(3) Beweggründe für das Tatgeschehen
Die Motivation des Angeklagten steht für die Kammer aufgrund einer Einzel- und Gesamtwürdigung des Verhaltens des Angeklagten fest, insbesondere aufgrund der vor der Tat für ihn immer mehr zum Lebensinhalt werdenden staatsleugnenden Überzeugungen als souveräner und freier Mensch in dem von ihm gegründeten „Staat ...“ zu leben und diesen zu verteidigen.
(11) Die Kammer schließt aus, dass der Angeklagte handelte, um die Sicherstellung der Waffen zu verhindern. Denn zu diesem Zeitpunkt befand sich ein Großteil der sicherzustellenden Waffen bereits außerhalb des Hauses (vgl. oben Seite 32).
(22) Die Kammer ist davon überzeugt, dass die staatsleugnenden Theorien und Überzeugungen zur Selbstverwaltung den Angeklagten ab 2015 immer mehr beschäftigten und sein Streben, ein freier und souveräner Mensch zu werden, ein zentraler Lebensinhalt wurden. Der Angeklagte trat werbend für seine Überzeugungen auf (vgl. oben Seite 17). Wie die Zeugen ... und ... in der Hauptverhandlung aus ihren jeweiligen Kontakten mit dem Angeklagten als Wing-Tsun Trainer unabhängig voneinander schilderten, machte der Angeklagte bereits seit 2015 immer wieder Ausführungen, welche die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und die Legitimität staatlicher Gebühren in Frage stellten. Dies führte teilweise zu Einbußen sozialer Kontakte. So beschrieb der Zeuge ... für die Kammer detailliert, wie sich seine früher enge Beziehung zum Angeklagten, den er bereits seit ca. 15 Jahren kennt, in den letzten zwei Jahren aufgrund der „komischen“ Ansichten des Angeklagten immer weiter lockerte. Der Zeuge ... schilderte, dass er deswegen sein Training beim Angeklagten schließlich abgebrochen habe. Der Angeklagte habe immer mehr absurde Themen verfolgt, wie dass man keine GEZ oder IHK-Beiträge zahlen müsse, es die BRD nicht gäbe und jeder Mensch ab dem Tag der Geburt auf einem Konto 40 Millionen Dollar habe, von denen er leben könne. Auch der Sachverständige ... berichtete der Kammer, dass sich die letzte Lebensgefährtin des Angeklagten wegen seiner ideologischen Ansichten Mitte 2015 von ihm trennte. Dies habe der Angeklagte ihm gegenüber angegeben. Die Kammer hat an der Richtigkeit dieser Angaben keinerlei Zweifel, da auch der Zeuge ... in seiner Aussage von der Trennung berichtete und die Angaben des Angeklagten bestätigte.
All dies mündete schließlich im Mai 2016 in der Proklamation eines eigenen „Staates ...““, mit welchem der Angeklagte eigenes Recht für sein Anwesen in G. setzen wollte.
(33) Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte spätestens seit Anfang September 2016 davon überzeugt war, dass ein „Angriff“ auf den „Staat ...“ durch die Behörden bevorstand.
Diese Überzeugung gründet zum einen auf den Erfahrungen des Angeklagten mit der Unterstützung seines Bekannten ... gegen dessen Zwangsräumung und dem Eindruck, den der dortige Polizeieinsatz bei ihm hinterließ. Der Angeklagte stand mit ... bereits vor August 2016 in Kontakt und unterstützte ihn bei der für den 24.08.2016 angekündigten Räumung seines Grundstücks in Re., indem er sich vor Ort begab und so gemeinsam mit anderen Unterstützern eine Räumung an diesem Tag verhinderte. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Angaben der Polizeibeamten ... und ..., die in der Hauptverhandlung über die Auswertung der Chatverläufe berichteten, die auf den Rechnern und Mobiltelefon des Angeklagten gefunden wurden. Der Polizeibeamte ... schilderte insbesondere, dass zwischen dem Angeklagten und ... ein regelmäßiger Kontakt über SMS bestand. Diese Angaben wurden in der Hauptverhandlung auch durch die Freunde und Bekannten des Angeklagten, die Zeugen ... und ..., bestätigt, denen gegenüber der Angeklagte von seiner Fahrt berichtete. Im Vorfeld der Fahrt nach Re. erstellte der Angeklagte den Entwurf eines Paktes über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Staaten der freien Menschen „...“ und „...“, der ab dem 23.08.2016 gelten sollte. Wie der Polizeibeamte ... in der Hauptverhandlung erläuterte, wurde auf einem Rechner des Angeklagten ein entsprechendes Dokument sichergestellt. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung durch Verlesung feststellte, dass sich die Staaten „...“ und „...“ darin gegenseitig wirtschaftlich, ideologisch und militärisch unterstützen wollten (vgl. BWA IV – „IT Auswertungen“ 2.5.2).
Wie eine langjährige Freundin des Angeklagten, die Zeugin ..., berichtete, war der Angeklagte von dem Vorgehen der Polizei bei der Räumung des Grundstücks von ... am 25.08.2016 und der dabei von ... erlittenen Schussverletzung schockiert. Die Zeugin konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie am 25.08.2016 mit dem Angeklagten eine Motorradfahrt unternommen hat, als dieser davon erfuhr. Sie schilderte in der Hauptverhandlung plastisch, wie fassungslos der Angeklagte darüber gewesen sei. Er habe blankes Entsetzen darüber zum Ausdruck gebracht, dass die Polizei mit 200 Beamten gegen das Haus eines Privatmannes vorgegangen sei und auf ... geschossen habe. Dies steht in Einklang mit der Wahrnehmung des Zeugen ..., der schilderte, dass der Angeklagte in diesem Zusammenhang von einem Überfall gesprochen habe, der eigentlich ein Mordversuch durch das SEK gewesen sei.
