Da sie hier eine gewisse Rolle spielt, packe ich das mal hier rein.
Lengsfeld hat nämlich Post vom staatsanwalt bekommen.
Und der hat ihr geschrieben, wenn sie gegen die Antifa agitiert, dann muß sie auch Agitation der Antifa hinnehmen.
Spoiler
Im vergangenen Jahr hat sie die "Gemeinsame Erklärung 2018" initiiert. Darin heißt es: "Mit wachsendem Befremden beobachten wir, wie Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird. Wir solidarisieren uns mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird."
Etwa 65 000 Menschen unterschrieben die Petition zur "Gemeinsamen Erklärung 2018", Lengsfeld durfte daraufhin vor dem Petitionsausschuss des Bundestages sprechen. Sie erschien in einem schwarzen Kleid und mit finsterer Miene, als wohne sie der Beerdigung der Demokratie bei. Mit erhobenem Zeigefinger betonte sie, es gehe ihr um die "illegale!" Migration und die "friedlichen!" Proteste dagegen.
Nach der Wiedervereinigung saß sie selbst im Bundestag, zunächst für die Grünen, dann, als diese sich aus ihrer Sicht zu sehr an die PDS anbiederten, für die CDU. Aber auch die wurde ihr zunehmend zu links. Heute ist sie zwar noch einfaches CDU-Mitglied, Angela Merkels Politik aber findet sie inzwischen "linksradikal".
Lengsfeld trägt schon wieder ein schwarzes Kleid, diesmal ein Sommerkleid, als sie an einem heißen Junitag die Tür zu ihrer Wohnung öffnet. Über ihrem Wohnzimmertisch hängt ein aus schwarzen Kreisen und Strichen bestehendes Ölgemälde.
Ob sie sich heute frei fühlt? "Na klar, ich mache ja, was ich will." Auch von der Antifa lasse sie sich in ihrer Freiheit nicht einschränken. Trotzdem hat sie Anzeige erstattet wegen der "Halt's Maul!"-Aufkleber. "Und dann schreibt mir der Staatsanwalt: 'Wer, wie Sie, die Antifa kritisiert, der muss das aushalten.' Ja, hallo Rechtsstaat? Dabei ist das Schmähkritik, die eigentlich verboten ist!" Nur wenige Sätze hat es gedauert, um von der Freiheit in Richtung unterdrückte Freiheit abzubiegen.
Lengsfeld schreibt heute viel, für rechtskonservative Medien wie Junge Freiheit oder Achse des Guten. Eine Ausgabe von Tichys Einblick, ein Magazin aus einem ähnlichen politischen Spektrum, liegt auf ihrem Couchtisch. In ihren Artikeln warnt sie vor einer linken "Gesinnungsdiktatur", vor der Schikane "Andersdenkender", vor einer Rückkehr der "DDR 2.0". "Kader", "Herrschaft", "Untertan" - wenn sie redet, mehr noch wenn sie schreibt, hantiert Lengsfeld ganz selbstverständlich mit panzerschweren Begriffen. Rhetorisch ist bei ihr immer Krieg. Kantig und klobig liegt die politische Wirklichkeit da, entkleidet von vermeintlicher Schönrednerei, "politischer Korrektheit", oder eben: "Propaganda", in ihren Worten.
"Freedom is not free"
Was hält sie von der AfD? "Solange die Leute wie Gauland und Höcke in ihren Reihen haben, ist sie nicht akzeptabel." Man solle mit der Partei "demokratisch umgehen", aber über Höcke sagt sie, es sei "in-ak-zep-ta-bel" - sie betont jede Silbe - "wie der Junge sich benimmt". Lengsfeld hat in Cambridge studiert, nachdem die DDR sie auswies, um die Dissidentin los zu sein. In ihre Welt passen keine Koketterie mit Regelbrüchen wie bei der AfD. Im Gegenteil: Ihr ganzes politisches Weltbild scheint auf dem Kerngedanken zu fußen, es sollten sich gefälligst alle an die Regeln halten. Nur tun sie das aus ihrer Sicht nicht: Die Linken stellen sich über das Gesetz. So wie damals.
Fragt man sie, woher ihrer Meinung nach die angebliche Wiederkehr der DDR in neuem Gewand kommt, beklagt Lengsfeld deren verpasste Aufarbeitung. "Gysi und Konsorten sind hofiert worden von der westdeutschen Linken, die sofort gedacht hat: Jetzt kriegen wir endlich mal die richtige linke Partei." Es habe eine "Hatz" auf die inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit gegeben, aber nur, um von den eigentlich Verantwortlichen abzulenken. Der Frage, wessen "Schwert und Schild" die Stasi war, wer die Befehle gegeben hat, sei nie konsequent nachgegangen worden.
Wer aber sind die Hintermänner, und warum zieht man sie nicht zur Verantwortung? Bei dieser Frage geht es nicht mehr nur um die ewige Dissidentin Vera Lengsfeld. Sondern auch um Deutschlands "populärstes Stasi-Opfer", wie der Focus sie einst nannte. Es ist der Punkt, an dem sie zu reden aufhört.
