Liebes Tagebuch,
es hat mich zwar niemand nach Zwickau einladen, aber ich bin trotzdem hingefahren. Bei meinem aktuellen Video „10 Jahre NSU – 10 Jahre Lüge“ habe ich mir besonders viel Mühe gegeben, insbesondere habe ich mir dabei Mühe gegeben, dass niemand merkt, dass ich mir Mühe gegeben habe. Jeder, der mich nicht kennt – dabei sollte mich jeder kennen! – hielte es für minderbemittelten Schlonz, aber immerhin habe ich vorher extra ein Buch aus dem Schelm-Verlag gelesen. Naja, das behaupte ich zumindest, die Wahrheit kennen nur Du und ich.
Ich habe mich mal wieder als Depp verkleidet, also einfach die Klamotten angezogen, die mir Axelander raus gelegt hat.
In einem kleinen Park, später nennen ich ihn „dieser Märchenpark,“ in dem für jedes der NSU-Opfer ein Baum gepflanzt und mit Erinnerungstafel versehen wurde, tue ich mal wieder so, als hätte ich Ahnung von der dt. oder irgendeiner anderen Sprache, wenn ich sage „[...] das alles ist schon fast offenkundig. Keiner zweifelt daran [dass die 10 Menschen von Uwe & Uwe ermordet wurden; Anmerkung des Betreuers] doch das stimmt nicht ganz. Es gibt einige, die eine andere Auffassung der Geschehnisse haben, die nicht glauben, dass Uwe, Uwe und Beate Schuld an den Morden waren.“ Wie Du siehst, verstecke ich mich auch weiterhin hinter „einigen,“ wenn mir mal wieder der Mut fehlt 'ich' zu sagen. „Wir stellen fest, dass es überhaupt keinerlei Anhaltspunkte für eine Schuld der beiden Uwes, aber dass es sehr viele Anhaltspunkte gibt, dass die Opfer in andere Machenschaften verwickelt waren. Beate Zschäpe scheidet völlig aus als Täterin und was da wirklich hinter steckte, ist so abgrundtief böse, man kann es sich kaum vorstellen.“ Ich kann!
Ich finde finde mich immer wieder ganz toll, wenn ich Nonsenselaborate ausatme wie etwa „[...] und euch immer wieder die andere Geschichte erzählen, die möglicherweise sogar wahrscheinlicher ist, als das, was wir von den Medien tagein tagaus um die Ohren gefeuert bekommen.“
In einem Park treffe ich auf eine Doreen, die Beate Z. als „ein ganz normaler Durchschnittsbürger“ beschreibt, „wie man halt den 90er Jahren war als Jugendlicher.“ Doreen nuschelt zwar Opa Nerling nach dem achten Korn, aber das habe ich ihr natürlich nicht gesagt. Doreen, was ist das eigentlich für ein komischer Name, so richtig arisch-germanisch klingt das nicht. Aber dazu muss ich noch nachforschen. Naja, immerhin erzählt Doreen, was ich hören will, etwa „Das kann jedem von uns passieren, [dass man wie Beate Z. verhaftet wird] Jeder von uns könnte morgen abgeholt werden und dem könnte so etwas zur Last gelegt werden. Wir haben uns in Kreisen bewegt, sagen wir mal so, wo es ganz normal ist, dass man deutsch ist.“
Als mir Doreen erzählt, dass die nachmaligen Bundeskanzlerin Merkel zu Besuch im örtlichen Jugendclub war, kann ich es gar nicht glauben. Weil ich dumm und faul bin, illustriere ich diese Aussage von Doreen einfach mit einem Bild aus Groß-Klein (Ortsteil von Rostock) aus dem Jahr 1992. Danach hat sie mir noch erzählt, dass sie mal gesehen hätte, wie der Osterhase mit dem Weihnachtsmann... hinter den Mülltonnen... das habe ich besser herausgeschnitten, ich will mich schließlich nicht unglaubwürdig machen. Andererseits, möglicherweise und vielleicht, könnte doch sein. Auch hier muss ich noch nachforschen. Zwischendurch – Doreen säuselt gerade vom Schuldkult – fällt mir auf, dass die Stoffkappe vom Mikro fehlt, aber egal.
Doreen wird durch Thorsten ersetzt, dem es ein „großes Bedürfnis ist, etwas Licht, dir dabei zu helfen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.“ Gemeinsam stehen wir in der Straße, wo das Haus stand, das durch Beate Z. flambiert wurde. Ich mag seinen Bart, ob der auch so kitzelt wie der von Axelander? Auf jeden Fall spricht er durchgängig vom „sog. NSU“ oder vom „lächerlichen Konstrukt,“ mehr will ich gar nicht hören, aber er dialektalt einfach weiter. Also wenn das Deutsch sein soll, suche ich mir bald eine neue Lieblingssprache!
Bei Minute 21:41 haue ich mal einen richtigen Nerling raus „Das erinnert ein bisschen an den 11. September, wo man ja auch nicht schnell genug die Trümmer nach China schaffen konnte oder woanders hin. Möglichst schnell alles verschwinden lassen, so dass keine Fragen mehr gestellt werden können.“
Schnitt und ich stehe mit Doreen vor einem Haus, in der Beate Z. gewohnt haben soll. Meine Regiekünste sind unübertroffen, Veit Harlan würde mich um Rat fragen.
Schnitt und Thorsten steht wieder neben mir. Ich muss ein Genie sein! Vor dem örtlichen Polizeirevier, nach ein paar unmotivierten Impressionen aus Zwickau, darf mir Thorsten folgendes ins Mikro sprechen „Nach der Erfindung des NSU-Konstruktes hat man das sog. Operative Abwehrzentrum ins Leben gerufen und das ist das erste Mal seit den Zeiten der Gestapo, dass in Deutschland ganz offiziell in einer Behörde Polizeiarbeit und Geheimdiensttätigkeit zusammenfließen.“ Wie jetzt, was hat Thorsten gegen die Gestapo? Nicht dass er auch nur ein bolschewistischer Agent Provocateur ist. Komisch gerochen hat er auch noch, aber wenigstens hat er mich auf eine Bockwurst eingeladen.
Zum Ausklang spielt Thorsten, den ich mir die ganze Zeit in Breeches vorstellen muss, die würden ihm bestimmt stehen, noch ein wenig Deppenping-pong über die „Ideologie der bunten Republik“ mit mir; hui, hat das Spaß gemacht.
Damit ist aber noch immer noch nicht Schluss ist, ich fahre ich zur JVA Chemnitz, wo Beate Z. einsitzt, und weil ich eine Drecksau bin, blende ich eine Gedenktafel an der JVA ein, die an die politischen Gefangenen der DDR erinnert.
„Diese BRD hat den Rahmen des Rechtsstaates aus meiner Sicht verlassen, denn das, was hier geschieht, ist Unrecht. Der Kampf gegen Rechts, ist ein Kampf gegen das dt. Volk.“
Liebes Tagebuch, so viel wenig für heute, Axelander hat Kartoffelsuppe gemacht, aber davor gibt’s erst einmal einen strammen Max und heute darf ich den Max spielen.
Wenn ich groß bin, möchte ich auch mal ein Uwe sein, ein Wohnmobil habe ich ja schon.