Ach, die Sache mit Verfassung und Grundgesetz ...
Da kann man ja ins Schwelgen geraten: Zum Beispiel gibt es Staaten, die über Verfassungsgesetze verfügen. Schweden hat zum Beispiel keine Verfassung, sondern mehrere Verfassungsgesetze. Frankreich hatte von 1875 bis 1946 nur "Lois constitutionelles", also "Verfassungsgesetze". Österreich verfügt noch über eine besondere Eigenart: Neben verschiedenen Verfassungsgesetzen (u. a. Bundes-Verfassungsgesetz, Finanzverfassungsgesetz, Staatsgrundgesetz [hört! hört]) gibt es auch einzelne Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen.
Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen, kennen manche Staaten auch noch eine Zwischenebene zwischen einfachem Gesetz und Verfassungsgesetz. Nach französischem Vorbild "loi organique" nennt man diese auf Deutsch meist "Organgesetze", aber auch der Begriff "Grundgesetz" wird dafür manchmal verwendet. Meist handelt es sich dabei um Gesetze, die solch grundlegende Materien regeln wie die Wahlen, die Einrichtung der obersten staatlichen Organe wie Präsident, Regierung, Parlament, oberste Gerichte u. dgl. Typisch für solche Gesetze ist, dass sie meist schwerer zu ändern sind als einfache Gesetze, dass also z. B. für ein einfaches Gesetz auch eine einfache Mehrheit im Parlament ausreicht, für ein "Organgesetz" hingegen zum Beispiel die Mehrheit aller Mitglieder des Parlaments zustimmen muss. Verfassungsänderungen sind dann meistens noch weiter erschwert, bedürfen etwa einer Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen im Parlament, der Zustimmung einer sonst nur beratenden zweiten Kammer oder eine Volksabstimmung bzw. der erneuten Bestätigung durchs Parlament nach einer Neuwahl.
In Monarchien gibt es bisweilen neben der Verfassung, die auch so genannt wird, ein Thronfolgegesetz, das die Bestimmungen über die Nachfolge des Monarchen und die Anforderungen an diesen enthält. Das ist etwa in Schweden der Fall, aber auch in Liechtenstein, wo dieses Gesetz übrigens immer noch ein Hausgesetz ist, also nicht Teil der staatlichen Rechtsordnung, sondern das private Recht der Fürstenfamilie.
In der Rechtswissenschaft ist man schon längst zu der Einsicht gelangt (die aber natürlich in anderen Disziplinen ebenso verbreitet ist), dass es nicht auf die Benennung ankommt, sondern auf den tatsächlichen Inhalt und auf die Stellung in der gesamten Rechtsordnung. Wenn also das Königreich Italien seinerzeit nur ein "statuto" hatte (also ein Statut bzw. eine Satzung), so bedeutet das nicht, dass es keine Verfassung gehabt hätte oder nur ein Verein gewesen wäre, sondern es handelte sich nach Inhalt und Bedeutung um eine echte Verfassung.