Für die Kammer steht fest, dass der Angeklagte seit Anfang September von einem bevorstehenden „Angriff“ der Behörden auf den „Staat ...“ ausging. Dies gründet zunächst darauf, wie sich der Angeklagte nach dem angekündigten Vorgehen des Landratsamtes R. verhielt. Dessen Bescheid die Waffen abzugeben oder zu vernichteten und dies ggf. im Wege der Durchsuchung durchzusetzen, wies der Angeklagte mit Schreiben vom 01.09.2016 als „nicht zustellbar“ zurück. Gleichzeitig beteuerte er darin, dass sein Tun „immer in friedlicher und liebevoller Absicht“ geschehe. Für den Angeklagten stand danach zumindest potentiell auch ein gewaltsamer Konflikt im Raum, denn er schrieb an dieser Stelle ohne ersichtlichen Anlass weiter: „So wünsche ich mir, dass die Angelegenheit geregelt wird, ohne dass ein Mensch zu Schaden kommt“. Diese Auffassung des Angeklagten wird für die Kammer weiter bestätigt durch die Schilderungen der Zeuginnen ... und .... Auch ihnen gegenüber sprach der Angeklagte jeweils ohne konkreten Anlass von „friedlichen“ Lösungen. Die Zeugin ..., die den Angeklagten als Wing-Tsun Schülerin seit 2014 kennt, gab an, dass ihr der Angeklagte davon erzählt habe, dass das Landratsamt wegen der Waffen zu ihm kommen werde und er hoffe, dass er das friedlich regeln könne. Auch gegenüber der Zeugin ... einer langjährigen Bekannten, erwähnte der Angeklagte, wie sie selbst berichtete, dass er ohne einen konkreten Anlass von sich heraus auf eine friedliche Einigung mit dem Landratsamt wegen der Waffen zu sprechen kam. Wie der Mitarbeiter des Landratsamts ... jedoch in der Hauptverhandlung berichtete, unternahm der Angeklagte nach dem Schreiben vom 01.09.16 keinerlei Kontaktversuche zum Landratsamt. Für die Kammer steht daher fest, dass sich der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt gedanklich damit auseinandersetzte, dass es wegen der vom Landratsamt R. geforderten Waffenabgabe zu einer gewaltsamen Eskalation kommen kann.
(44) Für die Kammer steht sicher fest, dass der Angeklagte das Eindringen der Polizei in sein Haus als unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat“ wahrnahm und er sich zu dessen Verteidigung berufen und verpflichtet fühlte.
Diese Überzeugung beruht, erstens, auf den vom Angeklagten selbst erstellten „Pakt mit dem absoluten Staat ... (vgl. BWA I, S. 288–294), welcher in der Hauptverhandlung verlesen wurde und in dem er für jeden in ... – also insbesondere für sich selbst –, die Pflicht und den heiligen Auftrag vorsah, alles zu unternehmen, um die Freiheit des Volkes ... zu garantieren. Für den Angeklagten war dazu insbesondere auch der Rückgriff auf Gewalt legitim. Dies zeigt bereits seine Formulierung von Artikel 5 des Paktes. Denn dort regelt er, dass jedes Wesen aus ... das Recht auf Gewalt hat, insbesondere auch zum Schutz des Eigentums. In seiner „Proklamation des absoluten Staates ... und Anspruchserhebung“ führt der Angeklagte auf Seite 4 weiter aus, dass der Staat ... verspricht, zu jedem Zeitpunkt die Freiheit des Volkes ... mit „Blut, Eisen und Feuer“ zu verteidigen (vgl. BWA I, S. 287). Angesichts dieser Formulierungen schließt die Kammer aus, dass der Angeklagte das von ihm festgesetzte Recht auf Gewalt durch die – ebenfalls im „Pakt mit dem absoluten Staat ...“ von ihm festgesetzten heiligen Pflichten „in Liebe zu leben“ oder „niemanden zu schaden“ relativieren wollte.
Die Kammer schließt weiter aus, dass der Angeklagte sich zur Verteidigung des Rechtsweges bedienen wollte, da er damit die Existenz der von ihm nicht anerkannten Rechtsordnung bestätigt hätte. Diese Überzeugung der Kammer beruht auf den Angaben des Zeugen ..., der den Angeklagten seit 2008 durch ihre gemeinsame Beschäftigung mit Wing-Tsun kannte. Er schilderte in der Hauptverhandlung, dass sie für Fortbildungen in der Wing-Tsun Zentrale regelmäßig gemeinsam nach Heidelberg gefahren seien. Im August 2016 habe der Angeklagte ihm auf einer Fahrt auch von der Aufforderung des Landratsamts erzählt, die Waffen abzugeben. Auf den Rat doch vor Gericht zu gehen, wenn er sich ungerecht behandelt fühle, habe der Angeklagte erwidert, dass er Staat und Justiz nicht anerkenne. Wenn er vor Gericht ginge würde er aber dann das System ja anerkennen. Die Kammer hat an der Glaubwürdigkeit des Zeugen ... keinerlei Zweifel. Er machte seine Angaben in der Hauptverhandlung ohne erkennbaren Be- oder Entlastungseifer.
Zweitens geht die Kammer davon aus, weil das ganze Verhalten des Angeklagten zeigt, dass er auf die Einhaltung der von ihm gesetzten Regeln mit aller Entschlossenheit bestand und dafür auch schwer wiegende persönliche Nachteile in Kauf nahm. Dies zeigt beispielsweise die Trennung von seiner Lebensgefährtin als Folge der von ihm gelebten Überzeugungen und der Rückzug von Freunden (vgl. dazu oben Seite 43). Auch die auf seinen Überzeugungen beruhende Negierung seines Nachnamens, dessen Gebrauch der Angeklagte entgegen der ständigen gesellschaftlichen Übung im Alltag und gegenüber Behörden beharrlich verweigerte, zeigt der Kammer, wie sehr der Angeklagte seinen Prinzipien verhaftet war. Davon konnte sich die Kammer in der Hauptverhandlung ein eigenes Bild machen, in welcher der Angeklagte bis zum Schluss auf Anreden mit dem Nachnamen nicht reagierte.
Drittens beruht die Überzeugung der Kammer darauf, dass der Angeklagte das Erstürmen seines Hauses als illegale Besetzung seines Staats wahrnahm. Dies wird belegt durch das Verhalten des Angeklagten im Vorfeld der Tat. Der Angeklagte hatte die Grenzen seines Grundstücks bereits vor der Proklamation des Staates ... im Mai 2016 durch gelbe Linien deutlich sichtbar gemacht und durch mehrere Verbotsschilder den Zutritt untersagt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt waren sie für den Angeklagten eine „Staatsgrenze“, die sein Territorium markierte. Das Eindringen der Polizei war für ihn eine Besetzung. Davon ist die Kammer einmal aufgrund des Videos vom Vollstreckungsversuch des Beamten ... vom Hauptzollamt Regensburg am 25.05.16 überzeugt, auf welchem zu sehen ist, wie der Angeklagte ihn unmittelbar vor seiner gelb markierten Grundstücksgrenze stehend darauf hinweist, das er fremdes Staatsterritorium betrete. Dies bestätigte sich für die Kammer zum anderen in der Hauptverhandlung durch den Zeugen .... Er berichtete, dass der Angeklagte die Mitarbeiter des Landratsamtes nicht hereingelassen habe, da sie sein Territorium nicht betreten dürften. Die Kammer hat an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben keinen Zweifel. Der Zeuge ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass er früher auch einen Waffenschein gehabt habe und es daher zu dem Gespräch über die Waffen gekommen sei. Dabei habe er dem Angeklagten erzählt, dass er vom Landratsamt keine Verlängerung seines Waffenscheins bekommen habe. Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, dies nicht zu akzeptieren, denn es gebe die Bundesrepublik Deutschland und das Landratsamt eigentlich gar nicht. Deswegen sei das Ganze auch nicht rechtens.
