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1. Ausweislich der vorliegenden Arztberichte hat der Kläger sich als sog. Primärverletzungen ausschließlich eine Verletzung des linken Arms (Ulnaluxation mit Fraktur des processus styloideus sowie eine Radiusfraktur mit Dislokation) und eine Prellmarke am Kopf zugezogen. Diese Verletzungen sind zwischen den Parteien auch unstreitig.
2. Der Kläger hat hingegen nicht zu beweisen vermocht, dass er darüber hinaus unmittelbar durch den Vorfall vom 3. Mai 1982 einen Nasenbeinbruch davon getragen hat. Der Unfallbericht Dr. A. vom 3. Mai 1982 (Bl. 12 Anlagenband I) weist keinen entsprechenden Befund aus, obwohl der Schädel des Klägers seinerzeit geröntgt worden ist. Der Kläger hat auch in der Folgezeit keine diesbezüglichen Beschwerden geschildert. 3. Ebenso wenig kann als unmittelbar durch den Unfall verursacht eine Verletzung der Nerven des linken Arms des Klägers festgestellt. werden.
Aus dem von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Gutachten Prof. Dr. W. vom 2. Dezember 2003 (Bl. 1376 ff. d. A.) ergibt sich lediglich die Möglichkeit, dass es bei dem Unfall zu einer Nervenverletzung gekommen sein kann, wobei die insoweit vom Kläger konsultierten Ärzte jedoch jeweils zunächst davon ausgegangen sind, der Kläger habe die Beklagte und deren Fahrrad mitgeschleift. Diesbezüglich hat bereits das Landgericht darauf hingewiesen, ein entsprechender Unfallhergang sei nicht bewiesen. Hinweise auf eine tatsächlich eingetretene Nervenschädigung hat Prof. Dr. W. aber nicht vorgefunden (Bl. 1388 d. A.).
Soweit auch ohne ein Mitschleifen der Beklagten und ihres Fahrrades eine Nervenverletzung für denkbar gehalten wird (auch von der Privatsachverständigen des Klägers Dr. K., Bl. 1534 d. A.), ist dies für den vom Kläger zu führenden Beweis nicht ausreichend. Bei der haftungsbegründenden Kausalität kommt dem Kläger auch keine Beweiserleichterung nach § 287 ZPO zugute. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs zwischen dem Unfallereignis und der ersten Diagnose ist ein Zusammenhang hingegen eher unwahrscheinlich.
4. Wegen der von diesen Primärverletzungen ausgehenden Beeinträchtigungen, die der Kläger durch die anschließenden Behandlungen und Folgeerscheinungen wie z. B. Schmerzen und weitere Beschwerden davongetragen hat, wird zunächst auf die Ausführungen unter Ziffer I. 1. und 2. (Bl. 15 bis 18 des Urteils des Landgerichtes vom 31. Oktober 2005) Bezug genommen. Diese Ausführungen macht der Senat sich ausdrücklich zu Eigen. B. Überwiegend zu Recht hat das Landgericht in seinem sehr ausführlich begründeten Urteil vom 31. Oktober 2005 (Bl. 1743 ff. d. A.) die Kausalität des Unfalls vom 3. Mai 1982 für die weiteren vom Kläger angeführten Folgeerkrankungen verneint. Dabei hat es insbesondere nicht die dem Kläger für die Weiterentwicklung des
Schadens aus den unmittelbar erlittenen Verletzungen zugute kommende Beweiserleichterung des § 287 ZPO übersehen, jedoch weitgehend zutreffend eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs verneint.
1. Wegen der von dem Kläger vorgetragenen chronischen Schmerzen wird zunächst auf die Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil unter Ziffer I. 3. a) bis d) (S. 18 bis 22 des LGU) verwiesen. Diesen Überlegungen tritt der Senat ausdrücklich bei. Insbesondere hat das Landgericht insoweit nochmals zutreffend festgestellt, dass es nicht nachweisbar zu einer Nervenverletzung bei dem Kläger gekommen ist. Der Sachverständige Prof. Dr. W. hatte - wie oben bereits ausgeführt - zunächst in seinem schriftlichen Gutachten vom 2. Dezember 2003 ausgeführt, bei Vorliegen einer Nervenverletzung seien die vom Kläger geschilderten Schmerzen im Arm eine klassische Folge, hat allerdings selbst keine Hinweise auf eine entsprechende Verletzung des Nervs gefunden (Bl. 1388 d.
