Ist man ein Antisemit, wenn man das Judentum als Religion ablehnt? Ich glaube kaum, denn dann muss jeder Christ sich diesen Vorwurf gefallen lassen - einschließlich jüdischer Christen. Feindschaft gegen die Juden als Volk, Kultur oder Rasse ist eine andere Sache. Die Grenze ist nicht immer deutlich erkennbar. Ich kenne Luthers Schriften nicht so gut (also auch nicht "Von den Juden und ihren Lügen"), halte es aber für gut möglich, dass er sie im Eifer des Gefechts schon mal überschritten hat. Für ihn stand das Judentum auf einer Stufe mit Papsttum und Islam, mit denen er auch nicht immer fein umging. Er hat seine Ansichten im Laufe seines Lebens auch gewandelt. Andererseits hat er sein Hebräisch von den Juden gelernt, verdankte ihnen also einiges.
Nicht im "Eifer des Gefechts", sondern ganz gezielt. Luther hat auch wesentlich mehr und intensiver gegen die Juden als gegen die Moslems (von denen er sich nicht wirklich "bedroht" fühlte, da nicht so viele im thoitschen Land wohnten) oder den Papst gewettert. Es war ihm auch nicht nur eine Schrift wert. Abgesehen davon, waren die Moslems ja so oder so Feinde, schließlich war er "päpstlich" erzogen worden, der Kreuzzuggedanke war ihm also ebenso wenig fremd wie die Rechtfertigung von Hexenverbrennungen (auch die Verfolgung hat er nochmals angefacht).
Er hat sich zwar auch kritisch bezüglich Zauberei und ähnlichem geäußert, war aber trotz allem der Überzeugung das Frauen (und nur die) "Schadenszauber" ausüben können und forderte daher die Todesstrafe für "Hexen". Er hat zwar selbst keine gesucht, die Verfolgung aber durchaus für richtig empfunden.
Er wusste aber recht gut, was er an seiner Katharina hatte, die sich sehr energisch und erfolgreich um alles im Haus und auch darum herum kümmerte. Sie hatte eine Menge Rechte und machte sehr wirksam Gebrauch davon, und er fand das völlig in Ordnung, weil es ihn davon entlastete.
Natürlich wusste er, was er an seiner Frau hatte. Sie hatten dafür zu sorgen, das der Hof/das Haus/die Einnahmen gut liefen, so wie es sich für eine "Gutsfrau" gehörte. Sie hatte die Rechte, die damals jede Frau in gehobenem Umfeld hatte, sie hatte die sogenannte "Schlüsselgewalt" und war damit die, die bestimmte wer ins Haus kam oder nicht. Das war aber üblich, mehr "Rechte" hat Luther keiner Frau jemals zugestanden. In der Bibel gibt es schließlich auch keine Rechte für Frauen...im Gegenteil.
Tatsächlich? Er stammte doch selbst nicht gerade aus der oberen Schublade.
Hmmm...sein Vater hatte einen Gutshof und ein Bergwerk. Gehörte also dem Stand der Klasse der Patrizier an und wurde auch später Ratsherr.
Als "Nachgeborenem" blieb ihm damit -aufgrund des damaligen Erbrechts- auch nicht viel anderes als Mönch zu werden. Auch einer der Gründe, warum er sich gegen das "Mönchstum" wandte, wobei er auch der Meinung war, dass sich hier viel zu viele "Drückeberger" und Mitglieder der "niederen Stände" quasi "versteckten".
Das Konzept der Menschenrechte entstand erst 250 Jahre später. Du darfst nicht zu viel von den Leuten verlangen. In den Bauernaufständen sah er einen Verstoß gegen das biblische Gebot, sich der Obrigkeit unterzuordnen, auch wenn die nicht unbedingt optimal regierte. Zu biblischen Zeiten waren es die Römer, die die Menschenrechte auch nicht erfunden hatten.
Dass man seinerzeit noch keine Menschenrechte kannte -zumindest nicht so, wie wir sie heute verstehen- ist mir durchaus klar. Wie gesagt, dies ist im Zusammenhang mit der Aufklärung und den tatsächlichen Intensionen von Luther zu verstehen und dem, wie er heute oft -ganz falsch- dargestellt wird. Er wird eben oft als "Befreier" (nicht nur vom Ablasshandel) gepriesen und "befreit" hat er niemanden. Daran hatte er auch keinerlei Interesse.