Die Überzeugung beruht, viertens, auf dem Umstand, dass der Angeklagte die eindringenden Polizeibeamten als Repräsentanten eines Scheinstaates ansah, die ohne staatliche Legitimation handelten. Dies steht für die Kammer aufgrund der Überzeugung des Angeklagten fest, dass die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht existierte und eigentlich eine GmbH sei, wie sie die Zeugen ... und ... – insoweit alle übereinstimmend – in der Hauptverhandlung beschrieben. Diese Überzeugung fand ihren Niederschlag auch in der vom Angeklagten verfassten „Proklamation des absoluten Staates ... und Anspruchserhebung“ wieder, in welcher auf Seite 3 ausdrücklich von einer fiktiven Rechtsordnung gesprochen wird (vgl. BWA I, S. 286). Der Angeklagte leitete daraus die Nichtexistenz staatlicher Behörden und damit auch die Unverbindlichkeit ihrer Handlungen ab, wie z.B. des Finanzamts mit der Folge keine Steuern zahlen zu müssen, wie die Zeugen ... und ... schilderten, oder des Landratsamtes, mit der Folge einer Waffenkontrolle nicht nachkommen zu müssen, wie der Zeuge ... berichtete. Die Kammer hat deshalb keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte die Polizeibeamten entsprechend dieses Argumentationsmusters als unberechtigt handelnde Funktionsträger des Scheinstaates Bundesrepublik Deutschland ansah.
Die Überzeugung der Kammer beruht schließlich auch darauf, dass der Angeklagte die Besetzung seines Hauses als einen unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat ...“ ansah. Dies fußt auf dem Umstand, dass dem Angeklagten aus seiner Sicht die nicht anerkannten Gesetze der Bundesrepublik Deutschland mit dem Eindringen der Polizeibeamten gewaltsam oktroyiert wurden. Die Kammer ist sich sicher, dass der Angeklagte dies als unehrenhaft empfunden hat, da damit seine Reaktion auf den Bescheid des Landratsamt R. („die Zurücksendung des Bescheides mit der Bitte um Weiterleitung an die Person HERR ...“ beim Standesamt R., wo diese Person vermutlich erschaffen und verwaltet wird“ – vgl. BWA I, S. 44) völlig ignoriert wurde und statt dessen mit dem Polizeieinsatz eine Zwangsmaßnahme eingeleitet wurde. Dies wird für die Kammer auch durch die von dem Angeklagten an das Landratsamt R. versandten „Allgemeinen Handlungsbedingungen und Gebührenordnung“ bestätigt, in welcher es unter § 17 Entehrungen u.a. heißt, dass insbesondere „das Negieren und Nichtakzeptieren des Herausgebers, der Mensch IST“ und die „Anwendung ungültiger oder nichtiger oder rechtswidriger Gesetze“ unethisch und damit unehrenhaft sei.
(4) Aufgabe der Tat
Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass der Angeklagte sein Tun aufgab, weil er durch die massive Gegenwehr der Polizeibeamten erkannte, dass er sich nach dem Verlust des Überraschungsmomentes bei weiteren Schüssen selbst in akute Lebensgefahr bringen würde. Diese Überzeugung der Kammer gründet zum einen auf dem objektiven Geschehensablauf. Wie die Polizeibeamten Nr. 39, 106 und 127 in der Hauptverhandlung berichteten, erwiderten sie alle das Feuer des Angeklagten und schossen durch die Wohnungstüre in Richtung des Angeklagten. Die Beamten Nr. 106 und 127 schossen dabei aus halbautomatischen Pistolen, der Beamte Nr. 39 schoss dabei aus einem Sturmgewehr der Marke Heckler & Koch. Damit war ein erheblicher Lärm verbunden. Dies steht für die Kammer fest aufgrund der Angaben der Beamten Nr. 39, 127, 106 und des Sachverständigen .... Dieser berichtete über das Ergebnis der Spurensicherung, die ergab, dass insgesamt von den Polizeibeamten 32-mal in die Wohnung des Angeklagten geschossen wurde, davon zehnmal vom Beamten Nr. 39 aus dem Sturmgewehr. Weiter sei eine Vielzahl der dabei verschossenen Projektile in unmittelbarer Nähe des Angeklagten um die Schlafzimmertür herum eingeschlagen seien. Drei Projektile seien in die Bürotür einschlugen, die unmittelbar neben der Schlafzimmertür am Ende des Flures gelegen war. Zwei Projektile seien in die Deckenverkleidung des Flures und fünf Projektile in die Wand neben der Bürotür eingeschlagen. Die Überzeugung der Kammer gründet weiter darauf, dass der Angeklagte dabei auch von einem Streifschuss am Kopf getroffen wurde. Der Angeklagte erkannte spätestens daran, dass er bei einer weiteren Schussabgabe in unmittelbare Lebensgefahr geraten würde. Deswegen entschloss er sich, sich zu ergeben.
e) Zum Geschehen nach der Tat
Die Feststellungen zur Durchsuchung der Wohnung beruhen auf den Angaben der Polizeibeamten Nr. 106, Nr. 120, dem Polizeibeamten ... und dem Sachverständigen .... Die Feststellungen über die vorläufige Festnahme und die Untersuchungshaft beruhen auf den Angaben der Polizeibeamten ... und ... Die Feststellungen zu dem Ladezustand der im Schlafzimmer aufgefundenen Pistolen beruhen auf den Angaben des Sachverständigen .…
f) Zur Schuldfähigkeit
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhen auf dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen ..., der den Angeklagten bei sechs Besuchen in der JVA Nürnberg exploriert hat. Der Sachverständige hatte Einblick in die Ermittlungsakten sowie die beigezogene Zivilakte des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az. .... Er hat in der Hauptverhandlung erläutert, dass er beim Angeklagten keine relevante psychiatrische Diagnose stellen könne. Der Sachverständige führte insbesondere aus, dass beim Angeklagten zwar eine Vielzahl von ungewöhnlichen Verhaltensweisen und Geschehnissen zu beobachten gewesen seien, diese aber aus psychiatrischer Sicht keinen Krankheitswert hätten.