A.). Bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht hat er dann zwar eine Schmerzsymptomatik im Oberarm auch ohne Nervenverletzung für möglich gehalten. Eine bloße theoretische Möglichkeit reicht indes auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des § 287 ZPO für die erforderliche Sicherheit der Annahme des von dem Kläger nachzuweisenden Ursachenzusammenhangs nicht aus. 2. Das Landgericht hat sich unter Ziffer I. 4. a) bis d) (S. 22 bis 24 des LGU) intensiv mit dem Vorbringen des Klägers zum Vorliegen eines algogenen Psychosyndroms auseinandergesetzt und auch insoweit zutreffend die vorliegenden Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr. W., Dr. S., Dr. K. und Dr. W. gewürdigt. Auch diesen Überlegungen schließt sich der Senat nach eigener kritischer Prüfung vollinhaltlich an. Ohnehin ist unter Medizinern umstritten, ob es ein algogenes Psychosyndrom überhaupt gibt. Selbst wenn es als grundsätzlich anzuerkennendes eigenes Krankheitsbild bejaht wird, ist aufgrund des überzeugenden Sachverständigengutachtens Dr. W. vom 5. Januar 2005 (hintere Aktenhülle Bd. XI) davon auszugehen, dass eine solche Symptomatik beim Kläger tatsächlich nicht vorliegt. Der Sachverständige Dr. W. hat in seinem Gutachten insgesamt sieben Aspekte aufgeführt, die üblicherweise bei einem algogenen Schmerzsyndrom vorliegen müssten, die er beim Kläger aber nur in geringen Ansätzen feststellen konnte. Dies hat sich im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 7. November 2006 bestätigt, in der der Kläger bei der Erörterung u. a. des Vorliegens eines algogenen Schmerzsyndroms und des hierfür u. a. regelmäßig erforderlichen demonstrativen Schmerzverhaltens sowie einer Einengung der Interessensphäre oder Erlebnisfähigkeit auf die Schmerzsymptomatik als zentralem Lebensinhalt ausdrücklich erklärt hat, um die Schmerzen ginge es gar nicht, sondern um das ihm zugefügte Unrecht sowie die von ihm allein in den Mittelpunkt gestellten Überlegungen z. B. zum Staatsaufbaumangel der Bundesrepublik Deutschland sowie der von ihm herangezogenen Chaostheorie.
Dies deckt sich vollständig mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr. W. Die von dem Kläger konsultierte Privatgutachterin Dr. K. ist hingegen sowohl in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 15. März 2005 (Bl. 1533 ff. d.A.) als auch bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht jede Begründung für die Bejahung eines algogenen Schmerzsyndroms schuldig geblieben. Dies gilt im Übrigen auch für die Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. in seinem Gutachten vom 22. Juni 1998 (Bl. 714 ff. d. A.). Deshalb bedurfte es auch nicht mehr der vom Landgericht ursprünglich beabsichtigten ergänzenden Befragung des Sachverständigen Dr. W. zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes ist aber die Kausalität des Unfalls vom 3. Mai 1982 für die von mehreren Gutachtern bestätigte reaktive Depression und Persönlichkeitsveränderung zu bejahen. Wie bereits ausgeführt haftet ein Schädiger für seelisch bedingte Folgeschäden einer Verletzungshandlung grundsätzlich auch dann, wenn sie auf einer psychischen Anfälligkeit des Verletzten, einer neurotischen Fehlverarbeitung oder einer entsprechenden Anlage des Geschädigten beruht. Dies ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. in seinem Gutachten vom 5. Januar 2005 sowie nach den Ausführungen des im Strafverfahren beauftragten Sachverständigen Prof. K. jedoch zu bejahen. Danach liegt bei dem Kläger eine schwere narzistische Persönlichkeitsstörung vor, die allerdings bereits vor dem Unfall angelegt war.
