jemand nicht "nur" jemanden getötet hat, sondern zusätzliche Merkmale erfüllt:

1. Die Tötung eines anderen ist zunächst ein Totschlag, wenn sie vorsätzlich erfolgt. Es gibt also einen objektiven Tatbestand (das äußere Geschehen = Tötung eines anderen) und einen subjektiven Tatbestand (die innere Einstellung zur Tat, also insbesondere Vorsatz oder Fahrlässigkeit).
2. Vorsatz liegt vor, wenn jemand den Taterfolg beabsichtigt, als notwendig eintretend voraussieht, oder jedenfalls (sog. "bedingter Vorsatz") als möglich ansieht und diese Möglichkeit "billigend in Kauf nimmt".
3. Die zusätzlichen Merkmale ("Qualifikationen") können tatbezogen sein, als das Geschehen betreffen (z. B. Heimtücke), andere können die innere Einstellung des Täters betreffen (z.B. Habgier, sonstige niedrige Beweggründe). Das Definitionsproblem ist, dass es im Grunde keine billigenswerten Motive für eine Tötung gibt, die nicht zur Rechtfertigung der Tat und dem Ausschluss der Strafbarkeit (etwa wegen Notwehr) führen, so dass bei strafbaren Tötungen die Beweggründe eigentlich immer "niedrig" sind. Die Definitionsversuche der Rechtsprechung versuchen das abzubilden, indem sie bei Mord besondere "Niedrigkeit" verlangen; letztlich sind niedrige Beweggründe aber nur über Fallgruppen beschreibbar, was das Problem bei Reichsbürgern wie Herrn P. ausmacht (der passt in kein bisher bekanntes Schema).
4. Bei Mord muss sich die innere Einstellung auch auf die zusätzlichen Mordmerkmale beziehen. Auch dazu muss ein Gericht daher etwas sagen, vgl. Nr. 3 der Leitsätze von 3 StR 425/11.

Nebenbei: Das Erfordernis des Vorsatzes auch bezüglich der Mordmerkmale führt wegen der komische Struktur dieser Delikte direkt in ein ziemliches Durcheinander, wenn in Fällen, in denen jemand mit einem anderen zusammenwirkt, nur ein Beteiligter ein Mordmerkmal verwirklicht. Der Anstifter will seine Ehefrau töten, um die die Lebensversicherung zu kassieren, der Täter ist dem Anstifter noch einen Gefallen schuldig...  Aber das führt jetzt wieder zu weit.
 
 
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https://www.hrr-strafrecht.de/hrr/3/11/3-425-11.php



Das ist der Beweis! In der URL ist "HRR" enthalten und "HRR" steht für "Heiliges Römisches Reich"!
Wir befinden uns also immer noch im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation mit der Verfassung von 1356!
Einwandfrei!

;)



Das klärt aber nur scheinbar, was niedrige Beweggründe sind, denn der BGH verwendet eine Reihe Begriffe, die ihrerseits nicht ohne Weiteres klar sind: "allgemeine sittliche Wertung", "auf tiefster Stufe", "weiterreichend", "verwerflich", "besonders verachtenswert". Weiter verlangt er eine "Gesamtwürdigung", m. a. W. eine Prüfung des Einzelfalls.
Eine neue Umschreibung des Mord-Tatbestandes wird übrigens schon seit vielen Jahren immer wieder einmal gefordert, entsprechende Vorarbeiten laufen dem Vernehmen nach im Bundesministerium der Justiz, aber bisher ist die erwünschte Neudefinition noch nicht erarbeitet, geschweige denn dem Bundestag als Gesetzesvorschlag zugeleitet worden.

Maas hat ja Entsprechendes schon länger angekündigt.
Daß sich der BGH hier um eine klare Definition herummogelt (allgemein sittliche Grundlagen und Ansichten ändern sich ja auch mit der Zeit), hat vermutlich seinen Grund darin, daß der heutige Paragraph nun wirklich als "Nazi-Gesetz" bezeichnet werden kann. Merkwürdigerweise scheint das noch keinem RD aufgefallen zu sein. Sonst plärren sie bei allen möglichen Gesetzen: "Nazi-Gesetz!", aber das haben sie noch nicht entdeckt. Ob Plan seine Anwältin überhaupt hieß, entsprechendes vorzutragen, sehen wir, wenn die Begründung verfügbar ist

Der Mordparagraph lautete vom 1. Januar 1872—15. September 1941

"§ 211. Wer vorsätzlich einen Menschen tödtet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung
ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft."

Das war's schon.

Die Nazis machten dann ab 15.September 1941 daraus

"§ 211. (1) Der Mörder wird mit dem Tode bestraft.
(2) Mörder ist, wer
– aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
– heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
– um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(3) Ist in besonderen Ausnahmefällen die Todesstrafe nicht angemessen, so ist die Strafe
lebenslanges Zuchthaus."