1. Der Sachverständige ... berichtete, dass für ihn bei der Beurteilung vor allem drei Aspekte von Bedeutung seien:
Zum einen das Erleben und Verhalten des Angeklagten in der letzten Zeit vor der Tat. Zwar habe der Angeklagte eine Einordnung als „Reichsbürger“ stets zurückgewiesen, seine Aktivitäten hätten aber mit dem als solchen charakterisierten Personenkreis durchaus korrespondiert. Dies finde seinen Ausdruck in dessen Verhalten mit Bezug zur Selbstverwaltung, insbesondere gegenüber Behörden und Banken, welches sich in der Exploration, anhand der beim Angeklagten aufgefundenen Korrespondenz und den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen gezeigt habe. Der Angeklagte erkenne die Bundesrepublik Deutschland nicht an und habe ein eigenes Staatsgebiet proklamiert. Er habe seinen Wohnsitz bei der Gemeinde G. abgemeldet und seinen Personalausweis zurückgegeben. Auch die beim Angeklagten aufgefundenen Unterlagen, wie beispielsweise Phantasieausweise und die „Lebenderklärungen“, belegten die Intensivität der Befassung mit diesen Themen. Die ungewöhnliche Beschäftigung damit sei auch Freunden des Angeklagten aufgefallen, die sie teilweise als Verschwörungstheorien bezeichneten. Der Angeklagte habe gegenüber der Polizei, aber auch gegenüber dem Sachverständigen, von vornherein darauf bestanden, dass er sich nicht mit der „Person“ – „Herr ...“ identifizieren könne und darauf bestanden immer mit „...“ angesprochen zu werden.
Der Angeklagte sei aber durchaus in der Lage zu reflektieren, dass er früher mit dem Finanzsystem anders umgegangen sei und davon während seiner Tätigkeit als Vermögensberater auch selbst profitiert habe.
Beim Werdegang sei vor allem von Interesse gewesen, dass der Angeklagte zwei Ehen geführt habe, eine gewisse Affinität zum Glücksspiel aufweise und sich zuletzt in einer schwierigen finanziellen Situation befunden hätte. Auch sei der Angeklagte von Waffen fasziniert gewesen.
Das im Entschuldigungsschreiben an die Eltern des Beamten ... ausgedrückte Mitgefühl zeige, dass sich der Angeklagte mit den Folgen seiner Tat auseinandersetze.
Zum anderen sei von Bedeutung, dass der Angeklagte über verschiedenste soziale Kontakte verfügte und dabei als friedlicher bzw. auch ungewöhnlicher Mensch wahrgenommen werde. Auch wenn einzelne Personen geäußert hätten, sich aufgrund von dessen Überzeugungen von ihm distanziert zu haben, sei der Angeklagte von dem Großteil seiner Bekannten positiv erlebt worden. Auf eine sich im sozialen Nahfeld auswirkende Abnormität könne nicht geschlossen werden. Allerdings habe sich die letzte Partnerin des Angeklagten im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen über dessen ungewöhnliche Überzeugungen von ihm getrennt, was den Angeklagten belastet hätte.
Schließlich seien die Erkenntnisse über den Gesundheitszustand im Hinblick auf den neurologischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Bereich von Bedeutung gewesen. Nach einem Autounfall am 27.03.2001 wären zunächst körperliche Beschwerden (HWS-Distorsion, Prellung der Brust- und Lendenwirbelsäule, linken Schulter und linker Hüfte) beschrieben worden. In einem Gutachten vom 06.02.2003 seien dann ein erhebliches neurasthenisches Syndrom mit massiver Einschränkung der Bewegungsfähigkeit sowie posttraumatische Kopfschmerzen vom Spannungstyp diagnostiziert worden. Das Gutachten habe eine auf Dauer eingeschränkte Erwerbsunfähigkeit von 80 % ergeben. Ein neuropsychologisches Zusatzgutachten habe damals eine Einschränkung beim Bearbeiten problemlösender Aufgaben ergeben. Ein Gutachten der psychosomatischen Klinik W. habe beim Angeklagten am 14.05.2007 ein organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma diagnostiziert. Allerdings seien in einem Gutachten des Reha-Zentrums Roter Hügel in Bayreuth vom 24.11.2011 keine erheblich leistungseinschränkenden Befunde (mehr als 50 % eingeschränktes Leistungsvermögen) mehr erhoben worden. Im Rahmen eines die Berufsunfähigkeit des Angeklagten betreffenden Gerichtsverfahrens hätten mehrere Gutachter den Angeklagten zwischen 2012 und 2014 untersucht. Der Angeklagte sei als zunehmend belastbar eingeschätzt worden. Ab 2012 sei ihm eine Berufsfähigkeit von mindestens 50 % zugeschrieben worden, wobei eine Tätigkeit als freiberuflicher Vermögensberater zugrunde gelegt war. Bei Einhaltung regelmäßiger Pausen sei der Angeklagte in der Lage pro Tag 6,25 Stunden zu arbeiten.
Bei den Explorationen habe der Angeklagte über eine gewisse Einschränkung seiner Konzentrationsleistung geklagt, aber nur dann, wenn diesen längere Gespräche vorausgegangen seien. Auch habe er angegeben, dass sein Kurzzeitgedächtnis beeinträchtigt sei. Hinweise darauf, dass der Angeklagte bei den Explorationen nicht in adäquater Art und Weise kommunizieren konnte, hätten sich nicht ergeben. Der Angeklagte sei in der Lage gewesen, sich mit den Fragestellungen auseinanderzusetzen. Er habe auch seine Verfassung reflektieren und diese in adäquater Weise thematisieren können, indem er etwa auf Ruhebedürfnisse hingewiesen habe. Eine bei dem Angeklagten durchgeführte testpsychologische Zusatzdiagnostik im Leistungsbereich speziell im Hinblick auf eventuelle Auswirkungen hirnorganischer Schädigungen (Benton-Test und Aufmerksamkeits-Belastungs-Test) habe keinerlei Hinweise auf hirnorganische Beeinträchtigungen gegeben.
