Vielleicht sollten wir kurz in die Geschichte zurückblicken: Erste Impfversuche gab es schon im 18. Jahrhundert. Damals wurde noch von Arm zu Arm von Erkrankten geimpft. Die Quellenlage ist nicht ganz klar, aber es scheint, dass im osmanischen Reich, jedenfalls in Istambul, diese Praxis schon älter war, manche Forscher behaupten, dass die Impfung von Arm zu Arm schon im 16. Jahrhundert aufgekommen sei. Wie dem auch sei - Versuche mit Pockenimpfungen sind zumindest aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert nachgewiesen. Wir sprechen hier also von einer Praxis, die im Kern schon mehr als zweihundert Jahre alt ist. Dabei überwog der Nutzen der Pockenimpfung sogar in den Anfängen! Wir wissen heute um die schweren Risiken, die mit der Übertragung von (ungereinigtem) Blut verbunden sind. Dennoch ging durch die Einführung der Arm-zu-Arm-Impfung die Verbreitung und die Schwere der damaligen Pockenerkrankungen nachweislich drastisch zurück.
Mit der Jennerschen "Vaccination" wurde das Impfen einfacher und sicherer, die Risiken der Blut-Übertragung wurden vermieden. Im ersten und zweiten Weltkrieg brachen selbst in den am stärksten verheerten Gebieten Krankheiten, die in allen früheren Kriegen immer und immer wieder Epidemien verursachten, nicht aus - sofern es in diesen Gebieten vorher eine ausreichend hohe Impfquote gegeben hatte.
Die Wirksamkeit von Impfungen und deren Nutzen ist also durch eine über zweihundertjährige Geschichte eindrucksvoll bewiesen.
So, und nun sage ich noch etwas "Ketzerisches": Die Befürworter des Impfens standen anfangs einer ablehnenden Ärzteschaft gegenüber. Denn die Impfung steht und fällt mit dem "Kontagionismus", der Lehre, dass Krankheiten durch auf den Menschen übertragbare kleinste Erreger verursacht werden können. Dies war von der Antike durchs Mittelalter bis in die Neuzeit hinein eine weitgehend verfemte Lehre. Seit den griechischen Klassikern galten "böse Dämpfe", eine falsche Mischung der "Körpersäfte" u. dgl. als Auslöser von Krankheiten. Der Kontagionismus wurde abgelehnt.
Trotzdem fanden sich immer wieder Leute, die durch einfache Beobachtungen zu kontagionistischen Schlüssen gelangten. Römische Militärärzte haben offenbar um die Zeitenwende beobachtet, dass an Tollwut nur Menschen erkrankten, die vorher von Hunden, Wölfen, Füchsen o. dgl. Tieren gebissen worden waren. Sie entwickelten sogar eine Methode, solche Bisswunden mit glühendem Eisen auszubrennen, was, wie wir heute wissen, durchaus in gewissen Fällen eine Ansteckung verhindern kann.
Im Mittelalter gab es auch immer wieder einzelne Mediziner, die kontagionistisch dachten. Der berühmteste war der Italiener Fracastoro, der schon folgerte, es müsse unsichtbare Lebewesen geben, die Krankheiten auslösten.
Selbst ein Robert Koch wurde im Berlin des späten 19. Jahrhunderts noch ausgelacht, als er die Entdeckung eines Erregers bekannt gab. Die Erfolge von Impfungen, Antisepsis, Sterilisation und Isolation waren dann aber so durchschlagend, dass der Kontagionismus um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert allgemeine Anerkennung fand und die älteren Lehren verdrängte.
Impfen ist im Kern übrigens eine natürliche Behandlung: Indem man dem Körper ausreichend Erreger gibt, dass er dagegen Antikörper bilden kann, wird die Immunisierung erreicht. Es gibt in vielen Fällen einen "natürlichen Impfschutz", indem Menschen mit Erregern in Berührung kommen und dagegen Antikörper entwickeln. Umgekehrt versagt Impfung natürlich bei Menschen, deren Immunsystem angegriffen ist oder auch bei Leuten, die Immunsuppression unterliegen.
Was wir heute erleben, gerade etwa bei der "Neuen germanischen Medizin", ist ein Rückfall in vor-kontagionistische Zeiten. Gerade die NGM leugnet das Vorhandensein von Krankheitserregern wie Viren oder Bakterien. Geht man davon aus, dass es solche nicht gibt, erscheint natürlich auch Impfen nicht sinnvoll.
Doch wie oben schon geschrieben: Die Geschichte der Impfung dauert nun schon so lange und ist so erfolgreich, dass die Tatsachen für sich selbst sprechen.