Der Sachverständige Dr. W. hat in seinem Gutachten vom 5. Januar 2005 im Einzelnen ausgeführt, worauf sich seine Diagnose stützt. So führt er ab S. 21 seines Gutachtens im Einzelnen aus, im Gesamtbild der Persönlichkeit des Klägers sei ausgeprägt und durchgängig ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit, ein Bedürfnis nach Bewunderung und ein gewisser Mangel an Einfühlungsvermögen feststellbar. Der Kläger wirke schnell prahlerisch und großspurig und zeige eine deutliche Verleugnungstendenz bei Überschätzung der eigenen Fähigkeit, woraus eine Übertreibung seiner Leistung folge. Bereits beim geringsten Zweifel an seinen Leistungen wirke der Kläger impulsiv gekränkt. Nur durch ein ausgedehntes Lob und Anerkennung seiner vermeintlich großartigen Leistungen sei wieder ein tragfähiger Kontakt zu ihm herzustellen. Der Kläger sei nicht annähernd in der Lage, im Rahmen eines selbstreflektiven und introspektiven Prozesses seinen eigenen Anteil an seinem beruflichen Scheitern zu identifizieren (S. 23 des Gutachtens).
Sein Denken sei inhaltlich vollständig von den für ihn narzistisch kränkenden Erlebnissen aus seiner Vergangenheit und seinem ihn kränkenden sozialen Abstieg geprägt. Während der fast sieben Stunden andauernden Untersuchungszeit habe hingegen die eigentliche Schmerzproblematik praktisch keine Rolle gespielt (S. 24 des Gutachtens). Genau dieses Bild ergibt sich aus den schriftlichen Äußerungen des Klägers zur Akte sowie aus seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 7. November 2006. Auch hierbei standen ausschließlich die persönlichen Kränkungen und die o. g. allgemein politischen Erwägungen im Vordergrund.
Die Angriffe des Klägers gegen den Sachverständigen Dr. W. vermögen demgegenüber keine Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen zu begründen. Die von dem Kläger hinzugezogene Privatsachverständige Dr. K. hat weder in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 15. März 2005 noch bei ihrer mündlichen Anhörung vor dem Landgericht näher begründet, weshalb nach dem Summenscore für den IPDEScreeningFragebogen ICD 10 Modul keine Persönlichkeitsstörung beim Kläger vorliege, insbesondere keine narzistische Persönlichkeitsstörung (s. S. 12 des Gutachtens vom 15. März 2005, Bl. 1532, 1537 d. A.).
Soweit der Kläger auf S. 21 seiner Berufungsbegründung (Bl. 1889 d. A.) neun Merkmale aufführt, die der Arbeitskreis OPD als Voraussetzung einer Diagnose einer narzistischen Persönlichkeitsstörung verlangt, wovon mindestens fünf erfüllt sein müssen, sind eben genau diese Kriterien in hinreichender Weise gegeben:
a) So dokumentiert der Kläger nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. W., die durch sein gesamtes Verhalten im Prozess bestätigt werden, sowie dem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck eindeutig ein übersteigertes Größengefühl in Bezug auf seine eigene Bedeutung.
b) Nach dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des Sachverständigen Dr. W. und dem im Prozessverlauf dokumentierten Verhalten ist er der Überzeugung, besonders und einmalig zu sein und nur von anderen besonderen Menschen und solchen mit hohem Status verstanden zu werden oder mit diesen zusammensein zu können.
c) Er ist geprägt von dem Bedürfnis nach übermäßiger Bewunderung.
d) Bei ihm liegt auch die geforderte Anspruchshaltung vor, nämlich die unbegründete Erwartung besonders günstiger Behandlung oder automatischer Erfüllung von Erwartungen. Hierzu hat der Sachverständige W. ausdrücklich ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner Persönlichkeitsstörung quasi gezwungen, äußere Umstände dafür verantwortlich zu machen, wenn etwas nicht so ablaufe, wie er es sich vorstelle oder wünsche.