2. Der Sachverständige ... erläuterte in der Hauptverhandlung, dass die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten nicht so weitgehende Abnormitäten darstellen würden, dass diese im medizinischen Sinne als wahnhaft anzusehen seien. Wahnhafte Überzeugungen seien vor allem dadurch gekennzeichnet, dass es sich um völlig ungewöhnliche Vorstellungen handele, die mit der objektiv nachprüfbaren Realität nicht vereinbar, und für den Betroffenen nicht korrigierbar seien. Beides liege bei den Überzeugungen des Angeklagten nicht vor. Diese seien zwar erheblich ungewöhnlich, da sie in unserer Gesellschaft nicht häufig vorkämen. Allerdings nicht in einem derartigen Ausmaß, dass sie als krankhaft einzustufen seien. Dabei sei von Relevanz, dass die Überzeugungen und Einstellungen mit korrespondierenden Handlungen (Schriftverkehr, Beschreibung eines eigenen Territoriums, „Lebenderklärungen“, Anfertigungen von Dokumenten) einhergingen und sich nicht erkennen ließe, dass diesen wahnhafte Gedanken oder gar wahnhafte Wahrnehmungen zugrunde lägen. Ein lediglich auf sich selbst bezogenes, isoliertes Denken liege nicht vor. Dies zeige sich daran, dass bei der Entwicklung der als ungewöhnlich einzuschätzenden Gedanken stets soziale Interaktion eine Rolle gespielt habe. Der Angeklagte habe die Überzeugungen, wie beispielsweise zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland oder zum Finanzsystem, nicht alleine. Vielmehr würden diese von anderen Personengruppen geteilt. Seine Überzeugungen seien daher auf dem Boden sozialer Kommunikation zustande gekommen. Der Angeklagte sei auch in den Explorationen in der Lage gewesen, die Ungewöhnlichkeit seiner Überzeugungen zu reflektieren. Es sei ihm erkennbar ein Anliegen gewesen, sich mit dem Gegenüber auseinanderzusetzen und dabei auch auf Argumente von außen einzugehen.
Die Kammer teilt diese Einschätzung des Sachverständigen, dass der Angeklagte keine wahnhaften Gedanken hatte. Es wurde durch die Beweisaufnahme vielfach bestätigt, dass die ungewöhnlichen ideologischen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten durch den Kontakt mit Gleichgesinnten geprägt wurden und deshalb kein Wahn vorliegt. Dies belegen einmal die beim Angeklagten sichergestellten Unterlagen, wie beispielsweise die Handlungsanweisungen zum „Verschwindenbringen“ des geltenden Rechtssystems (vgl. oben Seite 16) oder der Beistandspakt mit ... (vgl. oben Seite 16), aber auch seine Unterstützung von Gleichgesinnten vor Ort beim Vollzug von Vollstreckungshandlungen durch Staatsorgane. So schilderte der Zeuge ... wie ihm der Angeklagte bei einer Vollstreckung gegen seine Firma am 06.07.16 in G. zu Hilfe kam, indem er am Vortag in einem Chatforum zur Unterstützung aufrief und dann auch selber vor Ort war. Auch befand sich der Angeklagte, wie u.a. die Zeugen ... und ... angaben, zum Zeitpunkt der angekündigten Zwangsräumung des Grundstücks von ... zu dessen Unterstützung in Re.. Der Angeklagte versuchte auch immer wieder seine Überzeugungen weiter zu verbreiten, wie die Zeugen ... und ... in der Hauptverhandlung bekundeten und auch die von ihm organisierten Stammtische dokumentieren.
3. Der Sachverständige ... kam zu dem Schluss, dass bei dem Angeklagten die Dauerbelastungsfähigkeit geringfügig eingeschränkt sei. Es bestünden bei ihm noch geringe Restsymptome eines viele Jahre zurückliegenden Unfallereignisses mit Beteiligung des zentralen Nervensystems. Die von dem Angeklagten geschilderte Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit und des Kurzzeitgedächtnisses seien mit den medizinischen Befunden des Unfallereignisses von 2001 vereinbar. Dies sei diagnostisch einzuordnen als eine sonstige organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung aufgrund einer Krankheit, Schädigung oder Funktionsstörung des Gehirns (ICD 10: F07.
.
Der Sachverständige schloss aus, dass der Angeklagte an einer schizophrenen Psychose leide. Bei ihm seien keine so bizarren Wahnvorstellungen oder Wahrnehmungen festzustellen, wie sie bei jener Gruppe von Erkrankungen auftreten würden. Auch eine isolierte Wahnerkrankung käme bei dem Angeklagten nicht in Betracht, da seine Überzeugungen und Vorstellungen zwar ungewöhnlich, aber nicht wahnhaft seien. Auch sei nicht zu erfassen gewesen, dass der Angeklagte unter seinen Überzeugungen und Vorstellungen leide.
Für eine schwerwiegende affektive Erkrankung bestünden ebenso keinerlei Hinweise. Weder aus den Akten noch aus der Exploration des Angeklagten hätten sich konkrete Anhaltspunkte für erhebliche emotionale Veränderungen ergeben, die unabhängig von äußeren Belastungssituationen aufgetreten seien. Auch unerklärliche Hochstimmungen seien nicht erfassbar gewesen.
Bei dem Angeklagten sei auch keine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren gewesen. Dabei handele es sich im Allgemeinen um überdauernde Abnormitäten des Erlebens und Verhaltens, die nachhaltige Auswirkungen auf die persönliche und/oder berufliche Entfaltungsmöglichkeiten mit sich brächten, ihren Ausgangspunkt in der Kindheit nähmen und nicht mit Episoden psychischer Krankheiten erklärt werden könnten. Der Sachverständige erläuterte, dass eine „organische Persönlichkeitsstörung“ aufgrund einer hirnorganischen Schädigung durch das Unfallereignis von 2001 nicht in Betracht käme, da dieses nicht zu derartigen Auffälligkeiten geführt habe, dass eine eigenständige Diagnose zu rechtfertigen wäre. Der erfolgreiche Werdegang des Angeklagten als Vermögensberater zeige auch, dass es nicht bereits im jungen Erwachsenenalter zu erheblichen Erlebens- und Verhaltensauffälligkeiten gekommen sei, die seine beruflichen oder persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten wesentlich einschränkten. Die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen seien beim Angeklagten durch ein Zusammenwirken verschiedener Faktoren zustande gekommen, wobei über seine Primärpersönlichkeit hinaus spätere Entwicklungsfaktoren relevant gewesen wären. Dabei hätten neben der Berentung nach dem Unfallereignis 2001 die mit dem Ende der Berentungsphase einhergehende Notwendigkeit neuerlicher beruflicher Tätigkeit bei gleichzeitigen Zweifeln über, deren Sinnhaftigkeit, aber auch Besonderheiten seiner privaten Bindungssituation eine Rolle gespielt. Es sei hervorzuheben, dass bei der Entwicklung der ungewöhnlichen Gedanken immer wieder der direkte Kontakt zu anderen Menschen besondere Bedeutung entfaltet habe, auch wenn es sich dabei um eine Gruppe von Personen mit ähnlichen Überzeugungen gehandelt habe. Insgesamt würden Belege dafür fehlen, dass der Angeklagte durch die bei ihm zustande gekommene Persönlichkeit allgemein nicht mehr in der Lage gewesen sei, sich in üblicher Art und Weise mit seiner Umwelt auseinander zu setzen.
