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Spoiler
Sein Thema sei "die größte Lüge, die der gesamten Menschheit erzählt wird, nämlich dass die Erde eine Kugel ist", beginnt Heine das Gespräch und fährt fort: "Ich bin überzeugt, dass die Erde flach ist und uns die Regierungen eine riesige Lüge auftischen." Domian blinzelt, lacht, schnappt nach Luft, sucht nach Worten - und schließlich fragt er: "Spinnst Du?" Der 30-Jährige verneint und beginnt, seine Theorie zu erläutern. Und schnell wird klar: Er meint das tatsächlich vollkommen ernst.
Was zunächst nach einer verdrehten Einzelmeinung klingt, ist Teil einer der seltsamsten Verschwörungstheorien, die das Internet zu bieten hat. Die Flat Earth Society - auf deutsch meist Flacherdler genannt - ist tatsächlich der Ansicht, dass die Erde eine Scheibe ist. Und wie alle Verschwörungstheorien erfreut sich - den Filterblasen sei Dank - auch diese wachsender Beliebtheit und findet mehr und mehr Anhänger.
Zusammengefasst besagt die Theorie, dass die Erde keine Kugel ist, sondern eine Scheibe. In ihrem Zentrum liegt die Arktis, den Rand begrenzen die Eismassen der Antarktis, damit niemand versehentlich abstürzt. Zur Sicherheit sind an dem Eiswall aber auch noch bewaffnete Mitarbeiter der Nasa stationiert. Schließlich wacht die amerikanische Raumfahrtbehörde seit ihrer Gründung darüber, dass niemand die Wahrheit aufdeckt.
Seien es die "Truther", die die Anschläge vom 11. September 2001 für einen Inside Job der US-Regierung halten, Reichsbürger, Impfgegner oder auch die Menschen, die glauben, wir würden durch Chemtrails vergiftet: Gemein haben alle Anhänger von Verschwörungstheorien eine ausgeprägte selektive Wahrnehmung. Was ins Weltbild passt, wird verbreitet, Fakten dagegen werden ausgeblendet, verneint, oder durch eigene Erklärungskonstrukte ersetzt. Bei letzteren müssen die Flacherdler allerdings besonders tief in die Trickkiste greifen, damit ihre Theorie bei genauerer Betrachtung nicht in sich zusammenfällt.
Die unzähligen Satellitenbilder der Erde? Plumpe Fälschungen der Nasa. Schwerkraft? Entsteht entweder durch dunkle Materie oder durch die Tatsache, dass die Erdscheibe permanent nach "oben" (wo auch immer das ist) beschleunigt wird und die Menschen dadurch auf die Scheibe gepresst werden. Oder noch einfacher: Die Schwerkraft existiert überhaupt nicht, sondern Dinge fallen, weil es einfach so ist. Sonnenauf- und -untergang? Wahlweise optische Täuschungen oder eine Simulation durch einen riesigen Scheinwerfer, der über der Erdscheibe rotiert.
Nichts ist zu abstrus, um die hanebüchene Theorie zu untermauern - bis hin zum "Argument", wenn die Erde eine Kugel wäre, würde das Wasser der Ozeane ja nach unten laufen. Die südliche Hemisphäre stünde also permanent unter Wasser, während auf der nördlichen dauernde Trockenheit herrscht. Und das ist bei weitem nicht die einzige Absurdität, die die Flacherdler zu bieten haben.
Im Mainstream angekommen
Was treibt die Menschen an, Jahrhunderte naturwissenschaftlicher Erkenntnisse komplett über den Haufen zu werfen? Während die flache Erde früher eine Spezialität christlicher Fundamentalisten war, die sich bei ihrer Weltsicht auf die Bibel berufen und die moderne Wissenschaft als gotteslästerlich ablehnen, ist die Theorie mittlerweile - befeuert durch das Internet - im Mainstream der Verschwörungstheoretiker angekommen. Und deren Begründung, warum "die da oben" bezüglich der Gestalt der Erde lügen, ist grob zusammengefasst eine noch deutlich simplere: Weil sie es können.
Da liegt es nahe, die flache Erde als harmlose Spinnerei einer verdrehten Splittergruppe abzutun. Und doch führt diese Verschwörungstheorie zu der beunruhigenden Erkenntnis, dass in gewissen Kreisen mittlerweile nahezu automatisch alles zur Lüge deklariert wird, was in irgendeiner Weise "von oben" kommt. Selbst empirische Beweise oder physikalische Gesetze werden im Handstreich für null und nichtig erklärt, wenn sie dem eigenen Weltbild widersprechen.
Wobei, so ganz entkommen selbst gestandene Flacherdler der Physik dann doch nicht. Der US-Amerikaner Mike Hughes wollte unbedingt beweisen, dass die Erde tatsächlich eine Scheibe ist und schoss sich selbst mit einer dampfgetriebenen Rakete in die Luft. Neue Erkenntnisse brachte ihm sein Flug in etwa 570 Metern Höhe zwar nicht, aber immerhin überlebte er die Landung. Bei einem Test im Jahr 2014 landete er dermaßen hart auf der Erde, dass er schwer verletzt wurde. Mit der Schwerkraft ist eben nicht zu spaßen. Falls es sie überhaupt gibt.