e) Ebenso hat der Sachverständige Dr. W. einen Mangel an Empathie festgestellt, nämlich die mangelnde Fähigkeit, Gefühle und Bedürfnisse anderer anzuerkennen und sich mit ihnen zu identifizieren.
f) Schließlich trägt der Kläger im Sinne der von ihm aufgeführten Merkmale auch eine arrogante, hochmütige Verhaltensweise zur Schau, die mit dem eingangs genannten Kriterium des gesteigerten Größengefühls im Zusammenhang steht, wenn er z. B. meint, er allein sei in der Lage, größere Zusammenhänge zu erkennen und/oder zu verstehen. Nach alledem kann nach Überzeugung des Senates kein Zweifel bestehen, dass bei dem Kläger eine schwere narzistische Persönlichkeitsstörung vorliegt, die bereits vor dem Unfall vom 3. Mai 1982 angelegt war.
4. Grundsätzlich kann aufgrund der bei dem Kläger diagnostizierten schweren narzistischen Persönlichkeitsstörung und der sich anschließend nach dem Unfall über Jahre hinziehenden Streitigkeiten mit Versicherungen, dem Gemeindeunfallverband und Gerichten auch angenommen werden, dass sich bei dem Kläger ein diaeitetogenes Psychosyndrom entwickelt hat. Hierunter wird eine psychische Beeinträchtigung von Patienten verstanden, die über eine längere Zeit wegen ihrer Erkrankung in GutachterEntscheidungsverfahren verwickelt sind.
5. Ebenfalls wahrscheinlich ist, dass bei dem Kläger eine somatoforme Schmerzstörung nach der Kategorie ICD 10: F 45.4 vorliegt, d. h. andauernde, schwere und quälende Schmerzen, die durch einen physiologischen Prozess oder eine körperliche Störung nicht erklärt werden können. In Verbindung mit den auch vom Landgericht bejahten depressiven Verstimmungen und der vom Kläger subjektiv empfundenen Kränkungen liegt es durchaus nahe, dass sich ein solches Krankheitsbild bei ihm entwickelt hat.
6. Mit dem Landgericht ist bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das Auftreten von depressiven Verstimmungen zu berücksichtigen. Eine depressive Symptomatik ist nach dem Unfallereignis von mehreren Ärzten festgestellt worden, u. a. im Gutachten Dr. H. vom 15. Juli 1985 (Bl. 62 Anlagenband I), in dem psychologischen Gutachten M. vom 17. Dezember 1985 (Bl. 60 Anlagenband I), in der ergänzenden Stellungnahme Dr. H. vom 23. Januar 1986 (Bl. 65 Anlagenband I), in dem Gutachten R. vom 11. August 1986 (Bl. 74 Anlagenband I) sowie in dem Arztbericht Dr. W. vom 21. September 1987 (Bl. 625 d. A.). Außerdem hat die den Kläger behandelnde Ärztin Dr. F. depressive Verstimmungen bestätigt (vgl. u. a. Attest vom 16. September 1987, Bl. 105 Anlagenband I sowie vom 19. August 1994, Bl. 73 Anlagenband II). Soweit Dr. H. in seinem Gutachten vom 15. Juli 1985 die Vermutung aufstellt, es könnten bereits vor dem Unfall vom 3. Mai 1982 depressive Störungen vorgelegen haben, entlastet dies indes die Beklagte nicht.
7. Gleichfalls erscheint es als wahrscheinlich, dass die Magenbeschwerden des Klägers letztlich ursächlich zurückgehen auf den Unfall vom 3. Mai 1982. Ihm sind wegen der depressiven Verstimmungen verschiedene Medikamente verordnet worden, die er nicht vertrug und die schließlich zu einem Reizmagen pp. führten. Insoweit ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass sowohl die Magenbeschwerden als auch die spätere Operation wegen Magenblutung im Ergebnis unfallbedingt sind.