Der Sachverständige ... schilderte schließlich, dass beim Angeklagten auch kein vermehrter Konsum von Suchtmitteln zu erfassen war. Dies steht im Einklang mit der Auswertung der beim Angeklagten am 19.10.2016 entnommenen Blutprobe. Der rechtsmedizinische Sachverständige Prof. Dr. ... berichtete in der Hauptverhandlung, dass diese weder Hinweise auf Alkohol noch auf Betäubungsmittel ergeben habe.
Die Kammer schließt sich dieser Beurteilung des Sachverständigen ... nach eigener kritischer Würdigung an. Er ist bei der Beurteilung der Persönlichkeit des Angeklagten, wie sich in der Hauptverhandlung bestätigt hat, von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen und hat sich ersichtlich an den Kriterien des in der forensischen Psychiatrie gebräuchlichen diagnostischen und statistischen Klassifikationssystems ICD 10 Kapitel 5 (F) orientiert. Der Sachverständige ... ist ihr aus zahlreichen Verfahren als sachkompetent bekannt und ein forensisch erfahrener Gutachter.
4. Die Kammer hat auf Grundlage dieser Ausführungen des Sachverständigen ... und ihres Eindruckes vom Angeklagten in der Hauptverhandlung zweifelsfrei festgestellt, dass im Tatzeitpunkt weder dessen Einsichts- noch dessen Steuerungsfähigkeit auch nur teilweise beeinträchtigt war.
Bei dem Angeklagten bestand keine krankhafte seelische Störung im Sinne von §§ 20, 21 StGB. Wie der Sachverständige erläuterte, würde die beim Angeklagten diagnostizierte sonstige organische Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung nur eine geringfügige Symptomatik aufweisen mit vergleichsweise geringen Leistungseinschränkungen. Dem Angeklagten sei es ohne weiteres gelungen, den üblichen Anforderungen von Alltagssituationen zu genügen und auch einer, wenn auch geringfügigen, selbständigen Tätigkeit als Wing-Tsun Ausbilder nachzugehen. Die Kammer schließt sich dieser Einschätzung an. Die Beweisaufnahme hat keinerlei Hinweise dafür ergeben, dass sich die geringfügige Einschränkung der Belastungsfähigkeit des Angeklagten in erheblicher Weise auf seinen Alltags- oder Berufsleben ausgewirkt hat oder sonst seine Erlebens- und Handlungsspielräume einschränkte. Die Einschränkung führte auch nicht grundsätzlich zu Problemen bei der Bewältigung von Aufgaben, sondern lediglich zu einer zeitlichen Begrenzung der Ausdauer, mit welcher sich der Angeklagte mit ihnen auseinandersetzen konnte. Der Angeklagte verfügte über eine Vielzahl von sozialen Kontakten und unterrichtete regelmäßig Wing-Tsun. Die Kammer schließt daher aus, dass sein Verhalten durch die Einschränkung seiner Belastungsfähigkeit erheblich bestimmt wurde.
Bei dem Angeklagten bestand weder eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung noch ein Schwachsinn. Die Kammer konnte dafür – in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen – keinerlei Anhaltspunkte feststellen.
Die Kammer schließt ebenso sicher aus, dass beim Angeklagten eine andere schwere seelische Abartigkeit bestand. Die ungewöhnlichen Überzeugungen und Einstellungen des Angeklagten stellen noch keine derartig schweren Normabweichungen von der Bandbreite menschlichen Verhaltens dar, dass sie als schwere seelische Abartigkeit eingeordnet werden können. Sie bestanden beim Angeklagten nicht während seines gesamten Lebens, wie der bis zum Unfall 2001 erfolgreiche Werdegang und seine Tätigkeit als Vermögensberater zeigen. Vielmehr gingen sie zeitlich vor allem mit der besonderen Lebenssituation des Angeklagten einher, die mit dem Wegfall seiner Berentung 2012 begann und durch das sich anschließende mehrjährige Gerichtsverfahren sowie den Kontakt zu Gleichgesinnten gezeichnet war. Die Kammer teilt aufgrund einer Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Angeklagten und dessen Entwicklung einerseits, und der Tat sowie des Vor- und Nachtatverhaltens anderseits, die Einschätzung des Sachverständigen, dass die ungewöhnlichen Überzeugungen des Angeklagten noch nicht ein derartiges Ausmaß erreicht haben, dass sie das Kriterium einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erfüllen.
C. Rechtswidrigkeit
Der Angeklagte handelte rechtswidrig. Eine Notwehrlage lag schon objektiv nicht vor.
Zwar sah sich der Angeklagte durch die eindringenden Polizeibeamten eines gegenwärtigen „Angriffs“ auf die Unversehrtheit seiner Wohnung und seines Eigentum ausgesetzt, jedoch war das Eindringen rechtmäßig. Ein rechtswidriger Angriff lag damit nicht vor. Die Rechtmäßigkeit von hoheitlichem Handeln im strafrechtlichen Sinn hängt davon ab, ob die äußeren Voraussetzungen zum Eingriff der Polizeibeamten gegeben waren. Die Polizeibeamten müssen örtlich und sachlich zuständig sein, die wesentlichen Förmlichkeiten einhalten und ein ihnen gegebenenfalls eingeräumtes Ermessen pflichtgemäß ausüben (vgl. BGH, Urteil v. 09.06.2015, Az. 1 StR 606/14, Rn. 25).
Die Kammer konnte sich in der Hauptverhandlung davon überzeugen, dass diese Voraussetzungen vorlagen. Das auf Anforderung der ... R. eingesetzte Spezialeinsatzkommando Nord war für den Einsatz örtlich und sachlich zuständig. Die Polizei handelte dabei in Vollzugshilfe für das Landratsamt R. als untere Waffenbehörde, um die Durchsuchung des Anwesens des Angeklagten zu ermöglichen (Art. 3 Abs. 1 POG; Art. 2 Abs. 3, 49 Abs. 1 PAG i.V.m. § 46 Abs. 4 WaffenG). Dies steht fest aufgrund der Angaben der Zeugen ... und .... Die Zeugen ... und ... berichteten übereinstimmend, dass das Landratsamt R. bei der ... R. Vollzugshilfe für die Durchsuchung des Anwesens des Anwesens des Angeklagten beantragt hat. Der Zeuge ... berichtete darüber hinaus, dass die Polizei dabei nur die gefahrlose Durchsuchung des Hauses ermöglichen sollte. Die Durchsuchung selbst und die Aushändigung des Durchsuchungsbeschlusses des VG Ansbach sollte durch Mitarbeiter des Landratsamts durchgeführt werden, weswegen er sich auch vor Ort aufgehalten habe. Dies bestätigte auch der Zeuge ..., der für den Einsatz auf Seiten des SEK verantwortlich war. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei dem Einsatz zur Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften gekommen ist. Der Zeuge ... gab insbesondere an, dass das Landratsamt R. aufgrund Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16.09.2016 (Az. ...) zur Durchsuchung berechtigt war und die Durchsuchung für 6 Uhr morgens geplant war (vgl. § 46 Abs. 4 S. 2 WaffenG).