Nein, sie wolle nicht über ihren Mann sprechen. Sie bereut, es getan zu haben, als 1992 der damalige Chefporträtist des Spiegel Jürgen Leinemann anklopfte: Die berühmte Bürgerrechtlerin war von ihrem eigenen Mann bespitzelt worden, dem Lyriker Knud Wollenberger, "IM Donald". Sie hatte eben beim Durchblättern der Stasiakten die Gewissheit erhalten, hatte Teile ihres für die Stasi protokollierten Ehelebens nachlesen müssen und war gerade auf dem Weg nach draußen aus der Stasi-Aufarbeitungsbehörde, als Leinemann sie auf der Straße abfing. Er notierte, wie "Verletzung und ratlose Verzweiflung ungehemmt" aus ihr herausbrachen. So steht es in seinem Artikel. Damals hieß Lengsfeld noch Wollenberger. Kurz danach nicht mehr. Wollenberger war Jude, die DDR für ihn die Antwort auf Auschwitz. Er hätte alles getan, um diesen Staat zu erhalten, soll er laut Lengfelds Autobiografie zu ihr gesagt haben.
Nach Leinemann kamen weitere Reporter. "Hunderte", sagt sie. Heute traue sie keinem Journalisten mehr. Auch dem nicht, der vor ihr sitzt. Ein trauriges Lachen, nur ganz kurz. Sie wirkt verwundbar. Nicht wie eine geschlagene Hündin, aber doch wie eine Person, der man nicht wehtun will, die auch selbst niemandem wehtun will. Große Augen, anklagend.
Wie viel Recht hat die Öffentlichkeit, etwas über eine Person zu erfahren, die nicht mehr das Stasiopfer vom Dienst sein will - und zugleich sehr laut in der Öffentlichkeit einen Staat bekämpft, der sie verfolgt hat und es in ihrer Wahrnehmung auch heute noch tut, den es aber gar nicht mehr gibt? Über Lengsfelds Blog steht der Satz "Freedom is not free". Die Überzeugung, dass die Diktatur Geschichte ist, hält sie offenbar für naiv. Möglicherweise ist dieses naive Vertrauen in den Staat und die Öffentlichkeit ein Segen, wenn man in einer Demokratie aufgewachsen ist. Lengsfeld und ihrer Generation wurde er vorenthalten.
Das Haus des Großvaters im thüringischen Sondershausen, in dem sie als Kind lebte, hat sie nach der Wende abreißen und wiederaufbauen lassen. Die Bausubstanz war innen morsch, so wie die des überwundenen Staates, so wie die ihrer Ehe. Alles gehörte zusammen in einem Staat, in dem es kein Privatleben geben durfte und das Private politisch war. Auch dann, wenn man das gar nicht wollte. Fragen durften keine gestellt werden. Die DDR war Siegerin der Geschichte, die Welt war heil. So das verordnete Weltbild.
Eine "Nazi.♥♥♥" ist sie laut eigener Aussage vor Kurzem von einem Antifa-Demonstranten genannt worden. Sie hat ihm eine geschmiert. "Lengsfeld, halt's Maul!" Ausgerechnet sie, die Bürgerrechtlerin mit dem Bundesverdienstkreuz. Die Siegerin der Geschichte.
Hat die Stasi am Ende doch gewonnen, haben die "Zersetzungsmaßnahmen" gefruchtet? Sie habe sich nie als Opfer gesehen, sagt sie. "Ich habe die Stasi bis aufs Blut gepeinigt." Ihrem damaligen Mann habe sie verziehen. Er lebt auch gar nicht mehr. Im Februar 2012 erschien in der Berliner Zeitung die Todesanzeige. Knud Wollenberger sei im Alter von 59 Jahren gestorben, das Begräbnis habe in Irland stattgefunden. "Und eine schwarze Sonne leckt die letzten Strahlen." Draußen, nach der Verabschiedung von Lengsfeld, wieder Vogelgezwitscher, Altbauten, Refugees Welcome. Junge Menschen mit Sonnenbrillen, für die Freiheit etwas Selbstverständliches ist, das man nicht verteidigen muss, das einfach da ist. Lengsfeld hat keine Zeit mehr. Sie muss noch einen Vortrag vorbereiten.
Kann es sein, daß diese Dissidenten heftig von der DDR geprägt sind ohne es zu merken?
Wenn sie meinen, die Wahrheit gefunden zu haben, dann denken sie offenbar, die unbedingt durchdrücken zu müssen.
Damit, daß alle ein bißchen recht haben könnten, haben die offenbar ein Problem.
Mir fällt da Bärbel Boley ein: „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“ .
Dabei habe ich das Gefühl, in ihren Augen wäre "Gerechtigkeit gewesen, es jetzt den SED-Leuten so richtig dreckig zu machen.
Die BRD ist eben keine umlackierte DDR, auch wenn die Leute zurecht das Gefühl hatten und haben, die DDR sei nur ein umlackiertes 3.Reich gewesen.
Die Bundesrepublik ist etwas ganz anderes.