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Auf einer im vergangenen Jahr ins Netz gestellten Seite ist zu einer „Verweser“-Wahl für eine Parallel-Verwaltung für Wolpertshausen aufgerufen worden. Dadurch sollten „Bodenrechte“ gesichert werden, die am 28. Oktober 2017 auslaufen würden. Ein Verweser sei, so ist auf einem „Faltblatt“ zu lesen, das dieser Zeitung in digitaler Form vorliegt, jemand, „der eine vakante Stelle einnimmt, bis wieder ein ordentlich gewählter Amtsinhaber eingesetzt ist“. Dieser soll die Verwaltung der Gemeinde nach einem noch aus der Kaiserzeit stammenden Notstandsgesetz übernehmen.
Ganz fertig geworden ist die Website, die über normale Suchmaschinen nicht zu finden ist, nicht. Ein Großteil der Einträge hat Blindtext, auch die Kontaktmöglichkeiten sind nicht funktionsfähig. Ein Impressum gibt es auch nicht. Es ist über die Website direkt nicht zu eruieren, wer hinter der „Landgemeinde Wolpertshausen“ steckt. Mehrere Versuche, über ein Kontaktformular mit den Betreibern der Seite in Verbindung zu treten, scheiterten trotz der Verwendung diverser Computer mit unterschiedlichen Betriebssystemen – das Tool ist offensichtlich abgeschaltet oder falsch programmiert.
„Verweser“-Wahlen gehörten eindeutig zur „reichsbürgertypischen Diktion“, erklärt ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg (LfV) auf Nachfrage. „Speziell im Phänomenbereich Landgemeinden geht es den Handelnden in erster Linie darum, einen ‚Verwaltungsapparat’ aufzubauen, der die Amtsgeschäfte der betroffenen Kommunen übernehmen soll“, so der Sprecher. „Solche Vereinigungen fallen dann regelmäßig durch eine Vielzahl von Faxsendungen an staatliche Einrichtungen auf.“ Wesentliche Zielrichtung sei es aber, als „Selbstverwalter“ aus dem staatlichen System auszusteigen und hiermit auch die Zahlung von Steuern oder Ähnlichem zu verweigern.
Mit Faxen ist die Verwaltung von Wolpertshausen bislang noch nicht überschwemmt worden, sagt Bürgermeister Jürgen Silberzahn. Er stellt zu der Website, auf die er von dieser Zeitung aufmerksam gemacht worden ist, aber unmissverständlich klar: „Wir werden das nicht tolerieren.“ Man werde auf jeden Fall juristisch dagegen vorgehen. Er habe auch schon Kontakt mit der Polizei gehabt. „Der Fall liegt jetzt bei der Staatsanwaltschaft Schwäbisch Hall“, so Silberzahn. Die Verwendung der Bezeichnung „Gemeinde Wolpertshausen“ durch die Website verstoße wahrscheinlich gegen das Markenrecht. „Wenn das nicht eigentlich so ernst wäre, müsste man fast drüber lachen“, sagt Silberzahn. Er verweist beispielsweise auf den Sänger Xavier Naidoo, der durch Äußerungen, die den Vorstellungen der „Reichsbürger“ entsprechen, Schlagzeilen gemacht hat.
Nach dem, was man auf der Seite zu lesen bekomme, handele es sich höchstwahrscheinlich um die sogenannten „Reichsbürger“, bestätigt auch Bernhard Kohn, Pressesprecher des für den Landkreis Schwäbisch Hall zuständigen Polizeipräsidiums Aalen. „Dass es kein Impressum gibt, ist aber erst mal nicht strafbar“, so Kohn. Nicht kommerzielle Seiten seien dazu nicht verpflichtet. Seiner Behörde sei die Website bislang auch noch nicht bekannt gewesen. Der Staatsschutz werde die Sache beobachten.
Noch keine Erkenntnisse
Auf der Website ist eine Erklärung zur „Aktivierung im Notstand“ zu finden, die von einigen Personen unterschrieben und mit Daumenabdruck – damit geben „Reichsbürger“ eine „Lebenderklärung“ ab – versehen worden ist. Die Unterschriften sind allerdings kaum leserlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Bürger aus Wolpertshausen darunter sind“, sagt dazu Bürgermeister Silberzahn. Er wisse zwar, dass es in der Gemeinde einen bekennenden „Reichsbürger“ gebe, über dessen Gerichtsverfahren diese Zeitung mehrfach berichtet hat, an eine größere Gruppe glaube er aber nicht. Über die Web-
site an sich lägen dem Verfassungsschutz keine Erkenntnisse vor, ergänzt der LfV-Sprecher. Gleichwohl seien Aktivitäten von Reichsbürgern in der Region bekannt. Auch gebe es weitere Internetauftritte verschiedener sogenannter „Land-/Samtgemeinden“, welche dem Reichsbürgerspektrum zuzuordnen seien.
Gepflegt wird die Website offensichtlich nicht mehr. Dabei hat man sich sogar die Mühe gemacht, für den Aufruf zur „Verweser“-Wahl ein Siegel einer „staatlichen Wahlprüfungskommission nach Notstandsverordnung 1914“ des „Bürgermeisteramts Wolpertshausen“ zu entwerfen – orientiert hat man sich an einem Siegel aus der Kaiserzeit. Das geht nach Recherchen dieser Zeitung möglicherweise auf die Gruppierung „Einiges Deutschland“ zurück, eine „Freie Wählervereinigung gegen Parteiendiktatur“. Dahinter steht der einschlägig bekannte Uwe Knietzsch aus Chemnitz, der glaube, das Kaiserreich würde noch bestehen. Auf der Website von „Einiges Deutschland“ wird so auch über „Siegelrechte und Verweser-Wahl“ informiert. Liest man sich in die von der Gruppe veröffentlichten Texte ein, wird nicht nur eine ablehnende Haltung zur Bundesrepublik Deutschland und ein revisionistisches Weltbild deutlich, es wird auch fremdenfeindliches, verschwörungstheoretisches und antisemitisches Gedankengut verbreitet.
Nun ginge es darum, den Domain-Betreiber der Wolpertshausener Seite herauszufinden, um sie löschen zu lassen, sagt Bürgermeister Silberzahn abschließend: „Ich denke, wir können das aus der Welt schaffen.“