Entgegen der Auffassung der Verteidigung war der Polizeieinsatz auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach nicht vor dem Eindringen der Polizeibeamten auf das Grundstück zugestellt wurde. Die Zustellung des Beschlusses war dem Landratsamt R. übertragen und sollte erst bei Beginn der Durchsuchung erfolgen, um deren Erfolg nicht zu gefährden (vgl. Seite 6 des Beschlusses). Wie der Zeuge ... schilderte, hatte er den Beschluss dabei, es sei aufgrund der Tat des Angeklagten jedoch gar nicht mehr zu einer Durchsuchung des Anwesens durch das Landratsamt R. gekommen. Dass der Beschluss auch in der Folge – wie der Zeuge ... ebenfalls angab – nicht zugestellt wurde, ist für die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Handelns am 19.10.16 irrelevant. Die Durchsuchung ist auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig. Selbst wenn das Betreten des Grundstücks des Angeklagten durch die Spezialeinsatzkräfte vor 6 Uhr begonnen hätte und damit noch zur Nachtzeit, wäre dies vorliegend kein wesentlicher Verfahrensverstoß, da es sich hierbei allenfalls um wenige Minuten gehandelt haben könnte.
Die Kammer hat weiter festgestellt, dass sowohl die ... R. bei der Entscheidung das Spezialeinsatzkommando beizuziehen, als auch das Spezialeinsatzkommando bei der Planung und Ausführung des Einsatzes, das ihnen eingeräumte Ermessen jeweils pflichtgemäß ausübten und keine Anhaltspunkte für Willkür vorlagen. Die Polizei musste insbesondere aus damaliger Sicht von einer objektiven Gefährdungslage ausgehen.
Die stellvertretende Dienststellenleiterin der ... R., die Zeugin ..., schilderte in der Hauptverhandlung die Gründe für die Hinzuziehung des Spezialeinsatzkommandos. Sie sei aufgrund ihrer bisherigen Erkenntnisse und Erfahrungen ausgegangen, dass der Angeklagte sich gegen die Sicherstellung der Waffen zur Wehr setzen könnte und befürchtete eine mögliche Eskalation. Sie berichtete nachvollziehbar, wie sie ab Anfang 2016 mehrfach mit Polizeieinsätzen bezüglich des Angeklagten befasst war. Der Angeklagte habe in der Vergangenheit Behörden den Zutritt zu seinem Haus verweigert und sei nicht kooperativ gewesen. Sie sei weiter darüber informiert gewesen, dass er sein Haus selten verlasse und sich regelmäßig weitere Personen als Unterstützer bei ihm aufhalten würden. Sie habe auch gewusst, dass der Angeklagte ein erfahrener Kampfsportler sei, der eine Kampfsportschule betrieben habe. Zudem sei eine Vielzahl von Schusswaffen beim Angeklagten registriert. Die Kammer hat an der Richtigkeit ihrer Angaben keinerlei Zweifel. Die Zeugin räumte in ihrer Vernehmung auch ohne weiteres ein, nicht gewusst zu haben, dass der Angeklagte für den Wing-Tsun Unterricht regelmäßig das Haus verlassen würde und irrtümlich davon ausgegangen zu sein, dass der Angeklagte mit der Schließung seiner Wing-Tsun Schule in G. seine Ausbildungstätigkeit eingestellt habe. Allerdings hätte dieser Umstand für die Einsatzplanung keine wesentliche Rolle gespielt, da der Zugriff auf den Angeklagten dennoch zu Hause erfolgt wäre, um die Gefährdung Dritter möglichst auszuschließen.
Die Angaben der Polizeibeamtin ... stehen im Einklang mit den Aussagen der Zeugen ... und des für die taktische Einsatzplanung zuständigen Beamten Nr. 179 über die ihnen von der ... R. mitgeteilten Informationen. Aufgrund dieser hätten sie vor der Einsatzübernahme eine Gefährdungsanalyse durchgeführt. Sie seien ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer Gefährdungslage auszugehen sei. Um eine Gegenwehr des Angeklagten möglichst zu unterbinden, hätte man sich für einen Überraschungszugriff entschlossen. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte, an der Glaubhaftigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
D. Schuld
Der Angeklagte handelte schuldhaft. Der Angeklagte handelte nicht, um sich zu verteidigen, denn er erkannte vor der Schussabgabe, dass vor der Wohnungstür speziell ausgerüstete Polizeibeamte waren (vgl. oben Seite 32). Damit wusste er auch, dass kein rechtswidriger Angriff vorliegt und es sich nicht um einen Überfall handelt.
Der Angeklagte wusste, dass er mit den Schüssen auf die Polizeibeamten die geltenden Gesetze verletzt. Auch wenn er deren Verbindlichkeit für sich und seinen selbst ausgerufenen „Staat“ ablehnte, war ihm bewusst, dass er mit dem Angriff auf die Polizei gegen das verbindliche Recht der Bundesrepublik Deutschland verstößt.
E. Rechtliche Würdigung
Der Angeklagte hat sich des Mordes in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen des versuchten Mordes jeweils mit gefährlicher Körperverletzung schuldig gemacht (§§ 211 Abs. 1, Abs. 2 Var. 4 und 5, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, Nr. 5, 22, 23 Abs. 1, 52 Abs. 1 StGB).
1. Der Angeklagte handelte heimtückisch bezüglich des Beamten .... Der Beamte ... war bei den Schüssen des Angeklagten arglos, da er nicht mit einem feindseligen Angriff auf sich rechnete, als er direkt vor der Tür in die Hocke ging, um die Wohnungstür zu öffnen. Das generelle Misstrauen von Spezialkräften der Polizei, dass beim Stürmen von Häusern immer mit Schüssen – auch durch Türen – zu rechnen sei und das auch in dem Tragen von Schutzkleidung zum Ausdruck kommt, schließt die Arglosigkeit nicht aus, da nicht auf ein generelles Misstrauen abzustellen ist, sondern darauf, ob im Tatzeitpunkt mit einem feindseligen Angriff gerechnet wird (vgl. BGH, Urteil v. 10.03.1995, Az. 5 StR 434/94; BGH, Urteil v. 22.09.2016, Az. AK 47/16, Rn. 16). Der Beamte ... war gegenüber den Schüssen wehrlos, da er sich wegen des Anbringens des Hydraulikspreitzers in hockender Haltung und damit in keiner verteidigungsbereiten Lage befand und den überraschenden Schüssen weder ausweichen noch sie sonst abwehren konnte. Dies erkannte der Angeklagte und nutzte es aus.
