Der Herr Schwimmeister.
Er redet über das Schloß Pretzsch an der Elbe.
...
Aber wenn Herr Fitzek nun behauptet, dass er dort Kinder erzogen habe: Da hat die DDR nun nicht jeden Dödel herangelassen.
Danke @Wittenberger für die bemerkenswerten Informationen. Kleine Korrektur: Schloss Pretzsch war Spezialkinderheim nicht nur "einfaches" Kinderheim. Weites Feld.
Ein weites Feld. Anders als der Name suggeriert, war das keine "Spezialbehandlung". Sondern es ging um "schwererziehbare" Kinder, ein damals üblicher Begriff. Gemeint sind sowohl verhaltensauffällige Kinder als auch Kinder mit -wie sagt man es politisch korrekt- mit weniger bildungsfährigen Kindern. Leider ist das Thema politisch überlagert, da es auch Fälle politisch motivierter Einweisungen gab. Für die Masse der Fälle gilt gleichwohl, dass die DDR in den 1970er/80er Jahren ein durchaus zeitgemäßes, um nicht zu sagen modernes Jugendhilfesystem hatte. Im Schloss Pretzsch gibt es zudem eine Ausstellung über die Geschichte des Heims. Auch dort kann ich keine Hinweise auf Grenzüberschreitungen entnehmen.
Zum Heim Pretzsch: Ich bin weit entfernt davon, irgend etwas aus der DDR ohne kritische Betrachtung zu sehen. Für das Heim Pretzsch ist zu sagen, dass nach der Wende keine Schweinereien ans Licht kamen. Wenn da wirklich welche gewesen wären, wären die nicht unter dem Deckel zu halten gewesen, zumal der übernehmende Salus-Verbund nicht als jemand gilt, der DDR-Schweinereien unter den Teppich kehrte.
Aber wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, dann "mutierte" unser Zopf- König- Koch- Schwimmeister erst nach 1990 auf Schloss Pretzsch zum "Erzieher", vorzugsweise zum "Erzieher" von "sexuell mißbrauchten, schwererziehbaren Kindern", was immer das jetzt auch heißen soll.
Es gab ja vor einigen Jahren ein Ermittlungsverfahren wegen so eines Vorwurfs im Heim Pretzsch. Ich gehe mal davon aus, dass da nichts dran war - sonst hätte man das wegen der Brisanz des Themas vermutlich im Spiegel gelesen.
Zu Schwimmeister Fittzek: Derr wird da nichts erzogen haben, der durfte aufpassen, dass niemand ertrinkt. Ich kann übrigens nicht erkennen, warum das erst nach 1990 gewesen sein soll. Das kann auch gut schon vor der Wende gewesen sein.
Dazu muss ich zum Verständnis ausholen: Schon in den 1980er Jahren war es in einigen Bereichen der DDR vorbei mit der ganz großen staatlichen Kontrolle. Das hatte unter anderem mit den ewigen Fachkräftemangel zu tun. Und das betraf unter anderem die Gastronomie, aber auch Saisonbeschäftigte wie Schwimmeister oder Skilehrer. Da wurde halblegal gearbeitet, schwarz gearbeitet, an der Steuer vorbei gearbeitet, es gab alles. Und der Staat drückte Augen zu - so lange man nicht gegen den Sozialismus wetterte. Beispielsweise gab es Koch- und Kellner-Karrieren, die so gingen: In der Sommersaison kellnern auf Rügen, in der Wintersaison kellnern in Oberhof. Fünf Monate im Jahr frei. Gleiches auch für Schwimmeister: Im Sommer mit trainiertem Körper an der Ostsee Badeaufsicht und die besseren Damen um das Geld erleichtern.
Aber wirklich sehr interessant ist tatsächlich der Hinweis auf die Opfergruppe um den Christoph Kastius, also den echten Kastius, also den Axtschläger- Fürstentum- Germania- Kastius himself.
Ich dachte, dass sei allgemein bekannt. Kastius hat übrigens das gleiche Problem wie Fitzek: Der schiebt was an, verliert in den Mühen der Ebene die Lust - und schiebt was neues an.
Wenn Kastius 1976 geboren ist und in dem Heim in Schloß Pretzsch aufgewachsen ist, dann war er vermutlich noch bis 1994 dort, also auch noch in den wirren Nachwendejahren. Das könnte jetzt heißen, dass sich sein "Erzieher" Fitzek und "Heimopfer" Kastius vielleicht sogar aus diesen Jahren auch ganz persönlich kennen.
Das wäre reine Spekulation. Es wäre zudem unwahrscheinlich: Die Kinder blieben nur bis zum 14. Lebensjahr dort. Danach ging es in den Jugendwerkhof. Für Wittenberg war das der Jugendwerkhof "Ernst Thälmann" in der Sternstraße sowie die zugehörige Antoniusmühle östlich der Stadt. Abschweifend: Den Jugendwerkhof konnte mich zu DDR-Zeiten besichtigen. Es war auffällig, dass Schulbänke nicht zerkratzt oder beschmiert waren. Auffällig war zudem, dass einige der jungen Damen (14-18 Jahre) schwanger waren. Verständlich schien es mir schon: Wo Liebe fehlt, sucht der Mensch Liebe.
Da das Thema "Wohnung Ringstraße" angeprochen wurde ein Nachtrag:
Das erklärt sich völlig zwangfrei. Dort befinden sich DDR-Neubauwohnungen aus den 1960er Jahren, das waren Arbeiterwohnheime. Es gab die typischen abgeschlossenen Wohnungen, allerdings waren die mit mehreren Leuten belegt - ähnlich wie in der heutigen Flüchtlingssituation. Das Gelände war nie eingezäunt. Je nach Bedarf wurden Blöcke zu Ausländerwohnheimen gemacht, in den 1980er Jahren war ein Block für Vietnamesen. An eine Einlasskontrolle (Portier) erinnere ich micht nicht, ich war aber auch nur zweimal zur Wende dort.
Jedenfalls hat Fitzek in dem Video in dem es um die Anfänge seiner Kampfkunst und den vietnamesischen Aufpasser, von dem er Karate gelernt haben will, erzählt, dass er dort (illegal) wohnte. Das läßt also auf folgendes hinaus: Er hatte eine vietnamesische Freundin (seine spätere Frau) und ist dann dort in ihr Zimmer im vietnamesischen Wohnheim gezogen. Sowas war nicht der Normalfall, aber denkbar ist das recht gut, auch schon zu späten DDR-Zeiten. Und in der Wendezeit sowieso.