Aus der Beschreibung eines Sachverhalts wurde also die Beschreibung eines Menschen ("Der Mörder").
Abgesehen vom Zuchthaus, das es nicht mehr gibt, ist die heutige Fassung nicht viel anders:

"(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet."

Mit "niedrigen Beweggründen" einer Gummi-Bestimmung konnten die Nazi-Richter dann frei und nur an des Führers Willen gebunden, darüber  entscheiden, was darunter fiel.
Also zwei typische Nazi-Merkmale, die sich heute noch im StGB befinden.
Eilig scheint man es mit der Änderung aber nicht zu haben.
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Offline Sandmännchen

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So, wie der § dasteht, ist er nach Ansicht vieler veränderungsbedürfig. Aber wer immer diesen § anfasst, wird von allen Seiten einen Shitstorm erleben. Und so bleibt er uns erhalten.
soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

P.S.: Cantor became famous by proving it can't be done.
 
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Und so bleibt er uns erhalten.

Merkwürdig ist es dennoch.

Alle sind begeistert, daß die Nazi-Ära der Richter und Justizbeamten endlich vorbei ist und das LG München sich zu einer Verurteilung von Demjanjuk durchgerungen hat und auf diese Weise Verfahren gegen Beihelfer des Holocausts ermöglicht wurden (Nur beim LG Neubrandenburg hält sich die Begeisterung in Grenzen und man verschleppt).

Sonst hackt man allgemein gerne auf den verstorbenen Eduard Dreher und Hans Globke rum

Aber an den 211er will keiner ran.

Die dahinterstehenden Beweggründe und Mechanismen würden mich interessieren.
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

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Offline Rabenaas

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Ja, § 211 StGB wurde in der heutigen Fassung 1941 (!) eingeführt. Vorher mußte zur Qualifizierung als Mord die "Tödtung mit Ueberlegung" begangen werden.

Die Rechtsprechung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten vielfach erheblich gewunden, um weniger schwer erscheinende Fälle nicht als Mord behandeln und mit "Lebenslänglich" ahnden zu müssen. Eine Refürm ist mehr als überfällig.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!
 

Offline Pantotheus

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Gewiss ist der Paragraf nicht das Gelbe vom Ei und reformbedürftig. Die Schwierigkeit liegt aber eher darin, dass man offenbar nicht so recht sicher ist, in welche Richtung eine Änderung gehen soll. Darauf, dass nicht mehr "der Mörder" beschrieben werden soll, sondern der Tatbestand definiert, kann man sich wohl noch einigen.
Dann fangen aber die Probleme schon an. In den Rechtsordnungen vieler Staaten wird Mord nicht wie in Deutschland als besonders qualifizierte Form einer vorsätzlichen Tötung umschrieben, sondern nur ganz allgemein ein Tötungsvorsatz gefordert. Ähnlich wie Deutschland macht es, so weit ich sehe, nur die Schweiz, die fordert, dass der Täter "besonders skrupellos" bzw. "besonders verwerflich" gehandelt habe. Das entspricht der Sache nach wohl durchaus den "niedrigen Beweggründen" des deutschen Rechts, was aber bedeutet "besonders skrupellos" bzw. "besonders verwerflich"? Gehen wir davon aus, dass jeder Straftäter eine Hemmschwelle überwinden muss, um seine Tat zu begehen, handelt also jeder Täter zumindest "skrupellos", wenn man "Skrupel" mit der erwähnten Hemmschwelle gleichsetzt. Wir würden bestimmte Handlungen nicht zu Straftaten erklären und mit Strafen bedrohen, wenn wir sie nicht "verwerflich" fänden. Aber wann ist etwas "besonders skrupellos" bzw. "besonders verwerflich"?
Die Schweizer Formulierung mag etwas moderner sein (sie stammt m. W. aus der Zeit um 1992), teilt aber dem Grundsatz nach die Schwierigkeiten des deutschen Mordparagrafen.
Ich glaube, dass die Änderungsbestrebungen in Deutschland bisher kein Ergebnis gezeitigt haben, weil es eben gar nicht so einfach ist, eine bessere Formulierung zu finden, die mehr Probleme löst als neue schafft. Zudem gibt es eine gefestigte Nachkriegsrechtsprechung zum Mord, mit der die allermeisten Juristen gut umgehen können. Insofern scheint der Druck, diesen Paragrafen in einer nicht näher bezeichneten Weise zu ändern, nicht so hoch, wie man es aus den wiederholten Klagen über diesen folgern könnte.
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Als österreichischer Jurist kann ich zu dieser Situation nur beitragen, dass es nicht so kompliziert sein muss, wenn man nicht will. In Österreich lautet das Delikt des Mordes im Strafgesetzbuch ganz simpel wie folgt:

Zitat
Mord

§ 75. Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.

Funktioniert tadellos.  ;D
 
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Offline Rabenaas

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Ausnahmsweise kann ich mal die Übernahme von etwas Österreichischem befürworten.  ;D
« Letzte Änderung: 7. Februar 2019, 16:05:25 von Rabenaas »
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!