Der Angeklagte handelte bezüglich der Polizeibeamten Nr. 39 und Nr. 106 nicht heimtückisch. Diese waren durch den Beschuss zwar überrascht. Beide Polizeibeamte befanden sich jedoch in verteidigungsbereiter Lage, da sie sich aufgrund ihrer Ausbildung automatisch gegen einen Beschuss durch die Tür absicherten, indem sie entsprechende Sicherungshaltungen einnahmen. Der Polizeibeamte Nr. 106 durch das erhobene Schild und der Beamte Nr. 39 durch das in Anschlag gehaltene Sturmgewehr.
2. Die Kammer bewertet die Beweggründe des Angeklagten als besonders verwerflich, da sie nach einer Einzel- und Gesamtwürdigung aller Umstände auf sittlich tiefster Stufe stehen und von einer hemmungslosen Eigensucht bestimmt sind. Die Kammer hat dabei insbesondere die unmittelbare Tatmotivation berücksichtigt, den selbst gegründeten „Staat“ gegen das Eindringen der Polizei zu verteidigen. Sie hat weiter das darin zum Ausdruck kommende krasse Missverhältnis berücksichtigt, sich die Verschaffung von Anerkenntnis mit dem Leben von Amtsträgern zu erkaufen, ebenso wie die sich immer weiter radikalisierende Entwicklung des Angeklagten innerhalb des letzten Jahres vor der Tat und seine Auseinandersetzung mit den Behörden. Der Angeklagte hat nicht nur die geltende Rechtsordnung als fiktiv und unverbindlich abgelehnt, sondern sich mit seiner „Staatsproklamation“ selber Regeln gesetzt, die nur für ihn an deren Stelle traten und sein Handeln legitimieren sollten. Er handelte dabei aus rein egoistischen Motiven, um sich dem rechtmäßigen Zugriff des Staates zu entziehen. Seine Bewertung der geltenden Rechtsordnung als ein Scheinkonstrukt führte dazu, dass er mit deren Repräsentanten nach eigenem Belieben verfahren konnte. Auf dem Boden dieser inneren Auffassung, einerseits immun und nicht der Rechtsordnung unterworfen, andererseits zur Verteidigung seines Staates berufen und legitimiert zu sein, missachtete der Angeklagte durch die Tat das Lebensrecht der Polizeibeamten in besonders eklatanter Weise. Denn er sah sie allein als unberechtigte Repräsentanten eines Scheinstaats an, deren Leben er bei dem unehrenhaften „Angriff“ auf seinen „Staat“ ohne weiteres zu dessen Verteidigung opfern konnte. Zwar fasste der Angeklagte den konkreten Tötungsentschluss situationsbedingt spontan, seine Motivationslage beruhte aber auf einer langfristig gebildeten Überzeugung.
3. Der Angeklagte ist nicht vom Versuch des Mordes der Beamten Nr. 39 und Nr. 106 zurückgetreten, da er den Beschuss nicht freiwillig einstellte, sondern weil er aufgrund der massiven Gegenwehr durch die Polizeibeamten und den erlittenen Streifschuss am Kopf um sein Leben fürchtete.
F. Strafzumessung
Für Mord sieht das Gesetz gem. § 211 Abs. 1 StGB lebenslange Freiheitsstrafe vor. Besondere Gründe von der absoluten Strafandrohung abzuweichen, sind nicht gegeben. Neben der Heimtücke ist auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verwirklicht, eine ausnahmsweise Milderung des Strafrahmens nach § 49 I Nr. 1 StGB aufgrund außergewöhnlicher Umstände kommt nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss v. 19.05.1981, GGSt 1/81, Rn. 37 f.).
Die besondere Schwere der Schuld war nicht festzustellen (§ 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB). Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB zu bejahen ist, war ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen, wobei sich das Gericht an den für die Strafzumessungsschuld im Sinne von § 46 StGB geltenden Regeln zu orientieren hat und eine Bejahung nur möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen (BGH, Urteil v. 22.11.1994, Az. GSSt 2/94, Rn. 36 ff., BGH, Urteil v. 20.08.1996, Az. 4 StR 361/96, Rn. 4 ff.; BGH, Urteil v. 18.06.2014, Az. 5 StR 60/14, Rn.
.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer nach einer Gesamtwürdigung der Tat und der Täterpersönlichkeit der Auffassung, dass die persönliche Schuld des Angeklagten nicht so schwer wiegt, als dass sie bei günstiger Täterprognose die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren gebieten würde.
Dabei hat die Kammer einerseits gewürdigt, dass der Angeklagte neben dem Mord am Beamten ... tateinheitlich zwei weitere versuchte Morde an den Beamten Nr. 39 und Nr. 106 begangen hat und bei diesen jeweils tateinheitlich auch eine gefährliche Körperverletzung begangen hat. Auch hat der Angeklagte hinsichtlich des Beamten ... zwei Mordmerkmale und hinsichtlich der Beamten Nr. 39 und Nr. 106 mehrere Varianten der gefährlichen Körperverletzung verwirklicht. Der Angeklagte ist andererseits bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Die Verletzungsfolgen des Beamten Nr. 106 waren gering. Auch die Verletzungen des Beamten Nr. 39 sind ohne schwerwiegende Folgen verheilt.
G. Einziehung und Kosten
Die Einziehung der weiteren Pistole „Glock“ 23 C und deren Magazine (Asservate Nr. 2.4.5, 2.4.5.1), des Holsters „Vega“ (Asservat 2.4.10), der vier Magazine Glock 3206 mit je 15 Patronen (Asservate 2.4.6, 2.4.7, 2.4.8, 2.4.9) und der Munitionsweste „Blackhawk“ (Asservat 2.4.11) kam nicht in Betracht, da sie weder zur Begehung noch zur Vorbereitung der Tat gebraucht oder bestimmt gewesen sind.
Als Verurteilter hat der Angeklagte die Kosten des Verfahrens und seine eigenen notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen der Nebenkläger zu tragen (§§ 464, 465, 472 StPO).