Zumindest aus dem, was man heute den Nachrichten entnehmen konnte, würde ich das nicht schließen. Demnach hätte eine Berufung nur dann Sinn, wenn man argumentativ so nachlegt, daß dem auch ein fachlich unbeschlagener Jurist folgen können muß.
In der Tat sind verfassungsrechtliche Fragen bei zivilgerichtlichen Instanzgerichten manchmal nicht so gut aufgehoben. Möglicherweise braucht man daher einen längeren Atem (BGH oder BVerfG). Im ersten Zugriff und ohne nähere Kenntnis der Entscheidungsgründe fällt aber schon auf, dass das (Land-) Gericht möglicherweise der Ansicht war, "Antisemit" sei eine (dem Beweis zugängliche) Tatsachenbehauptung. Auf dieser Grundlage gibt es keine Antisemiten, weil es sich um eine innere Einstellung handelt und mit ein bißchen Geschick sich Äußerungen so gestalten lassen, dass jeder das Gemeinte erkennt, ein belastbarer Nachweis sich aber nicht führen läßt. Die AfD / B. Höcke bietet da reichlich Anschauungsmaterial. Tatsächlich ist die Kennzeichnung "Antisemit" aber eine Meinung über die innere Einstellung eines anderen. Die Frage ist daher nicht, ob die Äußerungen des Betroffenen eine wie auch immer geartete "Antisemitendefinition" erfüllt, sondern ob die getätigten Äußerungen die Wertung zulassen, der Äußernde sei ein Antisemit, die Aussagen sich also als Ausdruck einer antisemitischen Einstellung verstehen lassen.
Davon unabhängig kann allerdings bis auf ein Weiteres nur empfohlen werden, niemanden als Antisemiten zu bezeichnen, sondern (lediglich) die jeweiligen Äußerungen als antisemitisch zu kritisieren. Das wird dann meist als (zulässige) Meinungsäußerung bewertet, wenn die Äußerung sich entsprechend interpretieren lässt (vgl. LG München, Urt. v. 09.01.2018 - 25 O 1612/17, Rn. 96, zu der Aussage, der Kl. sei für antisemitische Äußerungen berüchtigt: "In der gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten ist daher entscheidend, ob die Beklagte über ausreichende Anhaltspunkte und Anknüpfungstatsachen verfügt, aus denen sich entnehmen lässt, dass der Kläger für Äußerungen bekannt ist, aus denen sich eine antisemitische Überzeugung oder Einstellung des Klägers ... entnehmen lässt".).
Zugleich offenbart sich hier der Wertungswiderspruch, Äußerungen als zulässig anzusehen, den daraus zu ziehenden Schluss, der Äußernde sei ein Antisemit, aber nicht. Hier sollte in der Tat eine höchstrichterliche Wegweisung erfolgen.
Nachtrag: Zu der erwähnten Entscheidung des LG München gibt es hier
https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/lg-muenchen-i-knobloch-gewinnt-rechtsstreit-um-antisemitismusvorwurf eine Zusammenfassung.