Hier liegst du nun aber wirklich total verkehrt. Hätte er gewollt, dass alles blieb, wie es war, hätte er einfach Theologieprofessor in Wittenberg bleiben und die Bibel in Griechisch lesen können. Er wusste genau, wie viel Dynamit in der Bibel enthalten war, weil man ihr deutlich entnehmen konnte, dass vieles, was damals lief, nicht Gottes Wille war. Gewaltherrschaft im Staat wird in der Bibel genau so wenig gebilligt wie Gewalt in der Familie. Ihm ging es darum, dass jeder das Wort Gottes für sich selbst direkt aus der Quelle hören konnte.
Nein, nochmal: Luther war durchaus klar, dass man das Volk alleine durch die Vorbeter und grausigen Bilder in der Kirche nicht bei der Stange halten konnte. Man könnte auch sagen: Nicht genug einschüchtern konnte. Die Mönche zu dieser Zeit konnten immer weniger wirklich lesen und schreiben (man sollte es kaum glauben) und was sie teilweise von sich gaben war hanebüchen. Das, was nach einer "stillen Post" mit 60 oder mehr Leuten übrig bleibt.
Er wollte, dass das Volk untertänig(st) ist und es nicht wagt sich von seinem Platz, von seinem Wissen, von seiner "Bestimmung" zu lösen oder gar zu erheben. Dazu mussten die Leute das Wort Gottes in ihrer ihnen eigenen, verständlichen Sprache hören. Da er kein Bildungsfreund war, reichte es auch, wenn in der "Sonntagsschule" einer so viel lesen konnte um die aktuelle Bibelstelle vorzulesen und dem Rest der Gemeinde einzutrichtern. Nicht jeder sollte das Wort Gottes lesen können. Um Himmels Willen. Dann hätte sich der eine oder andere gar noch Gedanken gemacht.
Ach ja...die Bibel besteht nicht nur aus dem neuen Testament. Es gibt auch noch das alte...mit ganz viel Gewalt, auch gegen die Familie, Frauen, Angehörige und/oder Andersdenkende.
Das AT ist die Grundlage des Koran, der -ganz nebenbei- Mohammed bekanntlich vom Erzengel Gabriel diktiert wurde.
Er stellte den Gedanken in den Mittelpunkt, dass der Christ in erster Linie Gott untertan ist, erst danach dem Herrscher ("Von der Freiheit des Christenmenschen"). Damit hatten viele dieser Herrscher arge Probleme.
Probleme hatte vor allem die katholische Kirche, der eine Menge Pfründe abhanden kamen. Die anderen Herrscher hatten erstaunlich wenig Probleme, vor allem nachdem sie begriffen hatten, dass Luther ihnen in die Hände spielte. Er verlangte schließlich nicht nur exakt nach Gottes Wort zu leben, sondern eben auch der Obrigkeit (die nicht mehr der Papst war!) uneingeschränkt zu dienen und sich dieser unterzuordnen. Dieser "Machtzuwachs" kam vielen gar nicht ungelegen.
Hier muss man immer auch nachsehen, aus welchen Gründen der jeweilige "Herrscher" eben doch den Papst oder Luther bzw. die Reformationskirche unterstützte. Du kannst davon ausgehen: Geld -im weitesten Sinne- war da der beste Grund. Schließlich konnten die Untertanen das Geld, welches sie sonst für den Ablass gebraucht hätten, viel besser in andere Töpfe "abführen".
Es ging ihm auch nicht darum, ob der Mensch Gott ode reinem Fürsten/Herrscher untertan ist, sondern darum, wie ein wahrer Christ leben muss um "in den Himmel" zu kommen, als keine Sünde zu begehen. Dafür wiederum ist nicht nur Gottes Wort, sondern eben auch die Regeln der Herrschenden ausschlaggebend...letztere sollten natürlich nicht gegen Gottes Wort verstoßen.
Wäre Luther nicht so sehr davon überzeugt gewesen, dass er sich nicht über seinen "Stand" hinausbewegen darf, wäre er sicher gerne Papst geworden.
Das Ganze ist gar nicht so einfach und wirklich gute pietistische Theologen wie Grünzweig gibt es quasi keine mehr. Sonst würde manches evangelische Kind ein wenig mehr in der "Sonntagsschule" lernen.