STAATSVERWEIGERER ⋅ Für sie ist der Staat nur eine Firma: In Deutschland sind sie als «Reichsbürger» schon recht weit verbreitet. Auch in der Ostschweiz gibt es Menschen mit ähnlichen Ideen – nicht erst seit dem Treffen letzte Woche in Buchs.
25. Februar 2018, 07:56
Kaspar Enz
Dies ist ein Artikel der «Ostschweiz am Sonntag». Die ganze Ausgabe lesen Sie hier:
www.tagblatt.ch/epaperEs war nicht etwa eine einfache Einsprache. Der Glarner protestierte nicht eben nur gegen eine Strafe, nein, er nimmt es gleich mit dem Bundesstaat auf. «Die Firma ‹Sicherheit und Justiz›/ ‹EJPD› verstösst gegen die demokratischen Grundrechte der Gewaltenteilung der helvetischen Republik und wird des Volksverrats bezichtigt», schreibt der Beklagte. Trotz der kruden Sprache liess das Gericht die Einsprache gelten. «Nach der Strafprozessordnung entscheidet das Gericht, ob eine Einsprache gültig ist oder nicht», sagt Patrick Fluri, Erster Staatsanwalt des Kantons. Die Staatsanwaltschaft wird einen Abschnitt später als kriminelle Organisation beschimpft. «Als Staatsanwalt kriegt man noch vieles zu hören.»
So kam es letzten Sommer in Glarus zu einer recht turbulenten Gerichtsverhandlung. Draussen vor dem Gerichtssaal protestierte ein gutes Dutzend Unterstützer, wie die «Südostschweiz» schrieb, hereingelassen wurden sie nicht. Drinnen drehte der Angeklagte dem Richter den Rücken zu und wurde laut. Denn er glaubt ebenso wenig an die Rechtmässigkeit des Gerichts wie die Gleichgesinnten draussen. Für sie ist der Staat nur ein Verein oder eine Firma. Eine Argumentation, die derjenigen der Reichsbürger gleicht, die in Deutschland die Existenz der Bundesrepublik leugnen. Und auch der «Global Common Law Court», der sich am vergangenen Wochenende in Buchs traf, hat ähnliche Ideen.
Zwangsgeräumt ohne den Verein Schweiz
Es war nicht der einzige Vorfall in den letzten Monaten. Ganz in der Nähe von Glarus, in Weesen am Walensee, rief im Frühling 2017 die Facebook-Seite «Mein Weg ohne den Verein Schweiz» dazu auf, eine Gleichgesinnte bei einer Wohnungsräumung zu unterstützen. Und in Uznach störten sie ebenfalls einen Gerichtsprozess, wie die «Südostschweiz» weiter schrieb. Vorfälle wie sie weiter westlich, in der Region Bern und im Mittelland, schon häufiger sind. Dort ist die Szene recht aktiv, zu Gerichtsverhandlungen erscheinen manchmal mehrere Dutzend Sympathisanten.
Über ihre Stärke in der Ostschweiz ist hingegen wenig bekannt. Der St. Galler Kantonspolizei ist eine Handvoll bekannt, sie hält sie aber nicht für gefährlich. In Ausserrhoden habe die Polizei zwar hin und wieder mit Leuten zu tun, die sich nicht gerecht behandelt fühlen. «Aber dass mir jemand gesagt hätte, er akzeptiere den Staat nicht, das ist mir noch nie untergekommen», sagt der Ausserrhoder Kapo-Sprecher Ueli Frischknecht.
Erster Reichsbürger im Thurgau
Der erste Staatsleugner der Schweiz tauchte wohl im Thurgau auf: Dort verlangte ein Deutscher einen Schweizer Führerschein gegen die Vorweisung eines «Reichsführerscheins». Bis vor Bundesgericht brachte er vor, das Deutsche Reich bestehe weiter – die Argumentation der «Reichsbürger». Einige Jahre später beherbergte der Unternehmer Daniel Model eine Vorläuferorganisation des «Global Common Law Courts» für einige Zeit in seinem Müllheimer «Modelhof», nachdem deren Führungsriege in Österreich verhaftet wurden. Trotzdem habe die Thurgauer Kantonspolizei lediglich «vereinzelt» mit Menschen zu tun, die den Rechtsstaat Schweiz nicht akzeptieren und der Polizei keine Folge leisten wollen, sagt Sprecher Mario Christen.
Dass manche Staatsverweigerer dabei verbal ausfällig würden, führt aber selten zu einem Nachspiel. «Beamte erstatten da kaum je Anzeige», sagt Patrick Fluri. Aber Reichsbürger und ähnliche Gruppierungen könnten durchaus den Rechtsfrieden bedrohen, sagt er. Gerade wenn sie wie in manchen deutschen Fällen bewaffnet agieren.