Zumindest Die JVA scheint ja real zu existieren ("Du kommsch hier ned raus!")
Spoiler
Der 74-Jährige aus dem Landkreis Günzburg sitzt schon wegen Beleidigung, Körperverletzung und versuchter Erpressung in Haft. Das wollte er aber nicht hinnehmen.
Von Wolfgang Kahler
Ein Rentner aus dem nördlichen Landkreis Günzburg steht mit der Bundesrepublik Deutschland und deren offiziellen Organen auf Kriegsfuß. Der 74-Jährige wird der „Reichsbürger“-Szene zugerechnet. Er scheiterte jetzt vor dem Landgericht Memmingen mit seiner Berufung und muss daher seine Haftstrafe weiter absitzen, die er sich wegen Beleidigung, Widerstand, Körperverletzung und versuchter Erpressung eingehandelt hatte.
Der Mann beschäftigt Polizei und Justiz schon seit Jahren. Er hatte sich, wie berichtet, gegen Vollstreckungsmaßnahmen einer Gerichtsvollzieherin und der Polizei unter anderem mit Pfefferspray gewehrt und die Beamten verletzt. In zwei Vorverfahren bei den Amtsgerichten Günzburg und Memmingen war er zweimal zu Haftstrafen von einem Jahr und zehn Monaten sowie zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt worden. Und erst vor wenigen Tagen hatte der 74-Jährige erneut eine Geldstrafe kassiert, weil er in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen Justizbeamte als KZ-Personal tituliert hatte.
Zur Verhandlung waren neben den beiden verletzten Polizisten als Nebenkläger diesmal nur noch zwei weitere Beamte, die den Häftling begleitet hatten, gekommen. Wegen tumultartiger Vorfälle in früheren „Reichsbürger“-Prozessen war bisher immer ein Großaufgebot zur Sicherung eingesetzt. Herbert Krause, Vorsitzender des Schöffengerichts, informierte über das „komplizierte Verfahren“ gegen den Rentner und zitierte aus einigen Schreiben des Mannes an Polizei, Gerichtsvollzieher und Justiz. Darin hatte der Angeklagte beispielsweise den Vollstreckungsmaßnahmen widersprochen, da die Gerichtsvollzieherin keine Befugnisse habe. Zugleich drohte er wiederholt mit Schadensersatzansprüchen „bei weiteren Kontaktaufnahmen“.
Irrwitzige Forderungen gestellt
Immer wieder überzog der Mann die Behörden mit irrwitzigen Forderungen bis zur Höhe von fünf Millionen Euro in „Feinunzenmünzen Silber“, zuletzt sogar die Leiterin der JVA Gablingen. Werde dem nicht nachgekommen, würden die Forderungen im internationalen Schuldnerverzeichnis eingetragen und in „Freien Medien“ veröffentlicht. Im Berufungsprozess bewies der Angeklagte erneut, dass er vom „Reichsbürger“-Gedankengut nicht abgerückt ist. Er bezeichnete sich als „Deutscher“, der aber keinen Personalausweis mehr besitzt. Dann sprach er dem Gericht und der leitenden Oberstaatsanwältin Renate Thanner als Anklagevertreterin generell die Legitimation ab, gegen ihn zu verhandeln, weil sie Amtsträger eines nicht existierenden Staates seien. Als er die Justizvertreter außerdem mit dem vertrauten „Euch“ ansprach, platzte dem Vorsitzenden Krause schließlich der Kragen.
Er drohte dem 74-Jährigen im Wiederholungsfall eine Ordnungsstrafe an. Der stellte offenkundig ganz ohne Absprache mit seinem Pflichtverteidiger Alexander Grob aus Günzburg einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, denn das Verfahren sei nicht rechtmäßig. Richter Krause bezeichnete die Rechtsansichten des Angeklagten als „abwegig“. Der blieb bei seiner Auffassung, die Polizeiaktion gegen ihn sei ein Überfall gewesen, gegen den er sich hätte wehren dürfen. „Weitere Fragen werde ich nicht beantworten“, sagte der Rentner und setzte einen drauf: „Damit hebe ich die Veranstaltung auf.“ Der Befangenheitsantrag wurde abgelehnt.
Berufung zurückgezogen
Die Verhandlung endete überraschend schnell: Der Angeklagte zog, erneut ohne Absprache mit seinem Anwalt, die Berufung zurück, bezichtigte aber gewissermaßen als letzten Akt seines Widerstands die Leiterin der Anklagebehörde der Rechtsbeugung. Der Rentner muss nun wieder zurück ins Gefängnis, da auch die von Anwalt Grob eingelegte Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Günzburg beim Oberlandesgericht München nur teils erfolgreich war, im Wesentlichen aber als unbegründet verworfen wurde.
Am Rande des Verfahrens bestätigte die leitende Oberstaatsanwältin Thanner unserer Zeitung, dass die Justiz quasi täglich mit Faxschreiben der „Reichsbürger“-Szene attackiert werde, aber neuerdings nicht mehr mit Erpressungsversuchen. Immer wieder würden aber völlig irrwitzige Forderungen zum Teil in Millionenhöhe gestellt.
Werde denen nicht konsequent entgegengetreten, könnten die Ansprüche über Zivilverfahren in den USA sogar vollstreckbare Titel erhalten, erläuterte Thanner. Am gleichen Tag war beim Landgericht ein zweiter Prozess gegen einen „Reichsbürger“ aus dem Nachbarlandkreis Neu-Ulm angesetzt. Doch der Angeklagte hatte sich in Richtung Sachsen abgesetzt und die Verhandlung platzte.